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2018-03-01 | Zuckerberg soll sich erklären | Druck auf Facebook | Inmitten steigenden Drucks im Datenskandal hat sich Facebook zu Wort gemeldet. Man sei sich des Ernstes der Lage bewusst. Firmenchef Zuckerberg soll vor Abgeordneten in Washington, Brüssel und London aussagen.
mehr | Nach dem Daten-Missbrauch von 50 Millionen Facebook-Nutzern steigt der Druck auf das Unternehmen. Das britische Parlament will Konzernchef Zuckerberg vorladen. Auch Bundesjustizministerin Barley schaltete sich ein. Nachdem im Skandal um die Datenanalysefirma Cambridge Analytics der Druck auch auf Facebook von mehreren Seiten steigt, hat sich das Unternehmen zu Wort gemeldet. Firmenchef Mark Zuckerberg und alle Verantwortlichen seien sich des Ernsts der Lage bewusst, hieß es in einer Mitteilung von Facebook. "Das gesamte Unternehmen ist entsetzt darüber, dass wir hintergangen wurden", heißt es weiter. Facebook werde alles tun, um seine Richtlinien durchzusetzen und die Informationen der Nutzer zu schützen. Zuvor hatten US-Medien berichtet, die US-Aufsichtsbehörde FTC habe Ermittlungen zu dem Fall eingeleitet. Sollte sie eine Verletzung der Datenschutzregeln feststellen, könnte sie hohe Strafen verhängen. Im Kern gehe es bei den Ermittlungen um die Frage, ob das weltgrößte Internetnetzwerk der Datenanalysefirma Cambridge Analytica erlaubt hat, an Nutzerinformationen zu gelangen, obwohl dies gegen die Richtlinien verstoße. Die Facebook-Aktie fiel in der Folge zeitweise um rund sieben Prozent und löschte so mehr als 35 Milliarden Dollar Börsenwert aus. Cambridge Analytica soll illegal an Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern gekommen sein. Diese soll das Unternehmen - das US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf 2016 unterstützte - genutzt haben, um personalisierter Facebook-Werbung zu schalten und so Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Die britische Datenschutzbehörde nahm deswegen Ermittlungen gegen Cambridge Analytica auf. Sie beantragte einen Durchsuchungsbefehl für die Londoner Zentrale. Vorladungen in Washington, Brüssel und London Ranghohe Demokraten im US-Senat wollen Facebook-Chef Mark Zuckerberg vorladen. Er solle dem Justizausschuss der Kammer versichern, dass sich sein Unternehmen um den Schutz der Privatsphäre seiner Kunden kümmert. Sollte Facebook dazu nicht in der Lage sein, müsse wohl der Kongress einschreiten, forderte Senatorin Dianne Feinstein. Ohnehin sei es womöglich an der Zeit, über eine Regulierung von Social-Media-Diensten nachzudenken. Auch vor dem EU-Parlament soll sich Zuckerberg erklären. EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani schrieb auf Twitter, das Parlament habe Zuckerberg "eingeladen". Facebook müsse "vor den Vertretern von 500 Millionen Europäern klarstellen, dass persönliche Daten nicht dazu benutzt werden, um Demokratie zu manipulieren". Der Vorsitzende des britischen Parlamentsausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, forderte ebenfalls Zuckerberg auf, sich Fragen von Abgeordneten zu stellen. "Es ist jetzt an der Zeit, von einem hochrangigen Manager zu hören, der genug Autorität hat, um einen akkuraten Bericht über dieses katastrophale Prozessversagen zu liefern", schrieb der Parlamentarier. "Ich hoffe, dass Sie dieser Vertreter sein werden", schrieb er an Zuckerberg. Auch das Weiße Haus in Washington erklärte, man begrüße die Untersuchung in dem Fall. Deutsche Behörden schalten sich ein Auch die deutschen Behörden schalten sich in den Fall ein. Bundesjustizministerin Katarina Barley erklärte, Facebook müsse sich an geltendes Datenschutzrecht halten. Zudem solle das Unternehmen erklären, wie es künftig die Daten seiner Nutzer besser schützen will. "Wenn die persönlichsten Interessen von Millionen Facebook-Nutzern für die Trump-Kampagne ausgeforscht wurden, dann ist das eine neue Qualität des Missbrauchs persönlicher Daten", sagte Barley der "Passauer Neuen Presse". Auch die in Deutschland für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde verlangt Auskunft, ob deutsche Nutzer von solchem Datenmissbrauch bedroht sind. Denn "vielen Nutzern ist nicht bewusst, dass Facebook weitere Schnittstellen bietet, über die Dritte ihre Profilinformationen abgreifen können", erklärte Behördenleiter Johannes Caspar. Facebook versetzt Sicherheitschef Zuckerberg und Managerin Sheryl Sandberg wollten sich zu dem Fall äußern, wenn interne Untersuchungen abgeschlossen seien, berichten US-Medien. Facebook hatte zuvor mitgeteilt, externe Spezialisten mit einer Untersuchung der Affäre beauftragt zu haben. Der Facebook-Zugang von Cambridge Analytica sei inzwischen geschlossen worden. Parallel wurde bekannt, dass der bisherige Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos auf einen anderen Posten versetzt wurde. Stamos schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, er übe jetzt eine neue "Rolle" aus: Sie bestehe darin, neue Sicherheitsrisiken und "die Sicherheit von Wahlen" zu prüfen. | /wirtschaft/facebook-datenklau-101.html |
2018-03-01 | Chef von Cambridge Analytica suspendiert | Facebook-Datenaffäre | Nach dem Daten-Missbrauch von 50 Millionen Facebook-Nutzern steigt der Druck auf das Unternehmen. Das britische Parlament will Konzernchef Zuckerberg vorladen. Auch Bundesjustizministerin Barley schaltete sich ein.
mehr | Nach dem Daten-Missbrauch von 50 Millionen Facebook-Nutzern steigt der Druck auf das Unternehmen. Das britische Parlament will Konzernchef Zuckerberg vorladen. Auch Bundesjustizministerin Barley schaltete sich ein. Facebook schlittert in eine schwere Krise nach dem Skandal um den massiven Missbrauch von Nutzer-Informationen. Der US-Finanzdienst Bloomberg berichtet, die US-Aufsichtsbehörde FTC habe Ermittlungen zu dem Fall eingeleitet. Sollte sie eine Verletzung der Datenschutzregeln feststellen, könnte sie hohe Strafen verhängen. Im Kern gehe es bei den Ermittlungen um die Frage, ob das weltgrößte Internetnetzwerk der Datenanalysefirma Cambridge Analytica erlaubt habe, an einige Nutzerinformationen zu gelangen, obwohl dies gegen die Richtlinien verstoße. Die Aktie fiel in der Folge zeitweise um rund sieben Prozent und löschte so über 35 Milliarden Dollar Börsenwert aus. Cambridge Analytica soll im Jahr 2014 illegal an Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern gekommen sein. Diese soll das Unternehmen - das US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf 2016 unterstützte - genutzt haben, um personalisierter Facebook-Werbung zu schalten und so Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Die britische Datenschutzbehörde nahm deswegen Ermittlungen gegen Cambridge Analytica auf. Sie beantragte einen Durchsuchungsbefehl für die Londoner Zentrale. Am Abend erklärte das Unternehmen, man habe den Vorstandsvorsitzenden Alexander Nix mit sofortiger Wirkung suspendiert. Hintergrund sind Äußerungen von Nix, die der TV-Sender Channel 4 mit versteckter Kamera aufgezeichnet hat. Darin empfiehlt Nix einem als Geschäftsmann getarnten Reporter, dessen vermeintliche Gegner zu erpressen. The Board has suspended CEO Alexander Nix pending a full independent investigation. https://t.co/HV9Mb5eXIR Deutsche Behörden schalten sich ein Auch die deutschen Behörden schalten sich in den Fall ein. Bundesjustizministerin Katarina Barley erklärte, Facebook müsse sich an geltendes Datenschutzrecht halten. Zudem solle das Unternehmen erklären, wie es künftig die Daten seiner Nutzer besser schützen will. "Wenn die persönlichsten Interessen von Millionen Facebook-Nutzern für die Trump-Kampagne ausgeforscht wurden, dann ist das eine neue Qualität des Missbrauchs persönlicher Daten", sagte Barley der "Passauer Neuen Presse". Auch die in Deutschland für Facebook zuständige Hamburger Datenschutzbehörde verlangt Auskunft, ob deutsche Nutzer von solchem Datenmissbrauch bedroht sind. Denn "vielen Nutzern ist nicht bewusst, dass Facebook weitere Schnittstellen bietet, über die Dritte ihre Profilinformationen abgreifen können", erklärte Behördenleiter Johannes Caspar. Zuckerberg soll aussagen Der Vorsitzende des britischen Parlamentsausschusses für Digitales und Medien, Damian Collins, forderte zudem Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf, sich Fragen von Abgeordneten zu stellen. "Es ist jetzt an der Zeit, von einem hochrangigen Manager zu hören, der genug Autorität hat, um einen akkuraten Bericht über dieses katastrophale Prozessversagen zu liefern", schrieb der Parlamentarier. "Ich hoffe, dass Sie dieser Vertreter sein werden", schrieb er an Zuckerberg. Auch das Weiße Haus in Washington erklärte, man begrüße die Untersuchung in dem Fall. Facebook versetzt Sicherheitschef Zuckerberg und seine rechte Hand Sheryl Sandberg würden sich erst zu dem Fall äußern, wenn interne Untersuchungen abgeschlossen seien, berichten US-Medien. Facebook hatte zuvor mitgeteilt, externe Spezialisten mit einer Untersuchung der Affäre beauftragt zu haben. Der Facebook-Zugang von Cambridge Analytica sei inzwischen geschlossen worden. Parallel wurde bekannt, dass der bisherige Facebook-Sicherheitschef Alex Stamos auf einen anderen Posten versetzt wurde. Stamos schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter, er übe jetzt eine neue "Rolle" aus: Sie bestehe darin, neue Sicherheitsrisiken und "die Sicherheit von Wahlen" zu prüfen. | /wirtschaft/facebook-datenklau-103.html |
2018-03-01 | "Putin wird sich nicht bewegen" | Experte zu Russland-Wahl | Im Umgang mit Moskau sollte der Westen nicht einknicken, meint Osteuropa-Experte Meister im tagesschau.de-Interview. Deutschland müsse sich schützen, auch militärisch, um von Russland ernst genommen zu werden.
mehr | Im Umgang mit Moskau sollte der Westen nicht einknicken, meint Osteuropa-Experte Meister im tagesschau.de-Interview. Deutschland müsse sich schützen, auch militärisch, um von Russland ernst genommen zu werden. tagesschau.de: Wladimir Putin erreicht mit 76,67 Prozent der Stimmen das beste Wahlergebnis in seiner Geschichte. Wie erklären Sie sich das? Stefan Meister: Es war die am besten organisierte Wahl, die wir in der neueren russischen Geschichte erlebt haben. Nicht nur, dass die Kreml-Administration die Kandidaten und den Medien-Zugang organisiert hat. Sogar die Wähler wurden indirekt über Druckmittel beziehungsweise Anreize zu den Wahlurnen gebracht. Also nicht nur die Wahl, auch das Wählen selbst ist von Anfang bis Ende durchorganisiert gewesen. Und es gab auch keine Demonstrationsbereitschaft, wie das noch 2012 gewesen ist. Viele Menschen haben sich einfach damit abgefunden, dass Putin eben nochmal sechs Jahre regieren wird. tagesschau.de: Warum finden die Leute sich damit ab? Der russischen Wirtschaft geht es nicht gut, es gibt viele soziale Probleme im Land. Meister: Den Leuten geht es ökonomisch schlechter, aber nicht so schlecht, dass sie auf die Straße getrieben werden. Sie sind in einem Krisenmodus und deshalb derzeit vor allem mit sich selbst beschäftigt. Und sie haben Angst, ihren Wohlstand zu verlieren. Und natürlich ist Putin auch einfach sehr beliebt. Durch die Annexion der Krim, durch den Konflikt mit dem Westen, den er systematisch führt, hat er viele Russen hinter sich vereint. Er nutzt geschickt diese Konflikte und schürt damit ein Wagenburg-Denken. Und er hat Russland den Respekt international zurückgegeben. Das honorieren die Russen auch. Zudem ist Putin alternativlos, weil man eben keine echten Alternativen zugelassen hat. "Da wurde massiv manipuliert" tagesschau.de: Bei der Wahlbeteiligung wurde mit etwa 67 Prozent die ausgegebene Zielmarke von 70 Prozent verfehlt. Ist das ein Wermutstropfen auf dem großen Sieg? Meister: Interessant ist ja vor allem, dass die Wahlbeteiligung in den Abendumfragen und den ersten Ergebnissen bei knapp 60 Prozent lag und dann plötzlich auf 67 Prozent hochgeschnellt ist. Ich gehe davon aus, dass da nochmal massiv manipuliert worden ist. Es wurden ja auch massenweise Wahlzettel in die Urnen gestopft und da wurde bestimmt auch nochmal bei den Zahlen gedreht. Aber das spielt letztlich keine Rolle. Die Wahlbeteiligung ist sicher niedriger gewesen als 2012. Aber es ist nicht eingetreten, was der Kreml befürchtet hatte: Dass keiner zu dieser Wahl geht, weil es eben keine Wahl gab. Und bei einem Wahlergebnis von über 76 Prozent für Putin verblasst auch die Wahlbeteiligung. tagesschau.de: Schmälern die zahlreichen Manipulationen nicht die Legitimation des Wahlergebnisses? Meister: Nicht innenpolitisch. Das wird in den russischen Medien kaum erwähnt, die Mehrheit der Russen wird das gar nicht mitbekommen. Außer auf der Homepage der Wahlbeobachtungsorganisation Golos selbst oder in den oppositionellen beziehungsweise kritischen Medien, wird das praktisch totgeschwiegen. "Kreml nutzt Konflikt mit Westen systematisch" tagesschau.de: Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen, auch zwischen Russland und Deutschland sind nicht zuletzt durch den Fall Skripal so abgekühlt wie lange nicht. Wird dieser Wahlsieg daran etwas ändern? Meister: Eher nicht. Putins Rhetorik wird vielleicht etwas weniger schrill werden. Aber der Kreml wird sich nicht bewegen in den Konflikten mit der EU oder dem Westen. Weder bei der Ukraine, noch in Syrien, noch was den Fall Skripal betrifft. Daran hat Putin gar kein Interesse. Dort hat man eher den Eindruck, dass wir ohnehin irgendwann die Sanktionen abschwächen werden. Und man nutzt den Konflikt ja systematisch, um von den inneren Schwächen abzulenken: nämlich der negativen sozio-ökonomischen Entwicklung, den fehlenden Reformen, der fehlenden Modernisierung der russischen Wirtschaft. "Kooperationsbereitschaft sieht der Kreml als Schwäche" tagesschau.de: Wie sollte der Westen sich künftig verhalten? Wäre eine härtere Gangart notwendig? Meister: Man sollte vor allem realistisch und konsequent bleiben. Kompromisse und Kooperationsbereitschaft werden im Kreml als Schwäche angesehen. Und nur aus einer Position der Stärke heraus wird Putin bereit sein, in irgendeiner Hinsicht Kompromisse zu machen. Es ist also einerseits sehr wichtig, nicht ständig Kooperations- und Gesprächsangebote zu machen. Und andererseits ist es wichtig, nicht hysterisch zu werden, wie das Theresa May in Großbritannien geworden ist. Es bringt überhaupt nichts, irgendwelche Ultimaten zu stellen, für die die Druckmittel fehlen. Auch das Verhalten der USA, wo man Russland inzwischen für fast alles beschuldigt, hilft nicht weiter. Man macht Putin damit stärker als er eigentlich ist. Wir müssen zwar im Gespräch bleiben, sollten aber nicht Dinge tun ohne eine Gegenleistung von russischer Seite. Sanktionen einfach so abzuschaffen oder abzuschwächen wäre beispielsweise kontraproduktiv. tagesschau.de: Welche Rolle könnte Deutschland dabei künftig spielen? Meister: Deutschland ist innerhalb Europas der wichtigste Ansprechpartner für Russland. Aber wir haben in der EU divergierende Interessen mit diesem Regime. Wir müssen uns absichern, auch militärisch. Wir müssen die Räume schließen, in denen Putin agieren kann, auch was Desinformation und populistische Bewegungen betrifft. Wir dürfen ihm auch nicht Konflikte überlassen im Umfeld Europas oder international, wo beispielsweise die Amerikaner sich zurückziehen. Und wir müssen auch nach innen wirken: der deutschen Bevölkerung erklären, dass Putins Russland eine Herausforderung ist. Und dass das ganze Gerede von schrittweisem Ausstieg aus Sanktionen nicht dazu führen wird, dass Putin sich bewegen wird. Wir müssen uns auch schützen, damit Putin uns ernst nimmt, beispielsweise im Cyberbereich oder im militärischen Bereich. "Wir brauchen eine langfristige Strategie" tagesschau.de: Welche konkreten Schritte sind notwendig? Meister: Deutschland müsste beispielsweise Institutionen wie die OSZE stärken, Kommunikationskanäle öffnen oder auch die Amerikaner versuchen zu beeinflussen, die Situation nicht weiter zu eskalieren mit Moskau. Und dann brauchen wir eine langfristige Strategie. Wir werden im Moment mit diesem Regime nicht viel erreichen, aber wir müssen langfristig auf den gesellschaftlichen Wandel in Russland selbst setzen. Und da dürfen wir eben nicht nur mit den Liberalen reden, die das sagen, was wir gerne hören. Sondern wir müssen mit den relevanten auch nationalistischen, patriotischen Figuren sprechen, die letztlich auch eher die Geschicke des Landes bestimmen werden. Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de | /ausland/interview-russland-101.html |
2018-03-01 | Angriff als beste Verteidigung | Russland und die Skripal-Affäre | Nach dem Anschlag auf den Ex-Spion Skripal weist Russland jede Mitschuld zurück und macht sich über die Affäre lustig. Zunächst hatte Moskau Hilfe angeboten, nun stellt man Bedingungen. Von Patrick Gensing. | Nach dem Anschlag auf den Ex-Spion Skripal weist Russland jede Mitschuld zurück und macht sich über die Affäre lustig. Zunächst hatte der Kreml Unterstützung angeboten, nun stellt man Bedingungen. Die erste Reaktion aus Moskau kam schnell: Einen Tag, nachdem britische Medien berichtet hatten, dass der ehemalige Spion Sergej Skripal mutmaßlich vergiftet aufgefunden worden sei, bezog Russland erstmals Stellung. Dmitri Peskow, Sprecher von Präsident Putin, teilte am 6. März in Moskau mit, man sei bereit, der britischen Polizei bei den Ermittlungen zu helfen. Allerdings habe man noch gar keine entsprechende Anfrage erhalten. In Großbritannien war zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal offiziell bekannt, dass es sich bei dem Opfer um Skripal und seine Tochter handelt. Die russische Botschaft in London forderte die britischen Behörden zudem auf, Informationen zu dem Vorfall zu liefern. Spekulationen in Medien über eine Beteiligung Moskaus an der Vergiftung bezeichnete die Botschaft als neue Dimension einer anti-russischen Kampagne. "Verschwörung gegen Russland" Dmitri Kowtun, den britische Behörden verantwortlich machen für den Anschlag auf Litwinenko, vermutete umgehend eine Verschwörung gegen Moskau: "Wenn wirklich jemand Skripal vergiftet haben sollte, dann ist das kein Zufall, sondern natürlich eine Provokation der britischen Geheimdienste", sagte er der russischen Agentur Interfax zufolge. Russland und seine Behörden sollten vor der Präsidentenwahl am 18. März diskreditiert werden. Erst nach diesen Äußerungen bestätigte Großbritannien überhaupt, dass es sich bei dem 66-jährigen Mann um den Ex-Spion Skripal handelt. Noch gebe es zwar keine Beweise, dass Russland seine Hand im Spiel habe, doch der Fall erinnere an den Giftmord an Litwinenko, sagte Außenminister Boris Johnson im britischen Parlament. London will angeblich Grund für WM-Boykott schaffen In russischen Staatsmedien schrieben Kommentatoren derweil von einer russophoben Kampagne des Westens, der von internen Konflikten ablenken wolle. Die Demokratien stünden vor einem Kollaps, hieß es beispielsweise bei Russia Today. Im Staatsfernsehen wurde die Spekulation verbreitet, nur London profitiere von dem Anschlag. Damit solle Russenfeindlichkeit geschürt und ein Grund für einen internationalen Boykott der Fußball-WM konstruiert werden. https://twitter.de/BBCSteveR/status/972830059668164608 Die Pressesprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, bezeichnete eine Erklärung der britischen Premierministerin Theresa May abfällig als "Zirkus-Show". Bedingungen für Zusammenarbeit Während Russland zunächst eine Kooperation angeboten hatte, als es noch gar keine entsprechende Anfrage gab, erklärte Moskau am 13. März, man werde nicht auf ein Ultimatum für eine Antwort aus London reagieren, so lange man keine Probe der chemischen Substanz erhalte. https://twitter.com/RussianEmbassy/status/973610000819081216 Zudem solle London mit der OPCW kooperieren, forderte Russland. Genau das werde London tun, kündigte Außenminister Boris Johnson in der FAZ an. Der Organisation für das Verbot chemischer Waffen (OPCW) solle die Möglichkeit gegeben werden, die Ergebnisse der britischen Ermittler zu überprüfen. Die EU forderte Russland auf, das Nervengift und ein dazugehöriges Programm bei der OPCW offenzulegen. Moskau erklärte im Gegenzug, weder Russland noch die Sowjetunion hätten jemals ein Programm zur Entwicklung von Nervengiften mit dem Namen Nowitschok betrieben. Moskau macht Vorwürfe lächerlich Die russische Botschaft in London setzte zudem diverse Tweets ab, die mit diplomatischem Stil wenig zu tun haben. Am 11. März twitterte die Botschaft ein Bild von James Bond und witzelte, ob die russische Länder-Vorwahl 007 die Filmfigur zu einem russischen Spion mache. https://twitter.com/RussianEmbassy/status/972790993962586112 In Anspielung auf die Ausweisung von 23 russischen Diplomaten wurde ein Thermometer veröffentlicht, das -23 Grad anzeigen soll - mit dem Kommentar: Die Temperatur der Beziehungen sei auf -23 Grad gefallen, aber man habe keine Angst vor kaltem Wetter. Zudem warf Russland Großbritannien am 13. März "Fake News" vor. "Komplette Verachtung" Großbritannien sprach am 14. März davon, dass man Russland korrekterweise die Möglichkeit gegeben habe, sich in der Sache zu erklären. Doch die Antworten hätten eine komplette Verachtung für den Ernst der Angelegenheit demonstriert. https://twitter.com/foreignoffice/status/973971221326032897 Russlands Außenminister Lawrow warf der britischen Premierministerin May Verhalten wie zu Kolonialzeiten vor. Zudem behauptete er, Großbritannien wolle von den Problemen beim Brexit ablenken. https://twitter.com/RussiaUN/status/974359643257524229 Am 15. März kritisierte Moskau Äußerungen des britischen Verteidigungsministers Gavin Williamson als unsinnig. "Seine rüpelhaften Bemerkungen sind offensichtlich die letzten gebliebenen Waffen der britischen Streitkräfte", sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums in Moskau, Igor Konaschenkow. Sie bewiesen lediglich, dass man die Vorwürfe nicht ernstnehmen müsse. Der neueste Vorschlag von Außenminister Lawrow lautet, man solle doch Skripal selbst befragen: "Warum fragen wir nicht einfach den Betroffenen selbst, wenn es ihm hoffentlich besser geht?" Davon kann bislang aber keine Rede sein, der Gesundheitszustand gilt weiterhin als kritisch. Und ein 83-jähriger Whistleblower, der geholfen hatte, das Mittel Nowitschok zu entwickeln, sagte in einem Interview mit einer Zeitung "Novaya Gazeta", die Skripals hätten vermutlich kaum eine Überlebenschance. Die Reaktionen Russlands in der Skripal-Affäre erinnern an Strategien, die schon früher zu beobachten waren. Beispielsweise bei den Vorwürfen wegen staatlicher Doping-Programme, nach dem Abschuss der Passagiermaschine MH17, dem Mord an Litvinenko, dem Krieg in der Ukraine oder bei der mutmaßlichen Einmischung bei der US-Wahl: Sämtliche Vorwürfe werden pauschal zurückgewiesen, verspottet und als anti-russisches oder russophobes Komplott abgetan. Weiteres Vorgehen festgelegt Der ehemalige UN-Waffeninspekteur Jan van Aken von der Linkspartei kritisiert sowohl London als auch Moskau: Großbritannien müsse schon mehr auf den Tisch legen, als nur die Behauptung, Russland sei schuld, sagte er im Deutschlandfunk. Daher sei es richtig, dass die Organisation zum Verbot von Chemiewaffen (OPCW ) nun Proben erhalten solle. In der Chemiewaffen-Konvention sei unter Artikel Neun das weitere Vorgehen genau festgelegt, so van Aken: Die OPCW müsse die Proben nun analysieren und dann müssten die Russen innerhalb von zehn Tagen darauf antworten. Bis dahin wird der Krieg der Worte weitergehen. Mindestens. | /faktenfinder/russland-reaktion-skripal-101.html |
2018-03-01 | Ohne Bewährung? | "Raser-Prozess" in Köln | Im Kölner Raser-Fall soll heute im "zweiten Durchgang" das Urteil fallen. Der Bundesgerichtshof hatte die Bewährungsstrafen im vergangenen Sommer aufgehoben. Frank Bräutigam erläutert die rechtlichen Knackpunkte.
mehr | Im Kölner Raser-Fall soll heute im "zweiten Durchgang" das Urteil fallen. Der Bundesgerichtshof hatte die Bewährungsstrafen im vergangenen Sommer aufgehoben. tagesschau.de erläutert die rechtlichen Knackpunkte. Ein spontanes Autorennen auf dem Weg zu den Rheinterrassen in Köln. Mit 95 statt der erlaubten 50 Kilometern pro Stunde geht es in eine Linkskurve. Einer der beiden Fahrer gerät ins Schleudern, kommt von der Fahrbahn ab und kollidiert mit einer 19-Jährigen Studentin, die mit dem Rad auf dem Fahrradweg unterwegs ist. Sie stirbt. Zwei Jahre auf Bewährung für den einen, ein Jahr und neun Monate auf Bewährung für den anderen Täter, hatte das Landgericht Köln im April 2016 gesagt. Das Signal aus Karlsruhe lautete im Juli 2017 dagegen: In so einem Fall muss ein Täter damit rechnen, dass er ins Gefängnis kommt. Vergangenen Montag hat eine andere Kammer des Landgerichts den Fall erneut verhandelt. Nun ist die spannende Frage, ob es Haftstrafen geben wird. "Mord" stand im Kölner Fall nicht zur Debatte Fest steht: Es handelt sich bei diesem Fall rechtlich um "fahrlässige Tötung". Anders als im heiß diskutierten Berliner Fall stand hier also nicht zur Debatte, ob ein Raser-Fall mit tödlichem Ausgang auch "Mord" sein kann. Gerichte müssen jede Tat und jeden Angeklagten individuell unter die Lupe nehmen. Was hat er gemacht? Was hat er gedacht? Am BGH drehte es sich allein um die sogenannte Strafzumessung. Dabei haben die Gerichte vor Ort einen großen Spielraum. Der BGH kann in der Revision nur überprüfen, ob das Landgericht Rechtsfehler gemacht hat. Im Kölner Fall allerdings griff der BGH in Sachen Strafe teilweise ein. Schon das war eine Besonderheit. Die erste Frage lautete: Waren zwei Jahre Freiheitsstrafe rechtlich in Ordnung? Auf fahrlässige Tötung stehen Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. In diesem Punkt sei das Urteil "sehr sorgfältig begründet", so die Vorsitzende Richterin am BGH. Zwei Jahre ist übrigens die Höchstgrenze, bis zu der man eine Strafe zur Bewährung aussetzen darf. Bewährung ließ sich nicht begründen Die zweite Frage lautete: Durfte das Gericht die Strafe zur Bewährung aussetzen? Hier lag der Kern des Karlsruher Urteils. Bewährung ist grundsätzlich möglich, "wenn zu erwarten ist, dass der Verurteilte sich die Verurteilung schon zur Warnung dienen lassen" und künftig keine Straftaten mehr begehen wird. Die nötige Sozialprognose war bei beiden Tätern laut BGH günstig. Doch dann kamen zwei große "Aber". Bei einer Strafe von über einem Jahr braucht man laut Gesetz "besondere Umstände" zugunsten des Angeklagten, die eine Bewährung rechtfertigen. Die habe das Landgericht zu Unrecht bejaht. Vielmehr hätten ganz erhebliche Verkehrsverstöße und eine aggressive Fahrweise die Tat geprägt, betonte der BGH. Noch spannender war das zweite "Aber" in Sachen Bewährung. Das Gesetz sagt nämlich: Eine Strafe darf nicht zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn "die Verteidigung der Rechtsordnung" das verlangt. Gemeint ist: Wenn eine Bewährungsstrafe für das allgemeine Rechtsempfinden völlig unverständlich wäre und das Vertrauen der Bevölkerung in den Schutz der Rechtsordnung erschüttern könnte, dann darf es sie nicht geben. Genau diesen Punkt hat das Landgericht laut BGH nicht richtig geprüft. Der BGH verwies ausdrücklich auf die Häufung solcher Raser-Fälle mit tödlichem Ausgang in Köln und an anderen Orten. Die zahlreichen Raser-Fälle sind in der Bevölkerung auf große Empörung gestoßen. Trotzdem: "Allgemeines Rechtsempfinden" und "Vertrauen der Bevölkerung in die Rechtsordnung" - für die Gerichte sind solle Begriffe nicht ganz leicht auszufüllen. "Im Namen des Volkes" zu urteilen, bedeutet nicht automatisch, sich bei der Strafe nach Mehrheiten in der Bevölkerung richten zu müssen. Deswegen war es durchaus ein juristisches Ausrufezeichen, dass der BGH im Kölner Raser-Fall die "Verteidigung der Rechtsordnung" ausdrücklich heranzieht. Neues Gesetz verschärft Strafen Der Bundestag hat inzwischen eine Gesetzesverschärfung beschlossen. Danach stehen "verbotene Kraftfahrzeugrennen" unter Strafe. Für die Teilnahme an solchen Rennen kann es bis zu zwei Jahre Freiheitsstrafe geben. Kommt eine Person zu Tode, stehen bis zu zehn Jahre Haft im Raum. Also doppelt so viel wie bisher bei fahrlässiger Tötung. Aber weniger als die lebenslange Haft bei Mord. Für zurückliegende Raser-Fälle wie in Köln gilt das neue Gesetz allerdings noch nicht. | /inland/raser-prozess-101.html |
2018-03-01 | Zuckerberg räumt Fehler ein | Datenaffäre bei Facebook | Mehrere Tage nach Bekanntwerden der Datenaffäre um die Firma Cambridge Analytica hat Facebook-Chef Zuckerberg Fehler seines Unternehmens eingeräumt - und sich entschuldigt. Er kündigte Konsequenzen an.
mehr | Mehrere Tage nach Bekanntwerden der Datenaffäre um die Firma Cambridge Analytica hat Facebook-Chef Zuckerberg Fehler seines Unternehmens eingeräumt - und sich entschuldigt. Er kündigte Konsequenzen an. Heftig war er zuletzt für sein Schweigen kritisiert worden - nun hat Facebook-Chef Mark Zuckerberg Stellung genommen zu der Datenaffäre um die Firma Cambridge Analytica. Im ersten Interview nach Bekanntwerden des Skandals Ende vergangener Woche entschuldigte er sich für Versäumnisse. "Es tut mir echt leid", sagte er dem US-Sender CNN. Facebook hatte von dem Datenleck schon vor mehr als zwei Jahren erfahren. Er bedauere, dass das Online-Netzwerk damals nicht mehr unternommen habe, sagte Zuckerberg nun. Bereits zuvor hatte er in einem Statement erstmals Fehler seines Unternehmens eingeräumt. "Wir haben Verantwortung, die Daten unserer Nutzer zu schützen (...)", schrieb Zuckerberg in dem Netzwerk. "Aber wir haben Dinge falsch gemacht, weshalb es nun einiges zu tun gibt - und wir müssen uns diesen Aufgaben stellen." Anwendungen überprüfen Konkret will das Unternehmen alle Apps untersuchen, die Zugriff auf große Mengen von Daten haben. Denn die Daten, die jüngst entwendet wurden, wurden über eine scheinbar harmlose Quiz-App abgezapft. Entwickler, die Apps herstellen, die den Datenmissbrauch ermöglichen, würden für weitere Zusammenarbeit gesperrt. Außerdem will Zuckerberg Zeitschranken für den Zugriff von Apps einführen. Wenn eine Anwendung drei Monate nicht benutzt wird, soll sie in Zukunft auch keinen Zugriff mehr auf die persönlichen Daten eines Nutzers haben. Here’s an update from Mark on changes we're making to crackdown on platform abuse. https://t.co/Cr4E55MDed Man wolle aber auch den Nutzern deutlicher verständlich machen, welche Informationen eine Anwendung abgreift und was damit geschieht. Dies ist bislang oft nur in kleingedruckten und schwer verständlichen AGB erklärt - die wohl nur wenige Nutzer lesen beziehungsweise verstehen, wie Kritiker monieren. Zuletzt hatte der Druck auf Facebook stark zugenommen. Die Sicherheitsbehörden mehrerer Länder fordern Zuckerberg auf, Stellung zu nehmen und zu erklären, wie es sein konnte, dass Cambridge Analytica rund 50 Millionen Daten von Facebook-Nutzern abgreifen konnte. Der Aktienkurs des Sozialen Netzwerks war stark abgerutscht, woraufhin Aktionäre Klage eingereicht hatten. Klage von US-Behörden droht Ärger droht Facebook auch mit der US-Verbraucherschutzbehörde FTC, die nach Informationen der "Washington Post" eine offizielle Untersuchung zu dem Fall eingeleitet hat. Sollte sie eine Verletzung der Datenschutzregeln feststellen, könnte sie hohe Strafen verhängen. Im Kern geht es demnach bei den Ermittlungen um die Frage, ob das weltgrößte Internetnetzwerk der Datenanalysefirma Cambridge Analytica erlaubt hat, an Nutzerinformationen zu gelangen, obwohl dies gegen die Richtlinien verstoße. Cambridge Analytica soll illegal an Daten von bis zu 50 Millionen Facebook-Nutzern gekommen sein. Diese soll das Unternehmen - das US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf 2016 unterstützte - genutzt haben, um personalisierte Facebook-Werbung zu schalten und so Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Die britische Datenschutzbehörde nahm deswegen Ermittlungen gegen Cambridge Analytica auf. Sie beantragte einen Durchsuchungsbefehl für die Londoner Zentrale. Die Datenanalysefirma suspendierte am Dienstag ihren Chef. Alexander Nix wurde mit sofortiger Wirkung von seiner Aufgabe entbunden, nachdem herauskam, dass er vor versteckter Kamera mit Erpressungsversuchen von Wahlkandidaten geprahlt hatte. | /wirtschaft/zuckerberg-datenaffaere-101.html |
2018-03-01 | Wie umgehen mit Putin? | EU ringt um Geschlossenheit | Der EU-Gipfel wird sich heute wieder einmal mit Russland befassen: Es soll eine Erklärung zum Angriff von Salisbury geben. Für Stirnrunzeln sorgt die Gratulation von Kommissionschef Juncker an Putin. Von Kai Küstner. | Der EU-Gipfel wird sich heute wieder einmal mit Russland befassen: Es soll eine Erklärung zum Angriff von Salisbury geben. Für Stirnrunzeln sorgt die Gratulation von Kommissionschef Juncker an Putin. Russlands Präsident Wladimir Putin gratulieren oder lieber nicht - diese Frage beschäftigte ganz offensichtlich nicht nur die Berater von US-Präsident Donald Trump, sondern auch die EU-Spitzen-Vertreter. Und dieses Nachdenken führte zu durchaus unterschiedlichen Ergebnissen. "Nach dem Angriff von Salisbury bin ich nicht in der Stimmung, Präsident Putins Wiederernennung zu feiern", erklärte der polnische EU-Ratspräsident Donald Tusk. Ganz anders hingegen Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Wobei man in Brüssel immer noch rätselt: Was um Himmels Willen hat Juncker genau gemeint, als er in seinem Glückwunschbrief dafür warb, gemeinsam mit Russland eine "kooperative, paneuropäische Sicherheitsordnung aufzubauen?" Auch die Nachfrage bei dessen Chefsprecher förderte wenig Erhellendes zutage: "Eine Sache habe ich in meinem Job in den letzten dreieinhalb Jahren gelernt: Lege nie das aus, was der Präsident sagt", erklärt der. NATO und USA raus aus Europa? Für Unruhe jedenfalls hat der Juncker-Brief gesorgt: "Dies ist nicht die Zeit für Glückwünsche", twitterte erbost der Chef der Liberalen im EU-Parlament, Guy Verhofstadt. Und die Außenpolitik-Expertin bei der "Brookings Institution", Constanze Stelzenmüller, liest in Junckers Werben für eine "pan-europäische Sicherheitsordnung" die verschlüsselte Botschaft: "Lasst uns die USA und die NATO aus Europa rausschmeißen", wie sie dem ARD-Studio Brüssel sagte. Jedenfalls ist unübersehbar, dass die EU - wieder einmal - mit sich selbst darum ringt, wie man eigentlich mit Russland umgehen soll: "Russland wird ein schwieriger Partner bleiben. Aber Russland wird auch gebraucht, wenn es um die Lösung der großen internationalen Konflikte geht und daher wollen wir im Dialog bleiben", befand der neue deutsche Außenminister Heiko Maas diese Woche in Brüssel. Maas umschrieb damit sowohl das Dilemma, in dem die EU mit Putin steckt, als auch den bisher verfolgten Lösungsweg: Der aus einem wohldosierten Mix aus Druck und Dialog - aus Sanktionen und Gesprächsangeboten - besteht. Nur warnen Experten immer wieder: Etwas bewirken könnten die Europäer politisch gegenüber Moskau nur, wenn sie sich nicht spalten lassen und zusammenhalten. Gemeinsame Haltung - Fehlanzeige Auch im Fall des Nervengiftangriffs auf den russischen Ex-Spion Sergej Skripal und dessen Tochter in Großbritannien hat sich die Frage der EU-Einig- oder Uneinigkeit aufs Neue gestellt: "Für mich ist klar, dass wir auf künftige Attacken besser vorbereitet sein sollten. Auch durch die Zusammenarbeit mit der NATO. Und wir müssen unsere Widerstandskraft angesichts hybrider Bedrohungen stärken - wozu das Untergraben von Vertrauen in unsere Demokratien und die Einmischungen in Wahlen zählen", sagt EU-Ratspräsident Tusk. Die Außenminister der Europäischen Union taten sich diese Woche schwer, eine gemeinsame Haltung zum Giftangriff zu finden. Die Erklärung fiel in der Wortwahl weniger scharf aus als geplant und verzichtete darauf, Russland eindeutig die Schuld zuzuschreiben. Und EU-Kommissionschef Juncker erwähnte in seinem Brief an Putin den Vorfall gar nicht erst. Hinzu kommt, dass aus den letzten Wahlen in Österreich und Italien pro-russische Parteien gestärkt hervorgegangen waren. Die EU-Einigkeit gegenüber Putin aufrecht zu erhalten, was bei den Sanktionen bislang gelang, dürfte in Zukunft nicht einfacher werden. | /ausland/eu-zu-putin-101.html |
2018-03-01 | Die Zeche zahlt auch Europa | Wahl in Italien | In Italien haben populistische Parteien das Rennen gemacht - nachvollziehbar, meint Tassilo Forchheimer. Die Protestwahl wird den Italienern aber nichts nützen. Und dem europäischen Zusammenhalt erst recht nicht.
mehr | In Italien haben populistische Parteien das Rennen gemacht - nachvollziehbar. Allerdings wird den Italienern die Protestwahl nichts nützen. Und dem europäischen Zusammenhalt erst recht nicht. Nein, das ist kein guter Tag für Europa. Die Italiener haben mehrheitlich europakritische Parteien gewählt. Marine Le Pen jubelt und Steve Bannon, der Ex-Berater von US-Präsident Donald Trump träumt schon von einer Koalition der Populisten in Italien. "Das würde Brüssel das Herz durchstechen", sagt er. Dass die Italiener mit ihrer Wahlentscheidung derart hasserfüllte und destruktiv denkende Menschen glücklich machen, sagt schon einiges über dieses Ergebnis. Dabei liegt auf der Hand, warum die Italiener so abgestimmt haben. Es war eine Protestwahl gegen das politische Establishment, dem es seit Jahrzehnten nicht gelingt, die fundamentalen Probleme des Landes in den Griff zu bekommen - mit dramatischen Konsequenzen für die Bevölkerung. Ein verarmender Mittelstand, eine hohe Arbeitslosigkeit, zu wenige Chancen für junge Menschen, ein ungelöstes Migrationsproblem - die Liste ließe sich lange fortsetzen. Dementsprechend vergiftet war dieser Wahlkampf. Fast wie Täter und Opfer Auf die schiefe Ebene ist Italien allerdings schon viel früher geraten. Rückblickend betrachtet haben die Menschen in diesem Land viel zu lange dabei zugeschaut, wie sie der Politik immer mehr entfremdet wurden. Auf der einen Seite die Politiker, auf der anderen Seite die Bürger. Fast wie Täter und Opfer. So denken jedenfalls viele Italiener, und so kann Demokratie natürlich nicht funktionieren. Was dieses Land bräuchte, ist eine politische Diskussion, die wirklich in die Tiefe geht, Argumente austauscht und gemeinsam nach der besten Lösung sucht. Das, was andernorts echte Volksparteien leisten, gibt es in Italien fast überhaupt nicht mehr. Gesellschaft driftet auseinander Die Gründe dafür sind zahlreich und reichen von Konstruktionsfehlern im italienischen Mediensystem bis zum Fehlen eines Parteiengesetzes, das dafür sorgen würde, dass am Ende immer die Parteibasis das Sagen hätte. Nach dem Niedergang der Democrazia Cristiana fehlt vor allem eine starke, konservative Volkspartei, die Brücken in einer Gesellschaft baut, die immer weiter auseinander driftet - und das in einem Land, das eigentlich christlich-konservativ geprägt ist. Stattdessen machen jetzt Populisten ihre Punkte. Die Rechnung dafür werden wieder einmal die Italiener bezahlen - und wahrscheinlich auch Europa. Denn dass in Italien jetzt Reformen kommen, die die EU voranbringen, ist unwahrscheinlich. Schon eher werden auch hier neue Mauern gebaut. | /kommentar/italien-wahl-119.html |
2018-03-01 | Facebook kündigt Veränderungen an | Datenskandal | Facebook gibt sich reumütig. Man habe Fehler gemacht und wolle diese abstellen. Aber was heißt das? Facebook-Manager Cox sagt, die Einstellungen zur Privatsphäre sollen verbessert werden. Von Marcus Schuler. | Facebook gibt sich reumütig. Man habe Fehler gemacht und wolle diese abstellen. Aber was heißt das? Facebook-Manager Cox sagt, die Einstellungen zur Privatsphäre sollen verbessert werden. Von Marcus Schuler, ARD-Studio Los Angeles Chris Cox sieht man den Stress der vergangenen Tage an. Die Nächte waren ziemlich kurz. Gemeinsam mit Mark Zuckerberg und Sheryl Sandberg haben die drei an einem Konzept gefeilt, wie Facebook die Daten seiner Nutzer besser schützen kann. Ein Treffen im Konferenzraum von Gebäude 20 in Menlo Park im Headquarter von Facebook im Silicon Valley. Es ist später Donnerstag Nachmittag. Cox ist 35, er ist seit 2005 - ein Jahr nach Gründung des Unternehmens - mit dabei. Cox gilt als blitzgescheit und hat in der Tech-Industrie des Silicon Valley einen Ruf wie Donnerhall. Jetzt ist er erschöpft und bittet im Namen seines Unternehmens um Entschuldigung. "Das war ein großer Vertrauensbruch. Es stand in unserer Verantwortung, die Informationen unserer Nutzer zu schützen. Es tut mir im Namen unseres Unternehmens leid, dass wir die Menschen enttäuscht haben." Zu vertrauensselig Auch wenn man bereits 2014 den Zugriff für Dritt-Anbieter-Apps stark reglementiert habe, sei es ein Fehler gewesen, dem britischen Unternehmen zu vertrauen, dass es die 50 Millionen Profil-Daten gelöscht habe. Mehrmals hätte Cambridge Analytica Facebook versichert, diese Daten tatsächlich vernichtet zu haben. Aber genau das sei nicht geschehen. "Wir haben definitiv Fehler gemacht. Der erste bestand darin, Cambridge Analytica beim Wort zu nehmen. Wir hätten ihre Server untersuchen sollen. Der zweite Fehler war, die Nutzer nicht umgehend zu informieren. Das werden wir künftig machen. Außerdem werden wir sicherstellen, dass Informationen entsprechend vernichtet werden." Drei Maßnahmen Der ehemalige Stanford-Student verspricht, solch ein Fehler solle sich nicht nochmals wiederholen. Drei Maßnahmen habe man ergriffen, sagt Produkte-Chef Cox. "Die erste ist, vergangenen Missbrauch zu verstehen. Die zweite ist, unsere Plattformen für weiteren Missbrauch zu sperren, und die dritte Maßnahme besteht darin, ganz oben im Newsfeed die Nutzereinstellungen anzuzeigen. Wenn man 90 Tage lange eine App nicht benutzt, kappen wir automatisch die Datenverbindung." Cox geht aber noch weiter: Er verspricht, dass man den Nutzern noch mehr Kontrolle über ihre eigenen Daten geben wolle. Unter anderem sollen die Facebook-Nutzer den Zugriff von Apps von Drittanbietern leichter beschränken können. Noch wichtiger: Die von Datenschützern vielfach als zu kompliziert kritisierten Einstellungen zur Privatsphäre sollen überarbeitet werden, sagt Cox im ARD-Interview: "Wir haben die Nutzereinstellungen angeschaut und uns gefragt, wie wir diese prominenter und einfacher gestalten können. Das gehört zu unseren wichtigsten Aufgaben." In den vergangenen Tagen habe Facebook-Chef Zuckerberg mit seinen Führungskräften auch über das Geschäftsmodell von Facebook diskutiert und es wohl sogar in Frage gestellt. Die Idee: ein werbefreies Angebot. Im Umkehrschluss hieße das, die Nutzer zahlen für ihren Zugang zu dem Netzwerk. "Das Thema haben wir diskutiert. Darüber hat auch Mark am Mittwoch gesprochen. Wir wollen jedoch einen Dienst anbieten, der für jeden auf der Welt frei zugänglich ist." Cox sagt, in den nächsten Wochen werde man noch weitere Veränderungen bekannt geben. Der 35-Jährige betont, man habe aus den Fehlern gelernt und wolle es nun besser machen. | /wirtschaft/facebook-datenschutz-105.html |
2018-03-01 | EU ruft Botschafter aus Moskau zurück | Zu Konsultationen | Die Staats- und Regierungschefs der EU vermuten, dass Russland hinter dem Giftanschlag von Salisbury steckt. Als Reaktion rufen sie den EU-Botschafter in Moskau zu Konsultationen zurück. Von Kai Küstner. | Die Staats- und Regierungschefs der EU vermuten, dass Russland hinter dem Giftanschlag von Salisbury steckt. Als Reaktion rufen sie den EU-Botschafter in Moskau zu Konsultationen zurück. Im Konflikt um den Giftanschlag auf einen russischen Ex-Spion in Großbritannien ruft die EU ihren Botschafter in Moskau für Konsultationen zurück. Die EU-Staats- und Regierungschefs wollten damit ihre Entschlossenheit zeigen, bestätigte der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte. Es handle sich dabei um eine "Maßnahme", keine "Sanktion". Die EU verschärft damit ihre Wortwahl gegenüber Moskau deutlich: Der Gipfel "teilt mit der britischen Regierung die Einschätzung, dass höchstwahrscheinlich Russland für den Angriff von Salisbury verantwortlich ist", erklärte EU-Ratspräsident Tusk wörtlich. In der Form hatten sich die Außenminister der Europäischen Union noch am Montag die britische Sicht der Dinge nicht zu Eigen gemacht. Vor allem auf griechischen Druck hin war die EU-Erklärung damals erheblich abgeschwächt worden. Die Rückenstärkung für London fiel weniger deutlich aus, als sich das die britische und letztlich auch die Bundesregierung erhofft hatten. Jetzt allerdings hat sich die Tonlage hörbar verändert. "Hier haben wir sehr lange diskutiert, aber dann auch sehr einheitlich gesagt, dass mit aller Wahrscheinlichkeit Russland in Verbindung mit diesem Nervengasanschlag steht", sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel nach einem in der Tat ausgedehnten Gipfel-Abendessen. "Teil eines Musters" Sanktionen in irgendeiner Form verhängt die EU zunächst nicht. In der Abschlusserklärung wird Moskau aber nunmehr auch mit weiteren Schritten gedroht: "Die EU-Staaten werden sich mit Blick auf die Konsequenzen abstimmen im Lichte der Antworten, die Russlands Führung vorlegt." Heißt es wörtlich in dem von allen 28 verabschiedeten Text. Merkel ergänzte: "Wir sind entschlossen, hier auch durch diese Sprache, aber gegebenenfalls auch weitere Maßnahmen, einheitlich zu reagieren." Die Verantwortung für den Nervengasangriff auf einen russischen Ex-Doppelagenten in Salisbury schreibt London eindeutig Moskau zu. Die Attacke sei "Teil eines Musters russischer Aggression gegen Europa und seine Nachbarn", erklärte Premierministerin Theresa May in Brüssel. Und stellte damit klar, dass sie in Moskau eine dauerhafte Bedrohung für die EU-Staaten sieht. Insbesondere Deutschland und Frankreich hatten sich für eine deutlichere Botschaft an die Adresse des russischen Präsidenten Putin ausgesprochen: Nach einem Dreiertreffen am Rande des EU-Gipfels zwischen Kanzlerin Merkel, Staatspräsident Macron und Premierministerin May teilte das Bundes-Kanzleramt mit, es sei wichtig, eine "starke, gemeinsame Botschaft zu senden." Stirnrunzeln über Juncker Zuvor hatte innerhalb der EU - wieder einmal - ein heftiges Ringen um den richtigen Umgang mit Russland stattgefunden: Für Aufsehen hatte unter anderem ein Glückwunschbrief von EU-Kommissionschef Juncker an Präsident Putin nach dessen Wiederwahl gesorgt. Nicht nur die Tatsache, dass Juncker überhaupt schrieb, sorgte für Stirnrunzeln. Sondern auch, dass er in dem Brief an Moskau den Wunsch nach einer "pan-europäischen Sicherheitsordnung" äußerte. "Ich verstehe darunter, dass wir uns - ohne unsere Werte aufzugeben und unsere Prinzipien zu verraten - mit unseren direkten Nachbarn in Europa ins Benehmen setzen müssen", erläuterte der Kommissionschef nun auf Nachfrage des ARD-Studios Brüssel. Und warb damit dafür, verstärkt den Dialog zu suchen. Nicht wenige in Brüssel hatten zuvor gerätselt, was genau Juncker mit den Zeilen in seinem Brief gemeint haben könnte. Die richtige Dosierung von Druck und Dialog jedenfalls im Umgang mit Moskau wird ein Diskussionsthema bleiben. | /ausland/eu-gipfel-russland-103.html |
2018-03-01 | AfD verliert an Zustimmung | DeutschlandTrend | Sie ist da - die neue Regierung. Und auch im Denken der Wähler ändert sich einiges: Einen Dämpfer gibt es für die AfD, dafür kämpft sich die SPD ein Stückchen weiter aus dem Stimmen-Tief.
mehr | Sie ist da - die neue Regierung. Und auch im Denken der Wähler ändert sich einiges: Einen Dämpfer gibt es für die AfD, dafür kämpft sich die SPD ein Stückchen weiter aus dem Stimmen-Tief. Die größte Oppositionspartei AfD verliert leicht an Zuspruch: Laut aktuellem DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins käme sie auf 13 Prozent aller Wählerstimmen, wenn am Sonntag zur Bundestagswahl aufgerufen wäre. Im Vergleich zur Umfrage vom 1. März 2018 bedeutet das ein Minus um zwei Prozentpunkte. SPD: In Mini-Schritten aus dem Umfragetief Die Ergebnisse der weiteren Parteien blieben nahezu unverändert. Die Union verliert einen Prozentpunkt und käme auf 33 Prozent der Wählerstimmen. Ihr Koalitionspartner SPD kann hingegen mit 19 Prozent der Stimmen einen Prozentpunkt gutmachen. Die Partei hatte beim DeutschlandTrend vom 15. Februar mit 16 Prozent das bisherige Rekordtief erreicht. Auch die Grünen und die Linkspartei legen leicht zu: Auf die Grünen entfallen zwölf Prozent (+1) und auf die Linkspartei zehn Prozent (+1). Die Stimmen für die FDP bleiben unverändert. Gesellschaftsproblem Einsamkeit Fast jeder zweite der Befragten sorgt sich um ein Thema, das in den vergangenen Wochen wieder verstärkt in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt ist: Einsamkeit. Großbritannien schuf Mitte Januar sogar einen eigenen Ministerposten, um dieses Problem anzugehen. 51 Prozent der Deutschen sehen Einsamkeit auch hierzulande als großes Problem an: Dabei machen Frauen mit 76 Prozent den größeren Teil aus. Bei den Männern machen sich nur 61 Prozent um dieses Thema Gedanken. Allerdings sehen mit 57 Prozent die meisten Umfrageteilnehmer Einsamkeit als persönliches Problem an - nur 38 Prozent sind der Auffassung, dass es Aufgabe der Politik sein sollte, Maßnahmen gegen das Phänomen in der Gesellschaft zu ergreifen. | /inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-1175.html |
2018-03-01 | EU pocht auf sichere Daten | Folgen des Facebook-Skandals | Die EU will Online-Netzwerke an die kürzere Leine nehmen: Das Thema Datenschutz steht nun ganz oben auf dem Gipfel im Mai. Auch Justizministerin Barley drängt im tagesthemen-Interview auf mehr Transparenz.
mehr | Die EU will Online-Netzwerke an die kürzere Leine nehmen: Das Thema Datenschutz steht nun ganz oben auf dem Gipfel im Mai. Auch Justizministerin Barley drängt im tagesthemen-Interview auf mehr Transparenz. Schon lange ist Datenschutz im Internet ein Thema in der EU - doch angesichts des am Wochenende bekannt gewordenen Datenskandals bei Facebook drängen die Staats- und Regierungschefs verstärkt auf den besseren Schutz in sozialen Netzwerken und auf digitalen Plattformen. Die Privatsphäre und die personenbezogenen Daten der Nutzer müssten "vollständig geschützt sein", forderten die EU-Staaten auf dem Gipfel in Brüssel. Das müssten die Internetnetzwerke garantieren. Agenda des nächsten Gipfels spontan geändert Wie die Datenschutzgesetze der EU gewahrt bleiben und für mehr Transparenz im Netz gesorgt werden kann, soll die Staatschefs bereits auf einem nächsten Gipfel im Mai beschäftigen. Eigentlich sollte es bei dem Treffen in Bulgarien um die Beziehungen der EU zu potenziellen Erweiterungskandidaten auf dem Westbalkan gehen. Nun wurde Datenschutz und Digitalisierung auf die Agenda gesetzt. Fest steht bereits jetzt, dass das europäische Datenschutzrecht ab Mai noch einmal deutlich verschärft wird - etwa durch härtere Sanktionen. Unternehmen, die gegen Datenschutzauflagen verstoßen, sollen Strafen von bis zu vier Prozent ihres weltweiten Jahresumsatzes drohen. Je mehr Daten, desto mehr Schutz Auch die neue Justizministerin Katarina Barley stellte die immer stärkere Nutzung von Internetportalen und deren Sicherheit im Interview mit den tagesthemen in direkten Zusammenhang: "Je mehr Daten erhoben werden, desto mehr Datenschutz brauchen wir auch." Die Menschen müssten die Kontrolle über ihre Daten haben. Und dafür, so forderte Barley, sollten die Internetkonzerne die sogenannten Algorithmen offenlegen, die im Netz zum Tragen kommen und durch die die Nutzer unterschiedlich behandelt würden. Als Beispiel nannte Barley etwa das Kaufverhalten einiger Online-Shopper: Durch Algorithmen kann ermittelt werden, ob ein Nutzer spontan bei Angeboten zuschlägt oder erst einmal abwägt. Der spontane Käufer zahle manchmal einen höheren Preis. "Die Nutzer werden einsortiert und kategorisiert", fasste Barley zusammen. Dies sei ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte. Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschaffen konnte und durch gezielte Botschaften deren Wahlverhalten im Kampf um das Amt des US-Präsidenten zugunsten von Trump zu beeinflussen wollte. | /ausland/eu-datenschutz-facebook-101.html |
2018-03-01 | Höchste Zeit für deutsche Selbstkritik | Trumps Zolldrohungen | Ja, das mit den US-Zöllen scheint für die EU vorerst gutgegangen zu sein. Aber der Anlass bleibt: der gigantische deutsche Exportüberschusses, meint Markus Preiß. Jetzt muss es ein Umdenken geben.
mehr | Ja, das mit den US-Zöllen scheint für die EU vorerst gutgegangen zu sein. Aber der Anlass bleibt: der gigantische deutsche Exportüberschusses. Jetzt muss es ein Umdenken geben. Aufatmen in Brüssel. Der drohende Handelskrieg ist - erstmal - abgewendet. Wer sich fragt, wofür die EU gut ist, der konnte es heute sehen: Von Anfang an eine klare Botschaft an den vermeintlich wildgewordenen US-Präsidenten, aber keine Überreaktion. Und dann geduldig und zielstrebig verhandelt. Alle gemeinsam. Gut gemacht, EU! Es liegt an Deutschland Doch an diesem Tag ist es auch Zeit für ein bisschen Selbstkritik: Denn dass die ganze EU so im Visier von Trump ist, dass liegt einzig und allein an Deutschland. Viele Deutsche sind stolz auf den Titel des Exportweltmeisters. 287 Milliarden Dollar Plus - soviel mehr haben die Deutschen im vergangenen Jahr im Ausland eingenommen als für ausländische Produkte ausgegeben - fast acht Prozent der Wirtschaftsleistung. Um das mal einzuordnen: Das ist doppelt so viel Überschuss wie der des viel, viel größeren China. Das ist Klasse, sagen viele. Das ist Wahnsinn, sagt die EU-Kommission, sagt der Internationale Währungsfonds, sagt Trump. Deutschland muss diesen Überschuss abbauen - auch wenn es schmerzhaft ist. Denn er nimmt in Europa Ländern wie Griechenland die Luft zum Atmen. Und er macht die Deutschen - wie in den vergangenen Tagen schauderhaft erlebt - zum Feindbild bei Trump. Das wird nicht einfach Der Weg ist nicht einfach: höhere Löhne, mehr Investitionen. So könnte man das angehen. Das wird einerseits Wettbewerbsfähigkeit kosten - an anderen Stellen ist es sogar gut für uns Bürger. Das alles ist im Land der Schwarzen Null nicht unbedingt populär. Deutschland präsentiert sich stets als Kämpfer für den freien Welthandel. In Wahrheit ist damit gemeint: Man kämpft dafür, dass andere problemlos deutsche Produkte kaufen können und Deutsche kaum etwas von ihnen. Das kann man natürlich über Jahre so machen - aber dann muss sich nicht wundern, wenn man jemand wie Trump mit der Abrissbirne kommt. Die Option alles bleibt, wie es bis gestern war, besteht nicht mehr. | /kommentar/trump-zoelle-kommentar-101.html |
2018-03-01 | Keinen Flüchtling zurückgenommen | Griechenland und Ungarn | Griechenland und Ungarn weigern sich, gemäß den EU-Regeln Flüchtlinge von Deutschland zurückzunehmen - trotz der Übernahmeersuchen, die die Bundesregierung stellte. Deutschland hingegen nimmt Flüchtlinge von anderen EU-Staaten auf.
mehr | Griechenland und Ungarn weigern sich, gemäß den EU-Regeln Flüchtlinge von Deutschland zurückzunehmen - trotz der Übernahmeersuchen, die die Bundesregierung stellte. Deutschland hingegen nimmt Flüchtlinge von anderen EU-Staaten auf. Die EU-Staaten Griechenland und Ungarn lehnen es beharrlich ab, EU-Regeln für die Rücknahme von Flüchtlingen anzuwenden. Im vergangenen Jahr habe sich die griechische Regierung nur in 81 von 2312 deutschen Ersuchen um Rücknahme von Flüchtlingen überhaupt für zuständig erklärt. Das berichtet die "Passauer Neue Presse" unter Berufung auf eine Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion. Zurückgenommen worden sei kein einziger Flüchtling. Ungarn lehnt Dublin-Regeln ab Nach den Dublin-Regeln der EU muss dasjenige Land ein Asylverfahren übernehmen, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Boden betreten hat. Ungarn lehnt das mittlerweile ganz ab. Seit Mai 2017 nahm Budapest dem Bericht zufolge keinen Flüchtling wieder zurück, obwohl die Bundesregierung 3304 Übernahmeersuchen stellte. Deutschland schickt aber nicht nur Flüchtlinge in andere EU-Staaten zurück, sondern nimmt auch von diesen Migranten auf. So kamen dem Bericht zufolge im Jahr 2017 aus Griechenland 3189 Familienangehörige von hierzulande lebenden Flüchtlingen nach Deutschland, vor allem Syrer, Afghanen und Iraker. Von 5807 neuen Anfragen aus Griechenland akzeptierte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge 5310, wobei 3100 Angehörige noch auf den Nachzug warten. | /ausland/griechenland-fluechtlinge-221.html |
2018-03-01 | Was ist Rassismus? | Diskriminierung | Am internationalen Tag gegen Rassismus soll Diskriminierung bekämpft werden. Doch was genau ist Rassismus eigentlich? Und welche Definitionen gibt es? Von Patrick Gensing. | Am internationalen Tag gegen Rassismus soll Diskriminierung bekämpft werden. Doch was genau ist Rassismus eigentlich? Und welche unterschiedlichen Formen gibt es? Am 21. März 1960 war eine friedliche Demonstration in Sharpeville in Südafrika blutig niedergeschlagen worden. 69 Menschen kamen dabei ums Leben. In Reaktion darauf haben die Vereinten Nationen im Jahr 1966 den 21. März als "Internationalen Tag zur Überwindung von Rassendiskriminierung" ausgerufen. Was ist Rassismus? Rassismus ist eine Gesinnung, Ideologie oder Wahrnehmung, nach der Menschen auf Grund äußerlicher Merkmale als Angehörige vermeintlicher "Rassen" kategorisiert und beurteilt werden. Es existieren zahlreiche Definitionen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Der Begriff wurde in den 1920er- und 1930er-Jahre geprägt - als Reaktion auf die "Rassenkunde" oder "Rassenlehre". 1965 wandte sich die UN im Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung gegen jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschließung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Genießen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird. Die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz definiert Rassismus als "die Überzeugung, dass ein Beweggrund wie Rasse, Hautfarbe, Sprache, Religion, Staatsangehörigkeit oder nationale oder ethnische Herkunft die Missachtung einer Person oder Personengruppe oder das Gefühl der Überlegenheit gegenüber einer Person oder Personengruppe rechtfertigt". In der Wissenschaft existieren viele weitere Definitionen, die verschiedene Elemente oder Formen des Rassismus betonen. Der Soziologe Albert Memmi schrieb beispielsweise, Rassismus erfülle eine bestimmte Funktion: Er sei "die verallgemeinerte und verabsolutierte Wertung tatsächlicher oder fiktiver biologischer Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen". Was ist Diskriminierung? Während Rassismus als eine Ideologie oder Geisteshaltung beschrieben wird, versteht man unter Diskriminierung eine konkrete Handlung, durch die eine als minderwertig bezeichnete Gruppe oder Einzelperson im realen Leben benachteiligt wird. Warum ist der Begriff "Rasse" in Gesetzen umstritten? Neben der Definition von Rassismus an sich ist der "Rasse"-Begriff in Gesetzestexten umstritten. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes schlug daher vor, entsprechende Texte zu ändern und den Begriff "Rasse" durch "rassistisch" zu ersetzen: "Denn durch die Verwendung des Begriffs 'Rasse' selbst werden rassistische Vorstellungen fortgeschrieben." In einigen Bundesländern wurde dies bereits umgesetzt. In anderen Staaten, beispielsweise in Norwegen, ist in Gesetzen gegen Diskriminierung von Ethnien statt von "Rassen" die Rede. Was ist kultureller Rassismus? In neurechten Theorien ist der klassische Rassismus durch einen kulturellen Rassismus ersetzt worden. Statt auf genetische Unterschiede von Menschengruppen zu setzen, ist nun von kulturellen Differenzen die Rede, die nicht oder kaum veränderbar seien. Theodor Adorno stellte dazu fest: "Das vornehme Wort Kultur tritt anstelle des verpönten Ausdrucks Rasse, bleibt aber ein bloßes Deckbild für den brutalen Herrschaftsanspruch." Der kulturelle Rassismus behauptet, bestimmte Menschengruppen hätten eine quasi homogene Kultur, die mit der ethnischen oder völkischen Herkunft unabdingbar verbunden sei. Die wesentlichen Eigenschaften von Individuen werden durch die angeblichen kulturellen Eigenschaften einer bestimmten Gruppe bestimmt. Bemerkenswert ist, dass in diesem Konzept ausgerechnet Kultur als starr und kaum veränderbar beschrieben wird. Was ist institutioneller Rassismus? Mit diesem Begriff wird die Ausgrenzung, Benachteiligung oder Herabsetzung von Menschen beschrieben, beispielsweise auf dem Arbeitsmarkt, der Bildung oder dem Wohnungsmarkt. Ein typisches Beispiel sind Untersuchungen, wonach Menschen mit ausländisch-klingenden Namen bei gleicher Qualifikation deutlich mehr Absagen auf Bewerbungen erhalten. Deswegen werden teilweise bereits anonymisierte Verfahren angewandt. Auch im NSU-Komplex wurde immer wieder institutioneller Rassismus bei den Ermittlungen beklagt. Ein weiteres Feld ist das sogenannte "Racial Profiling": Dies beschreibt ein polizeiliches Vorgehen, bei dem Menschen allein wegen ihrer Ethnie und nicht anhand konkreter Verdachtsmomente kontrolliert werden. Die Polizeipraxis von pauschalen Verdächtigungen aufgrund unveränderlicher Merkmale wurde von der Antidiskriminierungsstelle des Bundes als ein schwerer Verstoß gegen die Menschenrechte gewertet. Amnesty International kritisierte 2016, deutsche Behörden hätten ein Problem mit institutionellem Rassismus. Damit sei das Unvermögen gemeint, "alle Menschen angemessen und professionell zu behandeln, unabhängig von ihrer Hautfarbe, ihres kulturellen Hintergrunds oder ethnischen Herkunft". | /faktenfinder/rassismus-113.html |
2018-03-01 | Trump verschont die EU - aber China nicht | Handelskonflikte | Die US-Regierung verschont die EU vorerst mit Strafzöllen auf Aluminium und Stahl. Anders China: Präsident Trump verhängte milliardenschwere Importzölle auf chinesische Produkte.
mehr | Die US-Regierung verschont die EU vorerst mit Strafzöllen auf Aluminium und Stahl. Anders China: Präsident Trump verhängte milliardenschwere Importzölle auf chinesische Produkte. Der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU ist vorerst entschärft. In quasi letzter Minute hat die EU erreicht, von den geplanten US-Zöllen auf Stahl und Aluminium ausgenommen zu werden. Einen Tag vor Inkrafttreten der Regelungen gab Trumps Handelsbeauftragter Robert Lighthizer vor einem Ausschuss des US-Senats die vorläufigen Ausnahmeregelung für die Europäische Union bekannt. Dadurch soll nach seinen Angaben die Zeit für weitere Verhandlungen mit den Europäern über die Handelsbeziehungen geschaffen werden. Die zunächst vorübergehend angelegten Ausnahmen beträfen neben den EU-Staaten auch Argentinien, Brasilien, Australien und Südkorea. US-Präsident Donald Trump habe eine entsprechende Entscheidung getroffen. Erleichterung in Brüssel und Berlin Bis zuletzt hatte die EU mit der US-Regierung verhandelt. Auch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier war nach Washington gereist. Ohne Einigung wären Gegenmaßnahmen der EU wahrscheinlich gewesen. US-Produkte sollten dann ebenfalls mit Zöllen belegt werden. Die vorläufige Entschärfung des Handeskonflikts sorgte nun für Erleichterung. "Mit Erleichterung" nehmen man die Ankündigung zur Kenntnis, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz. Protektionismus sei der falsche Weg: "Der freie Handel ist eine Grundlage für unseren Wohlstand." Auch der Präsident des Europaparlaments begrüßte die Nachricht aus Washington. "Sollte dies offiziell bestätigt werden, dann ist das sicher eine Nachricht, die in die richtige Richtung geht", sagte Antonio Tajani. Die USA und Europa seien zwei Seiten ein und derselben Medaille. Milliardenschwere Zölle gegen China Dagegen steuern die USA auf einen Handelskonflikt mit China zu. Die Trump-Regierung will China mit milliardenschweren Strafzöllen belegen. Unter schweren Vorwürfen unfairer Handelspraktiken und des Diebstahls geistigen Eigentums unterzeichnete Trump ein entsprechendes Dekret. Das Paket werde Zölle und andere Maßnahmen im Volumen von etwa 60 Milliarden US-Dollar enthalten, sagte Trump. Die USA reagierten damit auf "unfaire Handelspraktiken" Chinas, hieß es aus dem Weißen Haus. Die Maßnahmen sollten sich gegen Industriesektoren richten, in denen Peking den "Technologietransfer durch amerikanische Unternehmen erzwingt". Lightizer soll die Zölle binnen 60 Tagen ausarbeiten. Er soll auch eine umfangreiche Liste mit allen betroffenen Produkten vorlegen. Das Handelsdefizit mit China werde sich durch die Maßnahmen sofort um 100 Milliarden US-Dollar reduzieren, sagte Trump. Die Zeiten seien vorbei, in denen China auf Kosten der USA wirtschafte. Mit diesen harten Schritten setzt Trump ein zentrales Wahlversprechen um. Die chinesische Regierung hatte kurz zuvor gewarnt, dass sie mit den "notwendigen Maßnahmen" reagieren werde. China werde nicht "untätig herumsitzen" und zulassen, dass die legitimen Rechte und Interessen des Landes verletzt würden, erklärte das Handelsministerium in Peking. China ist auch bereits von den US-Strafzöllen auf Stahl und Aluminium betroffen, die am Freitag in Kraft treten. | /wirtschaft/usa-zoelle-eu-china-101.html |
2018-03-01 | Warnstreikende gehen in die Osterpause | Öffentlicher Dienst | Volle Mülltonnen, Kitas dicht, Nahverkehr im Stillstand: Erneut haben Tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihre Arbeit niedergelegt - vor allem München war betroffen. Über Ostern soll es eine Warnstreik-Pause geben.
mehr | Volle Mülltonnen, keine Betreuung für Kinder, Nahverkehr im Stillstand: Erneut haben Tausende Beschäftigte im öffentlichen Dienst ihre Arbeit niedergelegt - vor allem München war betroffen. Über Ostern soll es eine Warnstreik-Pause geben. Im Tarifkonflikt des öffentlichen Dienstes haben sich erneut Tausende Menschen an Warnstreiks beteiligt. Die Schwerpunkte seien diesmal in Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz gewesen, teilte die Gewerkschaft ver.di mit, die sogar von 10.000 Warnstreikenden sprach. Besonders traf es München, wo mehr als 3000 Beschäftigte streikten. Müll wurde nicht abgeholt, Kitas blieben geschlossen. Nach Ostern geht es weiter Für die kommenden Wochen werde es nur "regionalisierte Aktivitäten" geben, sagte eine ver.di-Sprecherin. In dieser Form solle es - nach einer Streikpause über Ostern - auch nach den Feiertagen weitergehen. Erst um den 9. April herum, eine Woche vor der geplanten nächsten Verhandlungsrunde, seien wieder bundesweite Arbeitskampfmaßnahmen geplant. Die Gewerkschaften fordern für die 2,3 Millionen Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro pro Monat. Zudem sollen die Ausbildungsvergütungen und Praktikantenentgelte um 100 Euro pro Monat erhöht werden. Die Arbeitgeber lehnen den geforderten Mindestbetrag ab. Ein eigenes Angebot legten sie bisher nicht vor. | /wirtschaft/warnstreiks-verdi-101.html |
2018-03-01 | Im Amt - und weiter auf der Bremse? | Merkel beim EU-Gipfel | Sie will ja den Aufbruch für die EU - das hat Kanzlerin Merkel mehrfach betont. Nur wie der zu schaffen ist, da bleibt sie noch vage. Was vor allem Frankreichs Geduld strapazieren dürfte. Von Holger Romann. | Sie will ja den Aufbruch für die EU - das hat Kanzlerin Merkel mehrfach betont. Nur wie der zu schaffen ist, da bleibt sie noch vage. Was vor allem Frankreichs Geduld strapazieren dürfte. Auch rund eine Woche nach dem Amtseid hallt das Aufatmen der deutschen Nachbarn über Angela Merkels vierte Kanzlerschaft noch immer nach. Nicht nur in Brüssel ist man froh, dass die Zeit des Stillstands vorüber ist und Deutschland endlich wieder eine Regierung hat. Noch dazu eine, die im Koalitionsvertrag mehr Geld für Europa verspricht und einen "neuen Aufbruch", wie Merkel es selbst formuliert hat. Dass das stärkste der 28 EU-Mitgliedsländer gerade noch pünktlich zum Gipfel wieder sprechfähig ist, freut vor allem Merkels engsten und energischsten Partner in der EU: Emmanuel Macron. Denn zu besprechen gibt es eine Menge, wie Frankreichs Präsident nicht müde wird zu betonen. Sein Wahlsieg, im Frühjahr 2017, liegt noch länger zurück - und hatte ebenfalls Hoffnungen auf neue, pro-europäische Impulse geweckt. Langsam, schwach und ineffizient Macron hatte schon im Herbst, kurz nach der Bundestagswahl, in seiner großen Sorbonne-Rede einen Masterplan zur "Neugründung Europas" vorgelegt. Dazu gehören für ihn: Ein europäischer Wirtschafts- und Finanzminister, ein eigenes Budget für die Eurozone und eine Angleichung der Steuersysteme, die den unwürdigen Konkurrenzkampf zwischen den Mitgliedsstaaten ein für alle Mal beendet und dafür sorgt, dass auch multinationale Konzerne, wie Google oder Amazon, ihren gerechten Anteil zum Allgemeinwohl leisten. Alles mit dem Ziel, die EU zu stärken und die Dauerkrise zu überwinden. Derzeit ist Europa zu schwach, zu langsam und zu ineffizient, so Macrons Diagnose. Aber nur Europa als Ganzes, nicht einzelne Nationen, könne seinen Bürgern Handlungsfreiheit garantieren in einer immer komplexeren Welt. Zumindest im Grundsatz einig Der EU Unabhängigkeit zu verschaffen, damit sie ihre Ideen und Interessen besser verteidigen kann - eine Forderung, die man diesseits des Rheins durchaus teilt. Eine echte Antwort auf seine Vorschläge ist Merkel Macron bislang jedoch schuldig geblieben, im Gegensatz zu EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker. Wer gehofft hatte, die Kanzlerin würde dies beim Treffen der EU-Regierungschefs nachholen, dürfte allerdings enttäuscht werden: Zwar sind sich Paris und Berlin grundsätzlich einig, dass sich die EU nach Finanz- und Flüchtlingskrise sowie vor dem Brexit und der nächsten Europawahl neu aufstellen muss, doch eine gemeinsame Linie ist nicht erkennbar. Fahrplan kommt mit Verspätung Während Macron drängelt, bleibt Merkel im Vagen. Anders als ursprünglich geplant, will sie sich nun doch erst beim nächsten Gipfel - im Juni - auf einen Fahrplan für die Reform der Währungsunion festlegen. Selbst der Gastgeber des Gipfels, Ratspräsident Donald Tusk, der das Thema schon mehrmals auf die Agenda gesetzt hat, musste im Einladungsbrief eingestehen, dass es derzeit nur einen "begrenzten Konsens" bei zentralen Reformvorhaben gebe. Angst vor der "Schuldenunion" Auf die Frage nach den Gründen für den verkorksten Neustart verweisen Insider auf den bereits heraufdämmernden Machtkampf um die Besetzung wichtiger EU-Posten im kommenden Jahr. Und auf die alte Sorge der Deutschen, bereits erreichte Stabilitätskriterien könnten aufgeweicht und die Schleusen Richtung "Transfer-" oder gar "Schuldenunion" geöffnet werden. Statt der angeblich so nötigen Entscheidungen werden die Regierungschefs also eine weitere, eher unverbindliche Grundsatzdebatte führen. Und sie werden über weniger kontroverse Projekte reden, wie die Vollendung der Bankenunion oder den Umbau des Rettungsschirms ESM in einen Europäischen Währungsfonds. Den Vorwurf, als Bremserin dazustehen, kann die Kanzlerin freilich elegant parieren: Inzwischen hat sich nämlich eine Allianz aus acht kleineren EU-Staaten unter Führung der Niederlande gebildet, die vor einem deutsch-französischen Alleingang warnen und Macrons ehrgeizigen Euro-Visionen äußerst kritisch gegenüberstehen. | /ausland/eu-reform-deutschland-101.html |
2018-03-01 | Medienkonzentration in der Türkei | Kauf durch Erdogan-nahe Gruppe | In der Türkei sollen Medien der Dogan-Gruppe, zu der unter anderem der Sender CNN Türk gehört, an einen Erdogan-nahen Konzern übergehen. Kritiker befürchten eine weitere Einschränkung der Pressefreiheit.
mehr | In der Türkei sollen Medien der Dogan-Gruppe, zu der unter anderem der Sender CNN Türk gehört, an einen Erdogan-nahen Konzern übergehen. Kritiker befürchten eine weitere Einschränkung der Pressefreiheit. Dem türkischen Medienmarkt steht wohl eine bisher nie dagewesene Konzentration bevor: Die Mediensparte der größten Mediengruppe des Landes, Dogan, soll an die regierungsnahe Demirören-Gruppe verkauft werden. Der Dogan-Konzern bestätigte nach diversen Medienberichten die Verhandlungen. Es gehe um die Übernahme der Zeitung "Hürriyet" und des Nachrichtensenders CNN Türk, heißt es in einer Dogan-Erklärung an die Istanbuler Börse. Das Paket hat den Angaben nach einen Börsenwert von rund 725 Millionen Euro. Beide Medien galten in der Türkei bislang als halbwegs unabhängig. Die Demirören-Gruppe ist vor allem in den Bereichen Bau, Energie, Automobil, Tourismus und Bildung tätig. Ihr wird eine Nähe zum türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan nachgesagt. Demirören hatte bereits 2011 die Zeitungen "Milliyet" und "Vatan" übernommen. Beide Blätter schwenkten daraufhin auf einen regierungsfreundlichen Kurs um. Kritiker befürchten durch die erneute Konzentration auf dem türkischen Medienmarkt weitere Einschränkungen bei Meinungsvielfalt und Pressefreiheit. Nach dem Putschversuch 2016 waren per Notstandsdekret rund 150 Medienbetriebe geschlossen worden. Die regierungskritische "Cumhuriyet" schreibt: "Der einzige große Medienmogul des Landes ist nun die Regierung." Springer will sich von Dogan TV zurückziehen Nach Bekanntwerden der Übernahmepläne kündigte der deutsche Springer-Konzern an, sich aus dem türkischen Medienunternehmen komplett zurückzuziehen. Springer sei seit Januar 2007 als Investor an der Dogan TV Holding A.S. beteiligt und habe diese Beteiligung in den vergangenen Jahren sukzessive zurückgefahren. "Das Unternehmen hält derzeit noch sieben Prozent an der Dogan TV Holding, es gibt aber die klare Absicht und auch entsprechende Vereinbarungen, sich komplett zurückzuziehen." Näher äußerte sich Springer nicht. | /ausland/medienkonzern-tuerkei-101.html |
2018-03-01 | Facebook als "Gefahr für die Demokratie" | Reaktion auf Datenskandal | Facebook ist in der Defensive: Politiker sehen angesichts des Datenskandals die Demokratie bedroht. Justizministerin Barley will Konzernvertreter ins Ministerium vorladen und zu einer Erklärung zwingen.
mehr | Facebook ist in der Defensive: Politiker sehen angesichts des Datenskandals die Demokratie bedroht. Justizministerin Barley will Konzernvertreter ins Ministerium vorladen und zu einer Erklärung zwingen. Der Skandal um millionenfach angezapfte Nutzerprofile bei Facebook bringt die Politik auf den Plan: Die Demokratie sei bedroht, warnte EU-Justizkommissarion Vera Jourová. In dem Fall gehe es nicht nur um den Schutz persönlicher Daten, er habe "massive Auswirkungen" auf die demokratische Debatte und Wahlen. Es handele sich um eine "heftige Manipulation" von Meinungen, die sich in Wahlergebnissen spiegelten, sagte die EU-Kommissarin in Washington. In den USA und Großbritannien leiteten die Behörden Untersuchungen gegen Facebook ein. Auch wollen mehrere Parlamente Facebook-Chef Mark Zuckerberg zu dem Skandal befragen. Barley will Facebook vorladen In Deutschland sind ähnliche Töne zu hören: So sieht die neue Justizministerin Katarina Barley eine "Gefahr für die Demokratie" durch Wahlkampfmethoden anhand von Facebook-Daten, wie sie offenbar in den USA angewandt wurden. Den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte die SPD-Politikerin, es sei nicht hinnehmbar, dass Nutzer in sozialen Netzwerken "gegen ihren Willen ausgeleuchtet werden, um sie ganz gezielt mit Wahlwerbung oder Hass gegen den politischen Gegner zu bombardieren". Es müssten klare Regeln gelten. Barley will deshalb Vertreter von Facebook ins Justiz- und Verbraucherschutzministerium laden und eine Erklärung von Facebook zu dem Skandal um millionenfach angezapfte Nutzerprofile erzwingen. Das europäische Facebook-Management müsse "zu diesem Skandal" umfassend gegenüber der Bundesregierung Stellung beziehen, sagte die SPD-Politikerin demnach. Bär: Europa künftig am längeren Hebel Europa habe beim Datenschutz ein sehr viel strengeres Recht als die USA, betonte die Ministerin. Entscheidend sei die Einwilligung der Nutzer, die immer nur wirksam sein könne, wenn die Betroffenen genau wüssten, was mit ihren Daten passiere. Das künftige europäische Datenschutzrecht, das ab Mai gelte, sehe bei Verstößen empfindliche Sanktionen bis zu vier Prozent des weltweiten Jahresumsatzes vor. Auf die bald in Kraft tretende europäische Datenschutzgrundverordnung verweist auch die neue Staatsministerin für Digitales im Bundeskanzleramt, Dorothee Bär. Diese schaffe "einen einheitlichen Rechtsrahmen für Datenschutz in allen EU-Mitgliedstaaten", sagte die CSU-Politikerin dem "Focus". Damit habe Europa künftig einen deutlich längeren Hebel. "Nichtssagende Antworten und der Verweis auf das amerikanische Hauptquartier reichen dann nicht mehr." Auch die Datenexpertin der Linkspartei, Anke Domscheit-Berg, verspricht sich Verbesserungen von der europäischen Datenschutzverordnung, wie sie im ARD-Morgenmagazin sagte. "Was sich vor allem verändert, ist, dass die Zuständigkeit des Rechtes davon abhängt, wo die Nutzer sitzen." Grüne: Mit deutschem Gesetz gegen Facebook Die Grünen fordern, per Gesetz gegen Facebook vorzugehen. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Konstantin von Notz, sagte dem SWR: "Die Zeit des Redens ist vorbei! Wir müssen endlich die notwendigen Gesetze machen, um die Verbraucherinnen und Verbraucher zu schützen." Er kritisierte, dass derzeit noch nicht einmal geltendes Recht durchgesetzt werde. Sein Parteikollege, der EU-Abgeordnete Jan-Philipp Albrecht fordert für eine effektivere Kontrolle von Konzernen wie Facebook, die deutschen Aufsichtsbehörden entsprechend auszustatten. Der Datenschutzexperte sagte NDR Info: "Wir brauchen eine Debatte darüber, wie gerade bei solchen Konzernen, die eine erhebliche Datenmacht haben, eine Kontrolle durch Datenschutzbehörden, aber auch durch Wettbewerbs- und Kartellbehörden gelingen kann." Entschuldigung Zuckerbergs Zwar entschuldigte sich Facebook-Chef Zuckerberg inzwischen und räumte seine Verantwortung ein. Doch das Interview kam spät, erst Tage nach dem Bekanntwerden des Skandals durch einen Whistleblower. Die Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg kritisierte diese Reaktion Zuckerbergs als ungenügend: "Was er angekündigt hat, reicht einfach nicht", sagte sie im ARD-Morgenmagazin. Bislang habe der Facebook-Chef nur dann reagiert, wenn der Druck von Investoren und Nutzern groß genug gewesen sei. Am Wochenende war bekannt geworden, dass die Datenanalyse-Firma Cambridge Analytica sich unerlaubt Zugang zu Daten von mehr als 50 Millionen Facebook-Nutzern verschaffen konnte. Die Firma soll im US-Wahlkampf versucht haben, mit als Werbung geschalteten gezielten Botschaften bei Facebook Anhänger des heutigen Präsidenten Donald Trump zu mobilisieren und zugleich potenzielle Wähler der Gegenkandidatin Hillary Clinton vom Urnengang abzubringen. | /inland/facebook-politik-101.html |
2018-03-01 | "Das eigentliche Ziel ist China" | Handelsstreit und Zölle | Ein neues Kapitel im Wirtschaftskrimi um die US-Zölle auf Stahl und Aluminium: Nun soll es immer weitere Ausnahmen geben und vor allem China getroffen werden. Doch die EU muss weiter bangen. Von Martin Ganslmeier. | Ein neues Kapitel im Wirtschaftskrimi um die US-Zölle auf Stahl und Aluminium: Nun soll es immer weitere Ausnahmen geben und vor allem China getroffen werden. Doch die EU muss weiter bangen. In den vergangenen Tagen war Robert Lighthizer ein gefragter Mann in Washington. Im Büro des Handelsbeauftragten der US-Regierung gingen Wirtschafts- und Handelsminister aus vielen Ländern ein und aus. Sie alle verlangten, dass ihr Land von Trumps Zöllen verschont bleibe. Umso spannender ist, was Lighthizer nun den Abgeordneten im Haushaltsausschuss des Repräsentantenhauses zum Stand der Verhandlungen berichtete. Mehrere Republikaner äußerten die Sorge, dass die nach der Rasenmähermethode verhängten Zölle auf ausländischen Stahl und Aluminium nicht den eigentlich Schuldigen China treffen, sondern Amerikas Verbündete. So betonte Kevin Brady, der Vorsitzende im Haushaltsausschuss: "Wir können das nicht im Alleingang machen. Wenn wir unsere Verbündeten schwächen, dann werden am Ende auch wir verlieren. Es geht nicht um Rückzieher, sondern darum, das eigentliche Ziel zu treffen. Und das ist China mit seinen schlimmen Praktiken und nicht unsere Verbündeten." Ausnahmen für mehrere Länder geplant Ein Handelskrieg ausgerechnet mit Amerikas Verbündeten wäre kontraproduktiv, kritisierten auch andere Abgeordnete. Der US-Handelsbeauftragte Lighthizer versuchte zu beruhigen: Nach seinen Gesprächen mit ausländischen Ministern sehe er mehrere Kategorien von Ländern, die für eine Ausnahmeregelung in Frage kämen. Zur ersten Kategorie gehörten jene Länder, mit denen die Trump-Regierung gerade über verbesserte Freihandelsabkommen verhandelt. Für Kanada und Mexiko sei bereits klar, dass sie von Zöllen zunächst verschont bleiben, solange sie den USA beim nordamerikanischen Freihandelsabkommen NAFTA entgegenkommen. Ähnlich sei es mit Südkorea, mit dem ebenfalls über ein verbessertes Abkommen verhandelt werde. In die zweite Kategorie gehören aus Sicht von Lighthizer: "Australien, Argentinien und die EU. Und in die dritte Kategorie gehört Brasilien, mit dessen Regierung wir auch bald reden." Welches dieser Länder von Trumps Zöllen auf Stahl und Aluminium befreit wird, das will die Trump-Regierung bis Ende April entscheiden, sagte Lighthizer. Entscheidung liegt bei Trump Ein Abgeordneter hakte nach: Was komme auf die betroffenen Länder denn am Freitag zu? Gebe es dann schon neben Kanada und Mexiko Ausnahmen für weitere Länder? Lighthizer blieb in seiner Antwort vage: "Mit Blick auf einige Länder werden die Zölle erst einmal nicht kommen. So sehe ich das, aber das entscheidet der Präsident. Meine Vorstellung wäre: Während der Verhandlungen bis Ende April treten für diese Länder zunächst keine Zölle in Kraft." Und ja, es gebe andere Länder, die meinen, sie müssten verschont bleiben. Für die werde es am Freitag erst einmal Zölle geben. Hoffen und Bangen für die EU Die EU kann also weiter hoffen, ohne sich ganz sicher zu sein. Ein typischer Cliffhanger wie in Trumps Reality-TV-Show. Entweder die Europäer werden schon von Freitag an verschont oder sie müssen bis Ende April darum kämpfen. Sollte es tatsächlich weitere Ausnahmen für Verbündete der USA geben, dann würden die Strafzölle für China und Russland entsprechend höher ausfallen. Dass es für China noch heftiger kommen werde, auch das kündigte Lighthizer den Abgeordneten bereits an. Weitere Zölle gegen China Später wurde bekannt, dass Trump im Laufe des Tages weitere Zölle auf rund hundert Produkte aus China verhängen wird. Betroffen sind Waren im Wert von gut 60 Milliarden Dollar. Damit will Trump gegen Chinas Diebstahl an geistigem Eigentum vorgehen. Zwischen den USA und China wächst also die Gefahr eines Handelskrieges. | /wirtschaft/handelsstreit-usa-105.html |
2018-03-01 | Erstmal abwarten | EU zur US-Zollentscheidung | Die USA verschonen die EU vorerst mit Strafzöllen. In Brüssel mag man aber noch nicht jubeln. Erst soll abgewartet werden, ob die Ausnahme an Bedingungen geknüpft ist. Die deutsche Wirtschaft ist optimistischer.
mehr | Die USA verschonen die EU vorerst mit Strafzöllen. In Brüssel mag man aber noch nicht jubeln. Erst soll abgewartet werden, ob die Ausnahme an Bedingungen geknüpft ist. Die deutsche Wirtschaft ist optimistischer. Die frohe Botschaft kam wie gerufen: Pünktlich zum Auftakt des EU-Gipfels traf die Nachricht aus Washington ein, dass die USA die Staaten der Europäischen Union von den am Freitag in Kraft tretenden Strafzöllen auf Aluminium und Stahl ausnehmen wollen. Die Last-Minute-Verhandlungen waren also von Erfolg gekrönt. Jubelstimmung mochte in Brüssel dennoch nicht aufkommen. Stattdessen: Abwarten. Die EU respektiere die US-Entscheidung, sagte EU-Ratspräsident Donald Tusk als Gipfelorganisator. Die Staats- und Regierungschefs wollten darüber aber erst diskutieren. Ihre Herangehensweise werde "im Detail" erst heute vorgestellt. Ausnahmen unter Bedingungen? Unter den Gipfel-Teilnehmern gibt es Befürchtungen, dass die USA die Ausnahmeregelung nur unter Bedingungen gewähren wollen. "Wenn die Annahme einer Ausnahme für die EU eröffnet ist, muss die Frage beantwortet werden, ob diese Ausnahme an Bedingungen geknüpft ist", sagte der belgische Regierungschef Charles Michel. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel bezeichnete die Nachrichten aus Washington als "eher positiv". Es müsse nun aber noch die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump abgewartet werden. In den am Abend veröffentlichten ersten Schlussfolgerungen blieb bei der Reaktion auf die US-Zölle ein Platzhalter. In der Passage davor bekräftigt die EU ihr Engagement "für ein offenes und regelbasiertes, multilaterales Handelssystem mit der Welthandelsorganisation WTO im Kern". Der Gipfel sei der festen Überzeugung, "dass der freie und faire Handel einer der stärksten Wachstumsmotoren ist" und Millionen Arbeitsplätze erhalte. Vorsichtiger Optimismus Bei der Bundesregierung in Berlin herrschte vorsichtiger Optimismus. "Mit Erleichterung nehmen wir die Ankündigung der US-Regierung zur Kenntnis, vorerst keine Strafzölle gegen die Europäische Union verhängen zu wollen", sagte Finanzminister Olaf Scholz. "Denn Protektionismus ist der falsche Weg. Der freie Handel ist eine Grundlage für unseren Wohlstand." Deshalb sollte es das Anliegen sein, die Handelsbarrieren in der Welt auszuräumen und nicht neue Hürden aufzustellen. Erleichtert sich Vertreter der deutschen Wirtschaft: "Das ist eine gute Nachricht für den transatlantischen Handel: sowohl für den Wirtschaftsstandort Deutschland als auch für die USA", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer. Strafzölle hätten der deutschen Wirtschaft erhebliche Absatzeinbußen beschert und keinem einzigen Unternehmen geholfen, weder diesseits noch jenseits des Atlantiks. Ein "kleiner Etappensieg" Und dem Präsidenten des Außenhandelsverbandes BGA, Holger Bingmann, fiel "ein großer Stein vom Herzen". Das Ausnehmen der EU von den "unsinnigen" US-Strafzöllen sei ein Sieg der Vernunft, zumindest vorläufig. Nun gelte es weiterhin Überzeugungsarbeit in Richtung US-Regierung zu betreiben, dass Protektion in die Sackgasse führe. "Fairen Handel erreichen wir nur, wenn wir die Zölle auf beiden Seiten des Atlantiks beseitigen." DIHK-Präsident Eric Schweitzer sprach von einem "kleinen Etappensieg". Noch sei die Gefahr eines Handelskrieges nicht gebannt. Auch der Verband der Automobilindustrie (VDA) sprach von einem ersten guten Signal und einer Atempause. Langfristig brauche es Lösungen, die auf den Prinzipien der Welthandelsorganisation WTO fußten. Strafzölle gegen China Während der Handelskonflikt für die EU erstmal entschärft ist, trifft es China hart. Die Trump-Regierung verhängte milliardenschwere Strafzölle gegen das Land. Unter schweren Vorwürfen unfairer Handelspraktiken und des Diebstahls geistigen Eigentums unterzeichnete Trump ein entsprechendes Dekret. Das Paket werde Zölle und andere Maßnahmen im Volumen von etwa 60 Milliarden US-Dollar enthalten, sagte Trump. Die USA reagierten damit auf "unfaire Handelspraktiken" Chinas, hieß es aus dem Weißen Haus. Die Maßnahmen sollten sich gegen Industriesektoren richten, in denen Peking den "Technologietransfer durch amerikanische Unternehmen erzwingt". China ist zudem von den US-Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte betroffen, die an diesem Freitag in Kraft treten. In einer ersten Reaktion äußerte sich die Führung in Peking enttäuscht über die Entscheidung. Man wolle keinen Handelskrieg, aber jetzt werde man mit Gegenmaßnahmen reagieren. | /wirtschaft/usa-zoelle-eu-china-103.html |
2018-03-01 | Iran sperrt Chatdienst Telegram | Nach Protesten | Die Messenger-App Telegram war bei den jüngsten Protesten im Iran ein wichtiges Kommunikationsmittel. Nun will die Regierung sie verbieten. Junge Iraner dürfte das kaum von der Nutzung abhalten.
mehr | Die Messenger-App Telegram war bei den jüngsten Protesten im Iran ein wichtiges Kommunikationsmittel. Nun will die Regierung sie verbieten. Junge Iraner dürfte das kaum von der Nutzung abhalten. Etwa 40 Millionen Menschen im Iran nutzen die Messenger-App Telegram - das entspricht der Hälfte der Bevölkerung. Nun will die Regierung den Dienst im Iran sperren und durch eine eigene App ersetzen. Der Schritt sei "hinsichtlich der nationalen Sicherheit" enorm wichtig, da Telegram bei den jüngsten politischen Krisen "eine destruktive Rolle" gespielt habe, sagte Alaeddin Borudscherdi, Leiter des Sicherheitsausschusses im Parlament. Gemeint waren die regimekritischen Unruhen um den Jahreswechsel, bei denen sich unter anderem Frauen über die gesetzliche Pflicht zum Tragen eines Schleiers hinwegsetzten. Die vom russischen Entwickler Pawel Durow entwickelte Chat-App hatte den Demonstranten als Kommunikationsmittel gedient, um Videos und Bilder im Iran und ins Ausland zu verbreiten. Das iranische Parlament weiß von nichts Daraufhin hatte der islamische Klerus auf die Sperrung der App gedrungen. Die Regierung von Präsident Hassan Rouhani ist zwar gegen ein Verbot der App, da es elementare Bürgerrechte verletze: Es könne ja auch nicht ein Buch verboten werden, nur weil einigen der Inhalt nicht gefalle, sagte Rouhani. Er konnte sich mit dieser Sichtweise jedoch offenkundig nicht gegen das konservative Lager durchsetzen. Das iranische Parlament ist eigenen Angaben zufolge in die Entscheidung nicht einbezogen worden. "Das Thema wurde im Parlament zwar besprochen, aber es wurde keine Entscheidung getroffen", sagte der Abgeordnete Dschalil Rahimi Dschahanabadi der Nachrichtenagentur Isna. Nationale Sicherheit könne nicht über eine Verletzung der Kommunikationsfreiheit erreicht werden - eher führe es zu "sozialen Unsicherheiten", den Bürgern ihre Freiheit vorzuenthalten. Komplizierte Formeln einfach ausradieren In sozialen Netzwerken kritisieren viele Iraner das Verbot - oder äußern Zweifel an seiner Wirksamkeit. Ein Twitter-Nutzer assoziierte das Verbot mit dem sarkastischen persischen Sprichwort, dass man zu komplizierte mathematische Formeln einfach ausradieren solle. Ein anderer nannte den Beschluss ein "peinliches Eigentor" und erinnerte an das Verbot von Satellitenfernsehen mit dem Ergebnis, dass auf fast allen Dächern des Iran nun Satellitenschüsseln installiert seien. Das Verbot von Telegram zu umgehen, dürfte für junge Iraner kein Problem sein: Auch andere verbotene Dienste wie Twitter und Facebook nutzen viele über einen VPN-Client, über den sie eine verschlüsselte Verbindung zum Internet aufbauen können. Auf der iranischen Chat-App Sorusch, die als staatlich gebilligter Telegram-Ersatz dienen soll, haben sich Schätzungen zufolge bislang nur drei Millionen Nutzer angemeldet. | /ausland/iran-telegram-101.html |
2018-03-01 | Leichtes Aufatmen in Brüssel | Nach US-Zollentscheidung | Vorerst keine neuen Zölle seitens der USA - die Nachricht wird in der EU mit Erleichterung aufgenommen. Einerseits. Doch der heraufziehende Handelskrieg mit China dürfte auch Europa belasten.
mehr | Vorerst keine neuen Zölle seitens der USA - die Nachricht wird in der EU mit Erleichterung aufgenommen. Einerseits. Doch der heraufziehende Handelskrieg mit China dürfte auch Europa belasten. Die EU atmet leise auf, aber die Sorgen bleiben. Die Entscheidung der USA, die Staaten der Europäischen Union von Zöllen auf Aluminium und Stahl auszunehmen, wird in Brüssel begrüßt, aber zunächst als vorläufig begriffen. Zugleich fürchten die EU-Staaten, von einem Handelskrieg zwischen den USA und China in Mitleidenschaft gezogen zu werden. Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici sagte zu Beginn des zweiten Tags des EU-Gipfels in Brüssel, die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump sei ein Fortschritt. Weitere Verhandlungen seien aber nötig. Dies ergibt sich auch aus dem Kleingedruckten, denn die Ausnahmen auf die von heute an geltenden Zölle will die US-Regierung zunächst nur bis zum 1. Mai gewähren. In der Zwischenzeit soll weiter über die wechselseitigen Handelsbedingungen gesprochen werden. Allein daraus ergibt sich: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Trump am Ende doch noch zusätzliche Zölle verhängt. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier erwartet deshalb weitere intensive Gespräche. Im Deutschlandfunk begrüßte er aber, dass zunächst eine Situation großer Unsicherheit vermieden worden sei. Und China? Altmaiers Blick richtet sich hier auf Deutschland und die EU. Deutliche Unsicherheit auch bei der Wirtschaft hierzulande lösen indes die zusätzlichen Zölle aus, mit denen die USA Importe aus China belegen wollen. "Uns kann das nicht zufriedenstellen", sagte der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Martin Wansleben, im ARD-Morgenmagazin. "Wir alle sind auch ein bisschen China, denn wir sind ja sehr stark Kunden und Lieferanten von China." Habe Deutschlands wichtigster Handelspartner Schwierigkeiten, komme das bei den hiesigen Unternehmen an. "Das hängt alles mit allem immer zusammen." Auch Dieter Kempf, Präsident des Bundesverbands der Industrie, bezeichnete das Vorgehen der USA als "äußerst besorgniserregend". Mit ihrem Alleingang riskierten die USA eine Eskalation des Handelskonflikts mit China und allen Staaten, die weiterhin von den Zöllen betroffen sind, so der BDI-Präsident. Die Welthandelsorganisation müsse stattdessen als Hüterin des Welthandels gestärkt werden. Peking deutet Reaktionen an Dass China gewillt ist, auf die US-Zölle zu reagieren, machte die Führung des Landes umgehend deutlich - mit Zöllen im Umfang von drei Milliarden Dollar, wie das Pekinger Handelsministerium mitteilte. Auf US-Schweinefleisch könnte demnach ein Einfuhrzoll in Höhe von 25 Prozent erhoben werden. Für Stahlrohre, Früchte und Wein wurden Zölle in Höhe von 15 Prozent ins Spiel gebracht. Insgesamt habe China eine Liste von 128 US-Produkten erstellt, auf die Zölle erhoben werden könnten. Das Handelsministerium rief die USA dazu auf, den Konflikt noch durch Gespräche zu lösen. Beobachter werteten den zunächst verhältnismäßig geringen Umfang der von Peking geplanten Strafen als Zeichen, dass es China nicht unmittelbar auf eine Eskalation ankommen lassen will. Dennoch rücke nun ein ausgewachsener Handelskonflikt der beiden größten Volkswirtschaften näher. Unruhe an den Börsen Die Märkte reagierten mit ausgesprochener Nervösität auf die Entscheidung der USA. An vielen Handelsplätzen gaben die Kurse spürbar nach. Besonders kräftig ging es in Japan abwärts. An der Börse in Tokio schloss der Index Nikkei 225 um immerhin 4,5 Prozent niedriger bei 20 617,86 Punkten. In China selbst sah die Lage kaum besser aus: Der CSI 300 mit den 300 wichtigsten Werten des Festlands fiel im späten Handel noch einmal um annähernd vier Prozent. Der Hongkonger Hang Seng büßte mehr als drei Prozent ein. In Südkorea fielen die Kurse in ähnlicher Größenordnung, während der australische Markt etwas weniger in Mitleidenschaft gezogen wurden. Allerdings kann bei all diesen Entwicklungen auch nicht ausgeschlossen werden, dass die Kurse von den jüngsten Personalrochaden im Weißen Haus mit beeinflusst wurden. Die Berufung von John Bolton zum neuen Sicherheitsberater des Präsidenten könnte die "America first"-Haltung Trumps noch verstärken und sich auch verschärfend auf internationale Konflikte auswirken. Unmittelbar vor Inkrafttreten Zölle am Freitag hatte US-Präsident Donald Trump die Länder der Europäischen Union vorerst von den Strafzöllen auf Stahl- und Aluminiumimporte befreit. Die Ausnahme gilt auch für die Länder Argentinien, Brasilien, Australien, Südkorea sowie für die US-Nachbarn Mexiko und Kanada. Zugleich kündigte die US-Regierung an, China mit milliardenschweren Strafzöllen belegen zu wollen. | /wirtschaft/usa-zoelle-eu-china-105.html |
2018-03-01 | Autos rufen selber Hilfe | eCall wird Pflicht | Alle in der EU neu zugelassenen Automodelle müssen von nun an eCall haben. Das Notrufsystem wählt bei einem Unfall selbstständig die 112. Die EU hofft auf halbierte Rettungszeiten und bis zu 2500 Tote weniger pro Jahr.
mehr | Alle in der EU neu zugelassenen Automodelle müssen von nun an eCall haben. Das Notrufsystem wählt bei einem Unfall selbstständig die 112. Die EU hofft auf halbierte Rettungszeiten und bis zu 2500 Tote weniger pro Jahr. Autos die bei einem Unfall selbstständig den Notruf wählen - das ist ab heute in der EU Pflicht. Das Notfallsystem eCall muss in allen neu zugelassenen Modellen eingebaut sein. "eCall hat das Potenzial, viele Menschenleben zu retten, indem es die Reaktionszeit der Rettungsdienste verkürzt", erklärte der Vorsitzende des europäischen Herstellerverbands, Erik Jonnaert. Das neue System stellt nach einem Unfall automatisch eine Sprachverbindung zur nächsten Rettungsleitstelle her. Falls die Insassen nicht reagieren, können auf Grundlage von GPS-Daten direkt Rettungsdienste zum Unfallort geschickt werden. Rettungszeiten sollen halbiert werden Die EU hofft, dass sich die Reaktionszeiten der Rettungskräfte auf dem Land um 50 und in der Stadt um 40 Prozent verringern. Der Berufsverband Rettungsdienste weist darauf hin, dass diese Erwartungen für Deutschland wohl schwer zu erfüllen seien. Im bundesweiten Durchschnitt dauert es laut dem Vorsitzenden Marco König derzeit knapp zehn Minuten, bis nach einem Notruf ein Retter am Unfallort ist. Eine Verringerung um 50 Prozent würde bedeuten, dass es nur noch fünf Minuten wären. Kaum realistisch, meint König. Da spielten ganz andere Faktoren eine Rolle als nur der rasche Anruf bei der Leitstelle, etwa die Logistik der Rettungswagen. In anderen EU-Staaten dauert es dagegen länger, bis Hilfe kommt - laut dem österreichischen Roten Kreuz bis zu 20 Minuten. Experten zufolge sinkt die Überlebenschance bei lebensgefährlich Verletzten pro Minute um zehn Prozent. Die EU-Kommission rechnet vor, dass europaweit mit eCall bis zu 2500 Menschenleben pro Jahr gerettet werden könnten. Das Europaparlament geht von bis zu 1500 aus. Derzeit sterben jährlich etwa 25.000 Menschen auf europäischen Straßen. Wie funktioniert das System? Das Notrufsystem funktioniert über eine im Auto eingebaute Sim-Karte. Wenn es kracht und etwa der Airbag ausgelöst wird, wird automatisch die europäische Notrufnummer 112 gewählt und die Position des Fahrzeugs an die Rettungsdienste übertragen. Fahrer können den Notruf auch selbst über einen Knopf wählen, wenn sie etwa Zeugen eines Unfalls werden oder eine Herzattacke erleiden. Der Notruf ist kostenlos. Abgesichert ist das System durch einen Notakku, falls die Autobatterie beim Unfall ausfällt. Die Positionsdaten werden erst im Fall eines Unfalls übermittelt. Eine dauerhafte Überwachung soll durch eCall nicht möglich sein. | /ausland/e-call-101.html |
2018-03-01 | Was ist der Europäische Haftbefehl? | Nach Puigdemont-Festnahme | Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen. Was genau das ist, und wie es nun weitergeht, erklärt Alex Krämer. | Der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont wurde aufgrund eines Europäischen Haftbefehls festgenommen. Was genau das ist, und wie es nun weitergeht, erklärt Alex Krämer. Den Europäischen Haftbefehl gibt es sei 2004. Ziel war es damals, die oft mühseligen Auslieferungsverfahren zwischen den EU-Ländern zu vereinfachen. Hintergrund: Der Wegfall von Grenzkontrollen. Denn wenn Verdächtige sich dadurch leichter ins Ausland absetzen können, dann hat die Justiz natürlich ein Interesse daran, sie dort trotzdem relativ einfach festsetzen zu können. Ein europäischer Haftbefehl, den die Justiz eines EU-Landes ausgestellt hat, gilt deshalb in der gesamten Europäischen Union. Etwas vereinfacht gesagt, macht es für die deutsche Polizei also erst mal keinen Unterschied, ob ihr ein deutscher Haftbefehl vorliegt oder ein europäischer. Sie setzt in beiden Fällen den Gesuchten erst einmal fest. Die Politik hat sich rauszuhalten Bei der Prüfung eines europäischen Haftbefehls gelten für die Justiz dann strenge Fristen: Innerhalb von 60 Tagen muss sie über eine Auslieferung entscheiden - wenn der Gesuchte der Auslieferung zustimmt, sogar innerhalb von zehn Tagen. Im Vergleich zu Auslieferungen in Nicht-EU-Länder ist die Prüfung bei einem europäischen Haftbefehl einfacher: Manche Prüfungsschritte, die sonst üblich sind, fallen weg, für die Ablehnung einer Auslieferung gelten höhere Hürden. Und: Politische Erwägungen dürfen keine Rolle spielen - es entscheidet alleine die Justiz. Die Justizbehörden der beteiligten Länder arbeiten dabei direkt zusammen, ohne Umweg über die Diplomaten in den Außenministerien. Kein Auslieferungsautomatismus Eine Prüfung der Auslieferung gibt es aber trotz aller Vereinfachungen durchaus. Dafür sind im Fall Puigdemont jetzt das Oberlandesgericht und die Generalstaatsanwaltschaft in Schleswig zuständig. Ein Knackpunkt dabei könnte werden, ob denn die Rebellion, die die spanischen Behörden Puigdemont vorwerfen, auch in Deutschland strafbar ist - ob es also im deutschen Gesetz einen Straftat-Bestand gibt, der dem spanischen zumindest ausreichend ähnelt. Dass Puigdemont nicht schon längst in seinem Exil-Land Belgien festgesetzt wurde, liegt übrigens daran, dass der jetzt vollstreckte europäische Haftbefehl erst am vergangenen Freitag erlassen wurde. Im November gab es zwar schon mal einen, aber den hatte das oberste spanische Gericht Anfang Dezember wieder zurückgezogen. | /ausland/europaeischer-haftbefehl-105.html |
2018-03-01 | Zehntausende demonstrieren in Barcelona | Nach Festnahme Puigdemonts | Die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Puigdemont hat unter seinen Anhängern für Zorn gesorgt. Zehntausende demonstrierten in Barcelona. Fast 100 wurden verletzt. Von Marc Dugge. | Die Festnahme des ehemaligen katalanischen Regierungschefs Puigdemont hat unter Unabhängigkeitsbefürwortern für Zorn gesorgt. Zehntausende demonstrierten in Barcelona. Fast 100 wurden verletzt. "Befreit unseren Präsidenten" steht auf den Zetteln, die Demonstranten an die Fassade des Konsulats geklebt haben. Und auf die Straße hat jemand "Demokratie ist kein Verbrechen“" gesprüht. Auf Deutsch versteht sich. Denn die Blicke und Hoffnungen vieler Separatisten richten sich jetzt gen Norden. Mehrere Hundert Menschen haben sich vor dem Konsulat versammelt. Unter ihnen auch die 60-jährige Rosa. "Auf Spanien können wir nicht vertrauen, also vertrauen wir jetzt auf Deutschland", sagt sie. Den spanischen Staat hält sie für "faschistisch", die Vorwürfe gegen Puigdemont für unbegründet. Auch ein junger Mann hofft, dass Deutschland einlenken wird. Er ist aber wenig optimistisch: Deutschland wird Puigdemont sicher nach Madrid ausliefern. Spanien hat doch großen Rückhalt in der EU und auch in Deutschland. Die wollen nicht, dass Katalonien geht, weil es 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet. Ohne Katalonien kann Spanien seine Schulden nicht zahlen. Aufgeheizte Stimmung in Barcelona Die Stimmung unter den Demonstranten ist aufgeheizter als bei früheren Demonstrationen. "Die Zeit des Lächelns ist vorbei“, rufen einige. Manche fordern lautstark einen Generalstreik, andere sogar die Revolution. Soweit will Elsa Artadi, die Fraktionschefin der Puigdemont-Partei "Junts Pel Catalunya", nicht gehen. Aber auch sie nutzt die Gelegenheit, ihre Botschaft loszuwerden: Wir müssen weitermachen, trotz aller Drohungen und aller Ungerechtigkeit, die wir erleiden müssen, die gegen die Demokratie geht, gegen die Bürgerrechte und gegen alle Vernunft. Heute sind wir alle vereint - und wir bewahren Ruhe. Tief gespaltene Unabhängigkeitsbewegung Doch vereint ist die Unabhängigkeitsbewegung nicht, sondern tief gespalten. Und von "Ruhe bewahren" ist in Barcelona nicht viel zu spüren. Vor der Vertretung der spanischen Regierung liefern sich Polizisten und Demonstranten teils heftige Rangeleien. Die Polizisten schießen in die Luft - und gehen auch mit Schlagstöcken gegen Demonstranten vor. Auch in anderen Orten Kataloniens gibt es Protestaktionen. So sperren Demonstranten mehrere Landstraßen und Autobahnen ab und sorgen für lange Staus. Die Bilder der Entrüstung dürften aber nicht täuschen, erklärt Inés Arrimadas, Katalonien-Chefin der liberal-konservativen Ciudadanos: "Heute gehen viele auf die Straße, um ihre Empörung zu zeigen. Aber es gibt auch sehr viele, die zu Hause bleiben werden, die ebenfalls empört und sehr traurig und sehr besorgt darüber sind, was die Unabhängigkeitsbewegung, was die letzte katalanische Regierung auf verantwortungslose Weise angerichtet hat." Für ihren Parteigenossen Albert Rivera ist damit die Flucht des "Putschisten Puigdemont" zu Ende. Er sei ein Mann, der die spanische Demokratie habe "zerstören" wollen. Mit der Festnahme von Puigdemont ist wieder deutlich geworden, wie tief der Riss ist, der durch Katalonien geht. Separatisten und Spanientreue hoffen jetzt auf die deutsche Justiz - wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen. | /ausland/puigdemont-235.html |
2018-03-01 | So kontrolliert man seine Daten | Umgang mit Facebook | Seit dem Datenskandal beschäftigen sich viele Nutzer mit ihren Datenschutzeinstellungen. Wie kann man Facebook das Datensammeln erschweren oder den eigenen Account löschen? Dominik Lauck gibt Antworten.
mehr | Seit dem Datenskandal beschäftigen sich viele Nutzer mit ihren Datenschutzeinstellungen. Wie kann man Facebook das Datensammeln erschweren oder den eigenen Account löschen? Welche Daten sammelt Facebook? Facebook sammelt grundsätzlich, was man bei dem sozialen Netzwerk postet, anklickt oder teilt. Aber auch versteckte Informationen - beispielsweise die in digitalen Fotos hinterlegten Exif-Daten, die Auskunft erteilen über Standort, Erstelldatum oder Gerätetyp. Facebook erfährt sogar, wenn man andere Webseiten besucht, auf denen "Gefällt mir"-Buttons eingebaut sind. Das geschieht durch sogenannte Cookies. Dadurch bekommt der Konzern Informationen über diese Nutzer, auch wenn sie gar nicht auf Facebook angemeldet sind. Kann ich vermeiden, dass Facebook diese Daten von mir sammelt? Wer bei Facebook angemeldet ist, kann das nicht vermeiden. Darauf beruht schließlich das milliardenschwere Geschäftsmodell des Konzerns. Man sollte daher darauf achten, so wenig Daten wie möglich anzugeben. Das gilt insbesondere für Daten aus dem Privatleben, persönlichen Interessen, Passwörter und Kontodaten. Warum ist die Facebook-App die größte Datenkrake? Die Facebook-App - wie auch die Apps der Tochter-Anwendungen WhatsApp und Instagram - verlangt Zugriff auf den Standort, das Adressbuch, die Kamera und das Mikrofon. Diese Daten werden auch übertragen, wenn die App geschlossen ist, denn die Apps von Facebook bleiben die gesamte Zeit im Hintergrund aktiv. Über die Einstellungen des Smartphones können die Berechtigungen aber eingeschränkt werden. Wie kann ich möglichst viele Daten vor Facebook schützen? Wer möglichst wenige Daten preisgeben möchte, sollte nicht die App nutzen, sondern Facebook über einen Browser aufrufen und den Browser so einstellen, dass Cookies nach jeder Sitzung gelöscht werden. Das gilt dann aber auch für die automatische Anmeldefunktion. Nutzer könnten auch einen Browser ausschließlich für Facebook verwenden und einen anderen zum surfen im Netz. Außerdem gibt es Browser-Erweiterungen wie "Ghostery" oder "Privacy Badger", die den Datenabfluss an Dritte verhindern. Wie kann ich überprüfen, welche Daten Facebook von mir gesammelt hat? Nutzer können sich eine Kopie der eigenen Profildaten bei Facebook besorgen. Der Download kann über die allgemeinen Kontoeinstellungen angefordert werden. Einen ersten Eindruck bekommt man schon, wenn man sich nur das eigene Aktivitätenprotokoll anschaut, das aber nur einen Teil der gesammelten Daten anzeigt. Interessant sind auch die Einstellungen für Werbung. Dort sehen die Nutzer, welche Themen Facebook mit ihnen verbindet und dementsprechend personalisierte Werbung anzeigt. Diese Einstellungen kann man bearbeiten, was Facebook sogar begrüßt - hofft der Konzern doch, so noch zielgenauere Werbung zusammenstellen zu können. Was passiert mit meinen Daten, wenn ich mein Facebook-Konto lösche oder deaktiviere? Durch die Deaktivierung des Kontos wird ein Profil zwar für andere unauffindbar. Falls der Nutzer zu einem späteren Zeitpunkt wieder einsteigen möchte, ist eine Reaktivierung aber möglich. Dementsprechend bleiben die gesammelten Daten ohne zeitliche Begrenzung auf den Facebook-Servern gespeichert. Nur durch eine endgültige Löschung des Kontos verschwinden nach Angaben von Facebook auch die Daten. Allerdings ist es gar nicht so leicht, den Account zu löschen. Wie kann ich meinen Facebook-Konto löschen? Wer seinen Account dauerhaft löschen möchte, muss einen entsprechenden Antrag an das Unternehmen stellen. Die passende Option gibt es nicht in den Einstellungen, man erreicht sie nur über diesen Facebook-Link. Der Vorgang kann mehrere Tage dauern - und wenn sich der Nutzer während der Wartezeit noch einmal einloggt, wird der Antrag annulliert. Insgesamt kann es bis zu drei Monate dauern, bis alle Daten von den Facebook-Servern wirklich gelöscht sind. Welche Alternativen gibt es zu Facebook? Es gibt alternative Dienste, die mehr Wert auf Datenschutz legen - die sind allerdings nicht ansatzweise so weit verbreitet. Für Facebook selbst sind Diaspora und Nebenan.de mögliche Alternativen. Anstelle von WhatsApp gibt es beispielsweise Threema, Telegram und Hoccer. Eine Alternative zur Bilderplattform Instagram ist EyeEm, das dem deutschen Datenschutz unterliegt. Andere große Netzwerke, wie Twitter oder Snapchat, funktionieren ganz anders als Facebook. | /wirtschaft/facebook-faq-101.html |
2018-03-01 | Liefert Deutschland Puigdemont aus? | Katalonien-Konflikt | Die Justiz in Schleswig-Holstein entscheidet über eine Auslieferung des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten nach Spanien. Puigdemont war gestern bei der Einreise aus Dänemark festgenommen worden.
mehr | Die Justiz in Schleswig-Holstein entscheidet über eine Auslieferung des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten nach Spanien. Puigdemont war gestern bei der Einreise aus Dänemark festgenommen worden. Nach seiner Festnahme wird der frühere katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont in Schleswig Holstein heute einem Amtsrichter vorgeführt. Dieser soll jedoch zunächst nur die Identität des Politikers feststellen. In der Frage, ob Puigdemont in Auslieferungshaft kommt und spanischen Behörden übergeben werden soll, muss das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht entscheiden. Dieses prüft anhand von Spanien vorzulegender Unterlagen. Die spanische Generalstaatsanwaltschaft erklärte, sie stehe in Kontakt mit ihren deutschen Amtskollegen, um eine Auslieferung Puigdemonts zu erwirken. In Spanien droht dem Katalanen wegen Vorwürfen der Rebellion und anderer Vergehen jahrzehntelange Haft. Fünf Monate nach Flucht festgenommen Fünf Monate nach seiner Flucht aus Spanien war Puigdemont gestern von der deutschen Polizei festgenommen worden. Der Unabhängigkeitsbefürworter wurde am Sonntagmorgen auf Grundlage eines europäischen Haftbefehls nahe der A7 auf dem Weg von Dänemark nach Deutschland in Gewahrsam genommen. Was genau in dem neuen europäischen Haftbefehl steht, war am Sonntag noch nicht bekannt. Der größte spanische Radiosender Cadena Ser berichtete, maßgeblich für Deutschland als Festnahmeort sei unter anderem Paragraf 82 des Strafgesetzbuches zum "Hochverrat gegen ein Land", der dem Vorwurf der Rebellion in Spanien ähnlich sei. Rebellion ist in Deutschland kein Straftatbestand. In Finnland Parlamentsabgeordnete getroffen Ein europäischer Haftbefehl ist eine Eilsache. Wird ein Gesuchter festgenommen, soll eine Entscheidung über die Vollstreckung innerhalb von zehn bis 60 Tagen erfolgen - je nachdem, ob der Betroffene seiner Auslieferung zustimmt oder nicht. Der europäische Haftbefehl - abgekürzt EuHb - gilt in allen EU-Ländern, auch in Belgien, wo Puigdemont zuletzt im Exil lebte. Puigdemont war nach Finnland gereist, um finnische Parlamentsabgeordnete zu treffen und eine Rede an der Universität Helsinki zu halten. Der 55-Jährige habe sich auf dem Rückweg nach Belgien befunden, sagte Puigdemonts Sprecher Joan Maria Pique. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereiterklärt, Puigdemont zu verhaften, doch offenbar hatte er das Land zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Reaktionen auf die Festnahme Nach Ansicht des CDU-Europaabgeordneten Elmar Brok sollte sich Puigdemont in Spanien vor Gericht verantworten. "Puigdemont hat eindeutig gegen spanisches Recht und gegen die Verfassung verstoßen", sagte Brok der "Neuen Osnabrücker Zeitung". "Ihm ist zu raten, die Sache friedlich zu beenden." In Spanien fielen die Reaktionen auf die Festnahme unterschiedlich aus. Albert Rivera, der Vorsitzende der prospanischen Partei Ciudadanos, äußerte sich positiv. Die Justiz habe ihre Arbeit getan gegen jemanden, der versucht habe, eine europäische Demokratie zu zerstören und dabei Gesetze zu ignorieren, schrieb er auf Twitter. Puigdemonts Anhänger brachten dagegen ihre Hoffnung zum Ausdruck, dass Deutschland dem spanischen Auslieferungsantrag nicht nachkomme. Auf den Straßen von Barcelona wurde für und gegen Puigdemont demonstriert. Zehntausende Menschen kamen in der Millionenstadt und anderswo zusammen, um ihrem Unmut über die Festnahme am Sonntag Luft zu machen. Einige davon gerieten mit der Polizei aneinander. Weitere Strafverfahren eingeleitet Spaniens Oberstes Gericht hatte am Freitag Strafverfahren gegen 13 katalanische Politiker eingeleitet - unter ihnen auch der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont. Den hochrangigen Politikern soll der Prozess wegen Rebellion, Veruntreuung und Ungehorsam gemacht werden. Im Falle einer Verurteilung droht den Angeklagten bis zu 30 Jahre Haft. Gegen Puigdemont und vier Mitglieder seiner abgesetzten Regierung seien Europäische Haftbefehle ausgestellt worden, hatte das Gericht mitgeteilt. Ein weiterer Haftbefehl richtet sich gegen Marta Rovira von der Separatistenpartei ERC, die die Abspaltungsbemühungen unterstützt haben soll. Sie soll sich in die Schweiz abgesetzt haben. Gegen Puigdemont war schon einmal Haftbefehl ausgestellt worden, nachdem er sich nach Belgien abgesetzt hatte. Später zogen die spanischen Behörden diesen aber wieder zurück. Gericht stoppt Regierungsbildung in Katalonien Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war. Die katalanische Regionalregierung hatte im vergangenen Herbst das Gebiet in Nordosten des Landes nach einer illegalen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Daraufhin setzte die Zentralregierung Puigdemont ab und löste das Parlament auf. Bei Neuwahlen gewannen separatistische Parteien gemeinsam zwar erneut eine Mehrheit, schafften es bisher aber nicht, einen neuen Regionalpräsidenten zu wählen. | /inland/puigdemont-deutschland-101.html |
2018-03-01 | Toter bei Raketenangriff auf Riad | Beschuss aus dem Jemen | Bei einem Raketenangriff der schiitischen Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf Saudi-Arabien ist ein Mensch getötet worden. Zwar wurden alle sieben Raketen abgefangen. Durch Trümmerteile starb jedoch ein Mensch in Riad.
mehr | Bei einem Raketenangriff der schiitischen Huthi-Rebellen aus dem Jemen auf Saudi-Arabien ist ein Mensch getötet worden. Zwar wurden alle sieben Raketen abgefangen. Durch Trümmerteile starb jedoch ein Mensch in Riad. Schiitische Rebellen im Jemen haben mehrere ballistische Raketen auf Saudi-Arabien abgefeuert. Die Streitkräfte im Königreich meldeten, sie hätten am späten Abend zwar sieben Geschosse abgefangen. Doch seien über Riad Trümmerteile einer Rakete auf ein Wohngebiet gefallen, berichtete die amtliche saudi-arabische Nachrichtenagentur SPA. Ein Mann kam dabei ums Leben, zwei weitere Menschen wurden verletzt. Es waren die ersten Todesopfer in Saudi-Arabiens Hauptstadt seit Beginn des vom Königreich geführten Kriegs im Nachbarland. Bei vorangegangenen Raketenangriffe jemenitischer Rebellen auf andere Landesteile hatte es bereits Tote gegeben. In dem Konflikt stehen sich die schiitischen Huthi-Rebellen und Jemens Regierung gegenüber, die von einem sunnitschen Militärbündnis unter Führung Riads unterstützt wird. Mehr als 10.000 Menschen kamen bisher um. Der Krieg begann im September 2014, als die Huthis und ihre Verbündeten die Hauptstadt Sanaa einnahmen und in den Süden des Landes marschierten. Angriff auf König-Khaled-Flughafen Jüngste Raketenangriffe auf Saudi-Arabien hätten dem internationalen König-Khaled-Flughafen und anderen Orten gegolten, berichtete der von den Aufständischen betriebene Sender Al-Masira. Beim staatlichen saudi-arabischen Nachrichtensender Al Arabija war Bildmaterial zu sehen, das Abfangraketen vom Typ Patriot beim Einsatz gegen eine der Geschosse zeigt. Huthi-Attacken mit ballistischen Raketen erfolgen mit immer größerer Reichweite. Den etwa 1000 Kilometer entfernten König-Khaled-Flughafen hatten die Rebellen erst im November als Ziel ihrer Angriffe gewählt, woraufhin die von Saudi-Arabien geführte Militärkoalition ihre Angriffe verstärkte. Bislang ist unklar, wie das Königreich auf den jüngsten Raketenbeschuss reagieren wird. Der Vorfall dürfte auch für neue Kritik an der Rolle des Iran im Jemen-Konflikt sorgen. Mögliche Verbindungen nach Teheran Der Sender Al-Masira berichtete, bei einigen der eingesetzten Raketen habe es sich um Geschosse vom Typ Burkan gehandelt. Aus Sicht der Vereinten Nationen, westlichen Länder und der von Riad geführten Militärkoalition weisen Burkan-Raketen gewisse Ähnlichkeiten mit der iranischen Kiam-Rakete auf. Dies lege den Schluss nahe, dass Teheran die Technologie entweder mit den Huthis geteilt oder Raketenteile für deren Montage in den Jemen geschmuggelt habe. Iran bestreit seit langem, die Huthis mit Waffen zu versorgen. Die USA stellen der von Saudi-Arabien geführten Koalition logistische Hilfe und Waffen bereit, was ebenfalls für Kritik sorgt. Denn bei den Luftangriffen des Militärbündnisses kommen viele Zivilisten um. Und eine Blockade jemenitischer Häfen hat das ohnehin verarmte Land an den Rand einer Hungerkrise gebracht. | /ausland/raketen-riad-101.html |
2018-03-01 | Erdogan will immer noch in die EU | EU-Türkei-Treffen | Der türkische Präsident Erdogan hat gefordert, den eingefrorenen EU-Beitrittsprozess seines Landes wiederaufzunehmen. Vor einem Gipfeltreffen mit EU-Vertretern ging er aber auch auf Konfrontationskurs.
mehr | Der türkische Präsident Erdogan hat gefordert, den eingefrorenen EU-Beitrittsprozess seines Landes wiederaufzunehmen. Vor einem Gipfeltreffen mit EU-Vertretern ging er aber auch auf Konfrontationskurs. Die Türkei strebt nach den Worten von Präsident Recep Tayyip Erdogan weiter die Vollmitgliedschaft in der Europäischen Union an. "Der Beitritt zur EU bleibt unser strategisches Ziel", sagte Erdogan vor seiner Abreise zum EU-Türkei-Gipfel im bulgarischen Warna. Er warf aber zugleich der EU "Heuchelei" und "Doppel-Standards" gegenüber seinem Land vor. Erdogan sagte, er werde "gewissen Kreisen nicht erlauben, die Türkei daran zu hindern, der EU als respektiertes, gleichberechtigtes und volles Mitglied beizutreten". Er hoffe, dass der Gipfel "positive Entwicklungen" in den Beziehungen erlauben werde. Erdogan hatte 2005 die offizielle Aufnahme von Beitrittsgesprächen erreicht, doch steckt der Prozess seit langem fest. Er erwarte, "dass die politischen und künstlichen Hindernisse, mit denen unser Land während der Beitrittsverhandlungen konfrontiert wurde, aus dem Weg geräumt werden" und der Beitrittssprozess wiederbelebt werde. Hält die EU ihre Zusagen ein? Gleichzeitig wolle er auch die Einhaltung der EU-Versprechen zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei anmahnen. Er hatte kürzlich gesagt, die EU habe die dafür zugesagten drei Milliarden Euro bislang noch nicht überwiesen. Die Türkei habe verhindert, dass die Ägäis sich in einen "Friedhof für Flüchtlinge" verwandelt habe, sagte er. "Leider hat die Europäische Union, was ihre eigenen Verpflichtungen betrifft, nicht die Ehrlichkeit und Loyalität gezeigt, die wir ihr entgegengebracht haben, und sie tut es nach wie vor nicht." Die EU-Kommission erklärte hingegen, eine erste Finanzspritze von drei Milliarden Euro sei aufgebraucht. Da die Vereinbarung zwischen der Türkei und der EU funktioniere, werde man dem Land weitere drei Milliarden Euro zur Versorgung der Flüchtlinge bereitstellen. Erdogan fordert energischen "Kampf gegen den Terror" Der türkische Präsident forderte von der EU außerdem eine "bedingungslose Unterstützung" des türkischen "Kampfes gegen den Terror". Die EU-Staaten müssten energischer gegen Anhänger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK vorgehen. Es gebe Schritte in die Richtung, aber "sie sind weit davon entfernt, unseren Erwartungen zu entsprechen". Die Türkei erwarte von der EU eine Zusammenarbeit bei der Bekämpfung des Terrorismus "ohne Wenn und Aber". Das sei Voraussetzung dafür, dass das Vertrauen auf beiden Seiten wieder aufgebaut werden könne. Die türkische Armee war in Syrien einmarschiert, um dort die Kurdenmiliz YPG zu bekämpfen. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte das türkische Vorgehen gegen die Kurden in der syrischen Region Afrin scharf verurteilt. "Bei allen berechtigten Sicherheitsinteressen der Türkei ist es inakzeptabel, was in Afrin passiert", sagte sie. Auch der österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz kritisierte die Militäroffensive. Belastetes Verhältnis Erdogan trifft am Abend mit EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Ratspräsident Donald Tusk zu einem Arbeitsessen zusammen. Er wird begleitet von Außenminister Mevlüt Cavusoglu, Europaminister Ömer Celik und weiteren Kabinettsmitgliedern. Angesichts der Vielzahl an Streitpunkten zwischen den Partnern wird mit schwierigen Gesprächen gerechnet. Die EU hatte der Türkei im Vorfeld "fortgesetzte illegale Handlungen" im Mittelmeer vorgeworfen, was diese als "inakzeptabel" zurückwies. Die türkische Marine hatte im Februar ein italienisches Bohrschiff an Gasbohrungen vor Zypern gehindert. Zudem rammte ein türkisches Patrouillenboot nahe einer zwischen Athen und Ankara umstrittenen Inselgruppe in der Ägäis ein Boot der griechischen Küstenwache. Für Besorgnis sorgt in Brüssel auch die fortgesetzte Verfolgung türkischer Regierungskritiker und die Einschränkung der Bürgerrechte unter dem Ausnahmezustand, der nach dem Putschversuch vom Juli 2016 verhängt worden war. | /ausland/eu-tuerkei-193.html |
2018-03-01 | Puigdemont in Deutschland festgenommen | Katalonien-Konflikt | Der katalanische Ex-Regionalpräsident Puigdemont ist in Schleswig-Holstein festgenommen worden, als er aus Dänemark nach Deutschland eingereist ist. Nun muss ein deutsches Gericht über eine Auslieferung entscheiden.
mehr | Der katalanische Ex-Regionalpräsident Puigdemont ist in Schleswig-Holstein festgenommen worden, als er aus Dänemark nach Deutschland eingereist ist. Nun muss ein deutsches Gericht über eine Auslieferung entscheiden. Kurz nach der Einreise aus Dänemark ist der ehemalige katalanische Regionalpräsident Carles Puigdemont am Vormittag in Schleswig-Holstein festgenommen worden. Grundlage für die Festnahme sei ein Europäischer Haftbefehl, sagte ein Sprecher des Landespolizeiamts in Kiel. Puigdemont soll am Montag dem zuständigen Amtsgericht vorgeführt werden. Zweck sei der Erlass einer gerichtlichen Festhalteanordnung, teilte Schleswig-Holsteins Vize-Generalstaatsanwalt Ralph Döpper mit. Die Vorführung diene allein der Überprüfung der Identität. "Über die Frage, ob Herr Puigdemont gegebenenfalls in Auslieferungshaft zu nehmen ist, hat dann das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig zu befinden", erklärte Döpper. Dieses prüfe anhand von Spanien vorzulegender Unterlagen. Puigdemont, der in Belgien im Exil lebt, war nach Finnland gereist, um finnische Parlamentsabgeordnete zu treffen und eine Rede an der Universität Helsinki zu halten. Der 55-Jährige habe sich auf dem Rückweg aus Finnland nach Belgien befunden, sagte Puigdemonts Sprecher Joan Maria Pique. Finnland hatte sich auf spanischen Antrag bereiterklärt, Puigdemont zu verhaften, doch offenbar hatte er das Land zu diesem Zeitpunkt bereits verlassen. Erste Reaktionen auf die Festnahme Die spanische Regierung hat sich zur Festnahme Puigdemonts bisher nicht geäußert. Eine erste Reaktion kommt von der Partei Ciudadanos, die sich gegen eine Unabhängigkeit Kataloniens ausspricht. Ihr Chef Albert Rivera schreibt auf Twitter: "Die Flucht des Putschisten Puigdemonts ist vorbei. Der Versuch, die europäische Demokratie zu zerstören, Gesetze zu umgehen, öffentliches Geld zu unterschlagen, kann nicht ungestraft bleiben." Ein Sprecher der kleinen katalanischen Separatistenpartei CUP, die Puigdemonts Regierung unterstützt hatte, bis diese von der spanischen Zentralregierung abgesetzt wurde, sagte: Der deutsche Staat müsse seinen demokratischen Willen zeigen und Puigdemont freilassen. Deutschland dürfe sich nicht an den Repressionen Spaniens beteiligen. Vorwurf der Rebellion und Veruntreuung Spaniens Oberstes Gericht hatte am Freitag Strafverfahren gegen 13 katalanische Politiker eingeleitet - unter ihnen auch der abgesetzte Regionalpräsident Puigdemont. Den hochrangigen Politikern soll der Prozess wegen Rebellion, Veruntreuung und Ungehorsam gemacht werden. Im Falle einer Verurteilung droht den Angeklagten bis zu 30 Jahre Haft. Gegen Puigdemont und vier Mitglieder seiner abgesetzten Regierung seien Europäische Haftbefehle ausgestellt worden, hatte das Gericht mitgeteilt. Ein weiterer Haftbefehl richtet sich gegen Marta Rovira von der Separatistenpartei ERC, die die Abspaltungsbemühungen unterstützt haben soll. Sie soll sich in die Schweiz abgesetzt haben. Gegen Puigdemont war schon einmal Haftbefehl ausgestellt worden, nachdem er sich nach Belgien abgesetzt hatte. Später zogen die spanischen Behörden diesen aber wieder zurück. Gericht stoppt Regierungsbildung in Katalonien Die spanische Justiz blockiert derzeit mit der Verhängung mehrerer Haftbefehle gegen katalanische Separatistenführer die Regierungsbildung in Katalonien. Das Regionalparlament in Barcelona unterbrach am Samstag die Wahl von Jordi Turull zum neuen katalanischen Präsidenten, weil Turull am Vortag festgenommen worden war. In Barcelona hielt Parlamentspräsident Roger Torrent trotz der Forderung Madrids nach einer Aussetzung an der Wahl zum Regionalpräsidenten fest. "Ich werde nicht ruhen, bis ich euch in Freiheit sehe", sagte er an seine inhaftierten Kollegen gerichtet. Im ersten Wahlgang hatte Turull aufgrund der inneren Spaltung der Unabhängigkeitsbefürworter die erforderliche absolute Mehrheit verfehlt. Der Oberste Gerichtshof Spaniens kam mit der Anordnung auf Untersuchungshaft für Turull einem zweiten Wahlgang zuvor. Der Politiker fehlte damit am Samstag im Parlament in Barcelona. Das Verfassungsgericht hatte zuvor entschieden, dass ein Kandidat im Parlament anwesend sein muss, um sich ins Amt wählen zu lassen. Die katalanische Regionalregierung hatte im vergangenen Herbst das Gebiet in Nordosten des Landes nach einer illegalen Volksabstimmung für unabhängig erklärt. Daraufhin setzte die Zentralregierung Puigdemont ab und löste das Parlament auf. Bei Neuwahlen gewannen separatistische Parteien gemeinsam zwar erneut eine Mehrheit, schafften es bisher aber nicht, einen neuen Regionalpräsidenten zu wählen. Mit Informationen von Oliver Neuroth, ARD-Studio Madrid. | /inland/puigdemont-festnahme-101.html |
2018-03-01 | Defizitäre Statistiken | Messerattacken in Deutschland | Wie viele Messerattacken gibt es in Deutschland? Und steigt die Zahl solcher Delikte? Diese Fragen werden hitzig diskutiert. Statistiken geben nur bedingt Auskunft. Von Patrick Gensing und Gabor Halasz. | Wie viele Messerattacken gibt es in Deutschland? Und steigt die Zahl solcher Delikte? Diese Fragen werden derzeit hitzig diskutiert. Statistiken geben nur bedingt Auskunft. Die AfD hat am Freitag im Bundestag von permanenten Messerattacken gesprochen, allein in Berlin seien es sieben pro Tag. Diese Annahme basiert auf einer Antwort des Senats auf eine CDU-Anfrage. Darin heißt es, 2017 habe es 2737 Taten gegeben, bei denen ein Messer als Tatmittel erfasst wurde. Diese Zahl wurde durch 365 Tage geteilt. "Tatmittel heißt nicht Messerattacke" Die Gesamtzahl, bei der ein Messer erfasst wurde, sei korrekt, teilte die Polizei in Berlin mit. Allerdings bedeute das nicht, dass in all diesen Fällen "Messerattacken" erfolgt seien. Ein Sprecher der Senatsverwaltung für Inneres sagte dem ARD-faktenfinder, es sei nicht seriös, von den erfassten Fällen auf sieben Messerattacken pro Tag zu schließen. Dies sei faktisch, rechtlich und statistisch nicht haltbar. "Messer als Tatmittel" wird bei Tötungsdelikten, Raub, Körperverletzungen auch dann erfasst, wenn ein Täter ein Messer am Hosenbund sichtbar mitführe, es aber nicht als Tatwaffe im Sinne von "Verletzungen zufügen" einsetze. Bis zu 300 Prozent mehr in "manchen Metropolen"? Die "Bild"-Zeitung hatte berichtet, in Leipzig habe es seit 2011 sogar bis zu 300 Prozent mehr Messerattacken gegeben. Die AfD griff diese Zahl im Bundestag auf. Ihr Abgeordneter Martin Hess behauptete, die Zahl sei "in manchen Metropolen um bis zu 300 Prozent gestiegen". Ein Sprecher der Polizei Leipzig betonte, dass diese Zahl nicht belastbar sei: Während die Zahlen für 2017 noch ganz zu recherchieren seien, sei dies "für 2011 aufgrund eventuell eingetretener Verjährungs-/Löschfristen nicht mehr zwingend der Fall". Wie hoch der Anstieg also tatsächlich sei, könne man nicht sagen - auch nicht prozentual. Zudem werden der Polizei Leipzig zufolge in der Statistik unter anderem Taten erfasst, bei dem sich jemand mit einem Messer verteidigt habe. Schwerer Vorfall in Niedersachsen In Niedersachsen ereignete sich am Wochenende eine schwere Messerattacke. Nach einem Streit mit Jugendlichen in Burgwedel wurde eine Frau niedergestochen. Die 24-Jährige kam mit lebensgefährlichen Verletzungen in ein Krankenhaus. Ein 17- und ein 14-jähriger syrischer Flüchtling stehen unter Verdacht, auf die Frau eingestochen zu haben. Ob diese Tat für einen Trend steht, lässt sich bislang nicht seriös beurteilen. Im vergangenen Jahr hatte es nach Angaben des Landeskriminalamts in Niedersachsen insgesamt 1922 Fälle gegeben, in denen "ein Messer in irgendeiner Form eingesetzt wurde". Die Zahlen waren zwischen 2012 und 2014 stabil, 2014 bis 2016 gab es jeweils einen Anstieg um 14 Prozent, 2017 wieder einen leichten Rückgang. "Kein überproportionaler Anstieg" Allerdings weist das LKA darauf hin, dass der Anteil der Delikte mit Messern insgesamt relativ gering sei, bei Raubtaten seien es beispielsweise 348 von insgesamt 3434 Fällen. "Vor dem Hintergrund dieser Fallzahlen relativiert sich der in den Jahren 2012 bis 2016 registrierte Anstieg von Straftaten mit dem Tatmittel Messer", teilte das Landeskriminalamt mit. So lag der Anteil der Taten mittels Messer 2017 demnach insgesamt bei etwa 2,8 Prozent. Seit 2015, dem Jahr, als Hunderttausende Flüchtlinge nach Deutschland kamen, sei "kein überproportionaler Anstieg zu verzeichnen". Daher sehe das LKA auch keinen akuten Handlungsbedarf. In Schleswig-Holstein war die Zahl der Delikte, bei denen die Tatwaffe Messer erfasst wurde, 2017 rückläufig. Allerdings betonte auch hier die Polizei, dass das Gesetz den Begriff "Messerattacke" nicht kenne. Daher würden in den Statistiken auch Versuchstaten aufgeführt sowie Fälle, bei denen ein Beteiligter ein Messer bei sich hatte. Zunahme in einigen Bundesländern In einigen Bundesländern wurde allerdings eine Zunahme von Delikten mit Messern beobachtet, beispielsweise in Hessen und Rheinland-Pfalz. Und der Senat für Inneres in Bremen teilte mit: Trotz eines allgemeinen Rückgangs der Gewaltkriminalität auf den niedrigsten Stand in den letzten fünf Jahren, stellt die Polizei innerhalb des Phänomens die Zunahme von Gewalttaten unter Einsatz eines Messers fest. Es geht dabei um eine Steigerungsrate von rund 20 Prozent im Vergleich zu 2014. In Baden-Württemberg hatte die Polizei in den vergangenen Jahren einen Anstieg der erfassten Taten mit Stichwaffen registriert. Für das Jahr 2017 wurden aber keine wesentliche Veränderung festgestellt - sowohl bei den Straftaten gesamt als auch bei dem Schwerpunkt der Rohheitsdelikte/Straftaten gegen die persönliche Freiheit im Zusammenhang mit dem Tatmittel Messer. Zahlen aus Pressemitteilungen Bundesweite Zahlen liegen nicht vor. Und auch in mehreren Bundesländern werden Delikte mit Stichwaffen nicht extra ausgewiesen - so beispielsweise in Bayern, Hamburg, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und NRW. Die SPD-Fraktion im Landtag von Düsseldorf fertigte daher eine eigene Aufstellung an. Sie ließ einen Praktikanten Pressemitteilungen auf dem Online-Portal "Blaulicht.de" auswerten - und kam auf 572 Angriffe mit Stichwaffen zwischen dem 1. September 2017 und dem 9. März 2018. Dies würde drei Attacken pro Tag entsprechen. Darunter finden sich beispielsweise ein Raub mit Messer in einer Kölner S-Bahn, Angriffe von Personen, die offenkundig unter Drogen standen oder psychisch krank sind und Konflikte zwischen Flüchtlingen. In der SPD-Aufstellung heißt es: "Bei Massenschlägereien zwischen Gruppen unterschiedlicher Nationalitäten und ethnischer Zugehörigkeit als auch Raubüberfällen scheinen Messer die Waffe der Wahl zu sein." "Aufwändige Erfassung" Doch Auswertungen von Online-Pressemitteilungen sind nicht ausreichend für fundierte Beurteilungen der Kriminalitätsentwicklung. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Andrè Schulz, bestätigte im Gespräch mit dem ARD-faktenfinder, die Erfassung bei Angriffen mit Messern sei defizitär: Das Tatwerkzeug (Messer) kann, muss aber nicht zwingend erfasst werden, d.h. konkrete Aussagen über Zunahmen von entsprechenden Delikten können nur vorgenommen werden, wenn gesonderte Statistiken bei den Dienststellen geführt werden - was aber selten der Fall ist. Ansonsten müssten die Akten händisch ausgewertet werden. Grundsätzlich sind belastbare Daten natürlich immer von Vorteil, aber die Umsetzung dürfte nicht einfach sein, da man eine gefährliche Körperverletzung mit zahlreichen Gegenständen oder auch in anderer Begehungsform erfüllen kann. Hier die entsprechenden Pflichtfelder bei der Erfassung einzuführen ginge zwar, ist aber verhältnismäßig aufwändig. Der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Oliver Malchow, sagte der "Welt am Sonntag", es sei "höchste Zeit, diesem Deliktphänomen auf den Grund zu gehen". Dazu gehöre auch, mit Messern begangene Straftaten bundesweit zu erfassen und Täterkategorien zu bilden. Zudem sollten härtere Strafen geprüft werden. BDK-Chef Schulz meint hingegen, das Waffenrecht sei hinsichtlich Stichwerkzeugen schon recht scharf. Messer seien in der Schule nach den Hausordnungen bereits verboten. "Und wird ein Messer eingesetzt, ist es ein Tatmittel für mindestens eine gefährliche Körperverletzung. Es ist also bereits strafbar." Er hält härtere Gesetze für überflüssig, denn tödliche Messer seien in jedem Haushalt vorhanden. Neue Statistiken? NRW wird ab 2019 seine Statistik zu Delikten mit Messern erweitern. Dabei soll unter anderem differenziert werden, um welche Art von Stichwaffe es sich handelt. Und auch Bremen erklärte auf Anfrage des ARD-faktenfinder, es werde sich nicht verschließen, wenn alle Länder die Polizeilichen Kriminalstatistiken dahingehend verfeinern würden. | /faktenfinder/kriminalitaet-statistiken-101.html |
2018-03-01 | 15 EU-Staaten weisen russische Diplomaten aus | Fall Skripal | Für die EU steckt Moskau hinter dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal in Großbritannien. Deshalb weisen 15 EU-Staaten nun russische Diplomaten aus. Auch die USA und Kanada handeln. Russland droht mit Vergeltung.
mehr | Für die EU steckt Moskau hinter dem Giftanschlag auf den Ex-Doppelagenten Skripal in Großbritannien. Deshalb weisen 15 EU-Staaten nun russische Diplomaten aus. Auch die USA und Kanada handeln. Russland droht mit Vergeltung. Als Konsequenz aus dem Giftanschlag auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal in Großbritannien weisen 15 EU-Länder russische Diplomaten aus. Das gab EU-Ratspräsident Donald Tusk bei einer Pressekonferenz im bulgarischen Warna bekannt. Es soll sich insgesamt um mehr als 30 Personen handeln, verlautete aus EU-Kreisen. Deutschland entschloss sich, vier russische Diplomaten auszuweisen. Die Entscheidung sei in enger Abstimmung innerhalb der Europäischen Union und mit NATO-Verbündeten gefallen, teilte das Auswärtige Amt mit. "Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei", begründete die Behörde die Entscheidung und erklärte: Die Ausweisung der vier Diplomaten ist ein starkes Signal der Solidarität mit Großbritannien und signalisiert die Entschlossenheit der Bundesregierung, Angriffe auf unsere engsten Partner und Alliierten nicht unbeantwortet zu lassen. Bundesaußenminister Heiko Maas hob hervor, die Entscheidung sei "nicht leichtfertig" getroffen worden. "Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland." Die Diplomaten müssen die Bundesrepublik innerhalb von sieben Tagen verlassen. Wir haben heute vier russische Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen. Denn nach dem Giftanschlag von #Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei. "Wir haben die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen", sagt AM @HeikoMaas https://t.co/2TXJa3co8H Begründet wird der Schritt auch mit dem Cyber-Angriff von Hackern auf das Auswärtige Amt mit mutmaßlich staatlichem russischem Hintergrund. Maas betonte aber auch: "Wir sind weiterhin offen für einen konstruktiven Dialog mit Russland, der zu vielen internationalen Themen notwendig bleibt." EU macht Russland verantwortlich Die EU-Staaten machen Russland für den Giftanschlag in Südengland verantwortlich. Die 28 EU-Regierungen hatten in einer Erklärung des EU-Gipfels am Freitag den Anschlag "in schärfster Weise" verurteilt. Wie Deutschland forderte Frankreich vier Mitarbeiter auf, das Land zu verlassen, Dänemark und die Niederlande je zwei und Tschechien drei. Unter anderen auch Finnland Polen, Italien und die baltischen Staaten schlossen sich der Entscheidung an. Auch die Nicht-EU-Länder Ukraine und Albanien wiesen Diplomaten aus. Großbritannien und Russland hatten bereits die Ausweisung von 23 Diplomaten des jeweils anderen Landes angeordnet. Der britische Außenminister Boris Johnson sprach von einer "außergewöhnlichen internationalen Reaktion unserer Verbündeten". Sie zeige, dass Russland nicht straflos internationale Regeln brechen könne. Es handele sich um "die größte kollektive Ausweisung russischer Geheimdienstoffiziere, die jemals erfolgt ist". Großbritanniens Verteidigungsminister Gavin Williamson meinte, die Rückendeckung zahlreicher Länder für Großbritannien sei eine Niederlage für den russischen Präsidenten Wladimir Putin. USA weisen 60 Diplomaten aus Auch die USA vermuten Russland hinter dem Giftanschlag und weisen deshalb 60 russische Geheimdienstmitarbeiter aus. Zwölf von ihnen sind laut Weißem Haus bei den Vereinten Nationen in New York stationiert. Betroffen von den Ausweisungen seien russische Agenten, die in hohem Maße damit beschäftigt seien, "aggressiv Informationen zu sammeln", hieß es weiter vonseiten der US-Regierung. Um welche Informationen es sich handelt, wollte ein hochrangiger Mitarbeiter des Weißen Hauses nicht sagen. US-Präsident Donald Trump verfügte zudem die komplette Schließung des russischen Konsulats in Seattle. Dieses werde für Spionageaktivitäten gegen eine nahegelegene U-Boot-Basis sowie gegen die Fabrik des Flugzeugherstellers Boeing genutzt, hieß es zur Begründung. Die 60 Russen hätten sieben Tage Zeit, das Land zu verlassen. Mit den Ausweisungen demonstrierten die USA ihre "unverbrüchliche Solidarität" mit Großbritannien, erklärte das US-Außenministerium. Sie seien eine Antwort auf die "fortgesetzten Verstöße" Russlands gegen die internationalen Regeln. Nach den Ausweisungen würden immer noch mehr als 40 bekannte russische Geheimdienstmitarbeiter im Land tätig sein, sagte ein US-Regierungsmitarbeiter. Kanada schloss sich der Entscheidung ebenfalls an und verwies vier russische Diplomaten des Landes. Bei dem Anschlag im britischen Salisbury März Skripal und seine Tochter am 4. März schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitigem Ermittlungsstand den in der früheren Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok. Beide befinden sich weiter im Koma. Ärzte bezeichnen ihren Zustand als ernst, aber stabil. Scharfe Worte aus Russland Es wird erwartet, dass sich Putin demnächst zu Wort meldet. Als eine erste Reaktion aus Moskau teilte das russische Außenministerium mit: "Es versteht sich von selbst, dass der unfreundliche Schritt der Ländergruppe nicht folgenlos bleiben wird." Die Maßnahmen würden nichts zur Aufklärung des Giftanschlags beitragen. Es sei lediglich eine Fortsetzung der Konfrontation und eine Provokation. Die Verbündeten Großbritanniens "folgen blind dem Grundsatz der euroatlantischen Einheit entgegen dem gesunden Menschenverstand", hieß es in einer Mitteilung. Es gebe keine objektiven Beweise, dass Moskau für den Anschlag verantwortlich sei. Unter Berufung auf den Politiker, Wladimir Dschabarow, Mitglied des Föderationsrates, meldete die staatliche Nachrichtenagentur RIA, dass nun auch 60 US-Diplomaten Russland verlassen müssten. Eine Bestätigung vom Kreml gab es dafür noch nicht. Der russische Botschafter in den USA, Anatoli Antonow sagte nach Angaben der Nachrichtenagentur Ria Nowosti, die russische Regierung sehe ihre Beziehungen zu Washington zerrüttet. Mit der Ausweisung von 60 Diplomaten werde "das Wenige zerstört, das von den russisch-amerikanischen Beziehungen übrig ist". Die Ausweisungen haben erste wirtschaftliche Folgen. der Rubel geriet unter Druck. Der Eurokurs stieg auf bis auf 71,05 Rubel, nachdem er zuvor bei 70,70 Rubel notiert hatte. Auch der US-Dollar legte zu. Der russische Aktienmarkt gab etwas nach. | /ausland/skripal-diplomaten-101.html |
2018-03-01 | Sehr viel Klartext mit Erdogan | EU-Türkei-Gipfel | Bei ihrem Gipfeltreffen haben die EU und die Türkei keine Annäherung erzielt. Die Türkei strebt weiter eine Vollmitgliedschaft in der EU an. Die allerdings machte dem Land schwere Vorwürfe.
mehr | Bei ihrem Gipfeltreffen haben die EU und die Türkei keine Annäherung erzielt. Die Türkei strebt weiter eine Vollmitgliedschaft in der EU an. Die allerdings machte dem Land schwere Vorwürfe. Bei dem EU-Türkei-Gipfel in der bulgarischen Schwarzmeerstadt Warna haben beide Seiten in wichtigen Streitfragen keine Annäherung erzielt. "Wenn Sie mich fragen, ob wir Lösungen oder Kompromisse erzielt haben - dann lautet meine Antwort: Nein", so EU-Ratspräsident Donald Tusk. Er betonte nach den Gesprächen mit dem türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan, dass die EU weiter besorgt über die Rechtsstaatlichkeit in der Türkei sei. Zudem kritisierte er die Inhaftierung von EU-Bürgern in dem Land und die türkische Blockade von Erdgasbohrungen vor Zypern. Auch die Besorgnis der EU über die türkischen Militäraktionen in Syrien habe man zum Ausdruck gebracht, sagte Tusk. Dem stimmte auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zu: "Wir denken, dass die Intervention der Türkei außerhalb des türkischen Territoriums in Konformität mit internationalem Recht und mit den Beschlüssen des UN-Sicherheitsrats zu passieren hat - er hat dies zur Kenntnis genommen." Vorwurf der "Heuchelei" Zuvor hatte Erdogan gefordert, den eingefrorenen EU-Beitrittsprozess seines Landes wiederaufzunehmen. "Unsere Kandidatur für unsere EU-Mitgliedschaft wurde im Jahr 1963 begonnen. Jetzt schreiben wir das Jahr 2018. Und wir sind immer noch nur Kandidat. Würden gerne schneller Fortschritte in Richtung des Beitritts-Ziels machen", so der türkische Präsident. Erdogan zufolge strebt die Türkei weiterhin die Vollmitgliedschaft in der EU an. Zugleich warf er der EU "Heuchelei" und "Doppel-Standards" gegenüber seinem Land vor. Das Verhältnis zwischen der EU und der Türkei ist seit mehr als eineinhalb Jahren extrem angespannt. Nach einhelliger Meinung verstößt die türkische Regierung bei ihrem Vorgehen gegen angebliche Anhänger der islamischen Gülen-Bewegung - die Erdogan für den Putschversuch im Juli 2016 verantwortlich macht - massiv gegen rechtsstaatliche Grundsätze und hat illegal Menschenrechtler und Journalisten inhaftiert. Die EU hat deswegen die Verhandlungen über einen EU-Beitritt des Landes de facto auf Eis gelegt. Immerhin eine einzige Zusage Immerhin in einem Punkt gab es eine konkrete Zusage: beim Flüchtlings-Pakt. Die Europäische Union hat die Auszahlung der zweiten Rate von abermals drei Milliarden Euro zugesagt. Den Deal am Leben zu erhalten, ist eines der Hauptanliegen der Europäischen Union. "Das ist Beschluss der Kommission. Wir stehen bereit, drei weitere Milliarden für die nächsten zwei Jahre in Aufstellung zu bringen", so Kommissionspräsident Juncker im ARD-Interview. Das war es dann aber auch mit konkreten Zusagen: Weder beim Ausbau der Zollunion noch bei der Visa-Freiheit - zwei türkischen Herzensanliegen, kann Erdogan in naher Zukunft Bewegung erwarten. Was beide Seiten sich nicht vorwerfen können, ist: Zu wenig Klartext geredet zu haben. Und klar ist auch: man wird im Dialog bleiben. Man hat vor, sich wieder zu treffen: Nach Angaben der bulgarischen Gastgeber bereits im Juni. | /ausland/eu-tuerkei-195.html |
2018-03-01 | Radikal und islamfeindlich | Trumps Sicherheitsberater | US-Präsident Trumps neuer Sicherheitsberater steht nicht nur für eine militaristische Außenpolitik. Bolton leitete auch einen Think Tank, der Desinformation über Deutschland verbreitet. Von Silvia Stöber. | US-Präsident Trumps neuer Sicherheitsberater Bolton steht nicht nur für eine militaristische Außenpolitik. Er leitete auch einen Think Tank, der Desinformation über Deutschland verbreitet. Von Silvia Stöber, tagesschau.de Hardliner, Falke, der "gefährlichste Mann der Bush-Regierung" - John Bolton, der neue Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Donald Trump ist für seine erzkonservative und militaristische Haltung bekannt. Er befürwortete nicht nur den Irak-Krieg, er ist auch gegen das Iran-Abkommen und unter Umständen für einen Präventivschlag gegen Nordkorea. Seine Aussagen kann man zum Beispiel in Gastartikeln finden, die im "Wall Street Journal" abgedruckt werden. Welche Positionen er darüber hinaus vertritt, lässt sich aus seinen Tätigkeiten schließen. So war Bolton seit 2013 Präsident des "Gatestone Institute" in New York. Der Think Tank nennt als Ziel, die Öffentlichkeit über die amerikanischen Ideale von Freiheit und Demokratie weltweit zu unterrichten. Bolton selbst wird als Anwalt für Demokratie, Menschenrechte und Gerechtigkeit vorgestellt. Am Freitag teilte das "Gatestone Institute" per Tweet mit, wie stolz man auf die Nominierung Boltons durch Trump sei. https://twitter.com/GatestoneInst/status/977118017837502464 Islamfeindliche Texte In den Publikationen des Think Tanks, der in 16 Sprachen veröffentlicht, geht es jedoch vorwiegend um den Islam, der sich in Europa und den USA ausbreite und Zerstörung und Gewalt mit sich bringe. So war in einem Text über Deutschland von 1600 Messerattacken zwischen Januar und Mai 2017 die Rede. Die Zahl beruhte jedoch nicht auf polizeilichen Statistiken, sondern war aus Pressemitteilungen der Polizei errechnet worden. Auf Anfragen eines ARD-Teams antwortete der Autor Soeren Kern nicht. Im Mai 2017 hieß es in einem Artikel, in Deutschland würden Wohnungen beschlagnahmt, um Migranten unterzubringen. Anlass war ein Fall in Hamburg: Die Behörden hatten nach der Verschärfung des Wohnraumschutzgesetzes einem Besitzer die Verfügungsgewalt über ein Haus entzogen, weil er seit 2012 mehrere Wohnungen leer stehen lassen hatte. Der Text endete mit der Frage, ob die Behörden künftig ein Maximum für erlaubten Wohnraum festlegen und Bürger mit großen Wohnungen zwingen würden, diese mit Fremden zu teilen. Vor wenigen Tagen hieß es in einer Überschrift, die durch die Migranten hervorgerufene Vergewaltigungskrise säe weiterhin Terror und Zerstörung in Deutschland. Frauen und Kinder würden auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert. Die Artikel finden weite Verbreitung auch in Deutschland, so postete beispielsweise der AfD-Politiker Thomas Rudy aus Thüringen "Gatestone"-Artikel auf Facebook. Verbindungen zu den Mercers Boltons auf der "Gatestone"-Seite veröffentlichte Texte geben dessen Sichtweisen auf Nordkorea oder Iran wieder. Am meisten gelesen werden jedoch Texte, die sich um den Islam und die europäische Migrationskrise drehen. Boltons Tätigkeiten für den Think Tank wurden mit Zahlungen in Höhe von mindestens 310.000 US-Dollar vergütet, wie die Investigativ-Plattform "The Intercept" mit Bezug auf steuerrelevante Auskünfte von "Gatestone" berichtet, die öffentlich einsehbar sind. Laut "Intercept" wird der Think Tank hauptsächlich von Nina Rosenwald finanziert, der Erbin einer Warenhauskette. Ihre Familie habe sich einst für jüdische Flüchtlinge des Zweiten Weltkriegs eingesetzt, sie aber finanziere Aktionen, deren Ziel die Verleumdung von muslimischen Migranten und Flüchtlingen sei. Als Vorstandsmitglied des Think Tanks soll im April 2017 auch Rebekah Mercer geführt worden sein. Sie ist eine Tochter des Milliardärs Robert Mercer, der unter anderem das rechtspopulistische Nachrichtenportal "Breitbart" mit Steve Bannon finanziert hatte. Rebekah Mercers Name verschwand von der "Gatestone"-Website, sobald Autoren des außenpolitischen Analyse-Blogs "Lobe Log" bei "Gatestone" um Auskunft über sie baten. Auftraggeber für Cambridge Analytica Verbindungen zwischen den Mercers und Bolton sind auch anderweitig belegt. So ist bekannt, dass Robert Mercer eine Lobbygruppe, den "John Bolton Super PAC", zwischen April 2014 und September 2016 mit fünf Millionen US-Dollar finanzierte. Das berichtet die "New York Times" mit Bezug auf Unterlagen der US-Wahlkommission. Mit seinem "Super PAC" unterstützt Bolton Kandidaten, die sich für die Wiederherstellung "der wirtschaftlichen und nationalen Sicherheit" der USA einsetzen. Boltons "Super PAC" wiederum zahlte der US-Wahlkommission zufolge mehr als eine Million US-Dollar an die Datenanalysefirma Cambridge Analytica. Mit der Zahlung floss Geld aus Boltons "Super PAC" zurück an die Datenanalysefirma, in die Mercer 2014 die Summe von 15 Millionen US-Dollar investiert hatte. Cambridge Analytica steht gerade wegen der Nutzung von Facebook-Daten unter anderem für die Wahlkampfkampagne von Trump in den Schlagzeilen. Mercers Töchter und Mitarbeiter von Cambridge Analytica haben aber längst ein neues Unternehmen namens Emerdata gegründet. Schüren von Ressentiments Nicht nur die finanziellen Verbindungen zwischen Bolton und den Mercers sind eng: Rebekah Mercer war Mitglied des Übergangsteams von Trump, das nach dessen Wahl 2016 die Präsidentschaft vorbereitete. Mercer setzte sich für die Nominierung von Hardlinern wie Michael Flynn ein. Bolton sollte ihrer Vorstellung nach Außenminister werden, wie das Magazin "New Yorker" im März 2017 berichtete. Doch konnte sie sich damals nicht durchsetzen. Die Verbindungen Boltons zu den Mercers verdeutlichen, welche Positionen diese Familie vertritt, die zu den wichtigsten Geldgebern Trumps zählt. Dazu zählt ganz offenbar nicht nur eine militaristische Außenpolitik der Stärke, sondern auch das Schüren von Ressentiments gegen den Islam. | /faktenfinder/bolton-115.html |
2018-03-01 | Letzte Hoffnung Straßburg | Festnahmen in der Türkei | Nach dem Putschversuch sind in der Türkei Tausende Menschen festgenommen worden. Betroffene klagten deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In zwei Fällen wird heute ein Urteil gefällt. Von Frank Bräutigam und Claudia Kornmeier. | Nach dem Putschversuch sind in der Türkei Tausende Menschen festgenommen worden. Betroffene klagten deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. In zwei Fällen wird heute ein Urteil gefällt. Was ist der Hintergrund der Klagen? Für den Putschversuch im Juli 2016 macht die türkische Regierung den in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen verantwortlich. Unterstützer und vermeintliche Anhänger Gülens werden seither von der Türkei strafrechtlich verfolgt. Zahlreiche Richter und Beamte wurden zudem entlassen. Betroffene hoffen seit Monaten auf Hilfe vom Gerichtshof aus Straßburg. Darunter auch die Kläger Mehmet Altan und Sahin Alpay. Was ist der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR)? Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg ist ein Organ des Europarats, nicht der Europäischen Union (EU). Mitglied im Europarat sind 47 Länder - neben den EU-Staaten sind das etwa Russland, die Schweiz und die Türkei. Der Straßburger EGMR und der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg sind zwei verschiedene Gerichte mit unterschiedlichen Aufgaben. Der EGMR wacht darüber, ob die Mitglieder des Europarats die Europäische Menschenrechtskonvention einhalten, einen internationalen Katalog von Grundrechten. Einzelne Bürgerinnen und Bürger können dafür beim Straßburger Gerichtshof klagen (Individualbeschwerde). Vorher müssen sie alle Instanzen im Heimatstaat durchlaufen haben. Hat die Klage Erfolg, stellt der EGMR eine Verletzung der Konvention fest und kann eine Entschädigung zusprechen. Die Staaten sind rechtlich an die Straßburger Urteile gebunden. Sie müssen eine festgestellte Verletzung der Menschenrechte beenden, wenn diese andauert. Was hat Straßburg bislang zur Türkei nach dem Putschversuch gesagt? Rund 30.000 Beschwerden von Inhaftierten und Entlassenen haben den EGMR rund um den gescheiterten Putsch erreicht. Davon wurden mehr als 28.000 als unzulässig abgewiesen. Das Argument: Die Kläger müssen zunächst in der Türkei alle Klagemöglichkeiten wahrnehmen. So steht es in der Menschrechtskonvention. Der EGMR ist bei diesem Kriterium streng, andernfalls könnte er die Masse an Klagen nicht bewältigen. Allerdings müssen Betroffene keine von vornherein aussichtslosen Rechtsbehelfe ergreifen. Klagen in der Türkei zählt der EGMR dazu bisher nicht. Die beiden Kläger waren aber schon vor dem türkischen Verfassungsgericht. Das Spannende an den Urteilen ist daher, dass Straßburg sich wohl erstmals inhaltlich zu den umstrittenen Fragen äußern wird. Wer sind die Kläger? Mehmet Altan ist Professor für Wirtschaft und Journalismus. Auf Can Erzinca TV machte er vor dem Putsch ein politisches Diskussionsprogramm. Der Sender wurde später geschlossen. Im September 2016 kam Altan in Untersuchungshaft und wurde später unter anderem angeklagt wegen des Versuchs, die verfassungsmäßige Ordnung zu stürzen. Im Januar stellte das türkische Verfassungsgericht eine Verletzung seines Rechts auf Freiheit sowie der Meinungs- und Pressefreiheit fest. Trotzdem lehnte das zuständige Istanbuler Gericht die Freilassung ab. Im Februar wurde Altan zu lebenslanger Haft verurteilt. Er hat Revision eingelegt. Sahin Alpay war Journalist der Zeitung "Zaman", die als Sprachrohr der Gülen-Bewegung gilt und ebenfalls verboten wurde. Er wurde im Juli 2016 verhaftet und später angeklagt. Das Strafverfahren läuft noch. Auch bei Alpay stellte das Verfassungsgericht 2018 eine Verletzung seiner Grundrechte fest. Als das zuständige Gericht in Istanbul seine Freilassung verweigerte, betonte das Verfassungsgericht vergangenen Freitag, dass seine Urteile bindend seien und sprach eine Entschädigung zu. Einen Tag später konnte Alpay das Gefängnis verlassen, wurde aber unter Hausarrest gestellt. Welche Fragen wird der EGMR beantworten müssen? Altan und Alpay sagen, ihre Rechte auf persönliche Freiheit (Artikel 5) und Meinungsfreiheit (Artikel 10) aus der Menschenrechtskonvention würden durch die U-Haft verletzt. Außerdem seien ihre Verhaftungen politisch motiviert, was die Konvention verbiete (Artikel 18). Ankara hält dagegen, die Ermittlungen würden von einer unabhängigen Justiz geführt. Außerdem dürfe ein Land im Ausnahmezustand von Verpflichtungen aus der Konvention abweichen, soweit es die Lage unbedingt erfordert (Artikel 15). Davon macht Ankara seit dem Putschversuch Gebrauch. Die Straßburger Richter könnten hier klären, ob die Voraussetzungen für so eine Art "Notstand" vorlagen und wie sich dies auf das Recht auf Freiheit auswirkt. Was würde passieren, wenn der EGMR die Türkei verurteilt? Die Umsetzung von Straßburger Urteilen liegt in der Hand der Staaten. Straßburg hat - vereinfacht gesagt - keinen Gerichtsvollzieher vor Ort. Das birgt durchaus Konfliktpotential, keineswegs nur bei Fällen aus der Türkei. Sollten die Richter die U-Haft der Journalisten für menschenrechtswidrig halten, wäre die Türkei rechtlich verpflichtet, diesen Zustand zu beenden, also: Altan aus der U-Haft freizulassen und auch den Hausarrest Alpays zu beenden. Eine Verurteilung kann Straßburg nicht verhindern. Das wäre eine weitere juristische Baustelle. Außerdem könnten die Urteile Signalwirkung für andere Fälle haben. Allerdings könnte die Türkei aber innerhalb von drei Monaten beantragen, dass die Große Kammer des Gerichtshofs die Urteile überprüft. Wie hält es die Türkei mit der Umsetzung der Straßburger Urteile? Die Türkei wird mit am häufigsten in Straßburg verurteilt und hat auch eine der schlechtesten Umsetzungsbilanzen. Gegen die Türkei sind bis Ende 2017 mehr als 3000 Urteile ergangen. Etwa 1430 Urteile waren 2016 noch nicht umgesetzt. Aktuelle Zahlen aller Mitglieder des Europarates sollen Anfang April veröffentlicht werden. Was ist aus der Beschwerde des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel geworden? Der "Welt"-Korrespondent wurde Mitte Februar aus der U-Haft freigelassen. Seine im April des vergangenen Jahres eingelegte Beschwerde in Straßburg hat sich damit aber nicht erledigt. Wann darüber entschieden wird, ist noch unklar. | /ausland/alpay-103.html |
2018-03-01 | Kein Rosinenpicken für May | EU-Gipfel zum Brexit | Die 27 übrigen EU-Staaten haben die Leitlinien für die weiteren Brexit-Verhandlungen festgelegt. Viel mehr als ein Freihandelsabkommen ist für London demnach nicht drin. Premierministerin May sprach dennoch von "Fortschritten".
mehr | Die 27 übrigen EU-Staaten haben die Leitlinien für die weiteren Brexit-Verhandlungen festgelegt. Viel mehr als ein Freihandelsabkommen ist für London demnach nicht drin. Premierministerin May sprach dennoch von "Fortschritten". Die EU hat ihre roten Linien für die Verhandlungen mit Großbritannien über die künftigen Beziehungen nach dem Brexit gezogen. Die Staats- und Regierungschefs der verbleibenden 27 EU-Staaten verabschiedeten bei ihrem Gipfel in Brüssel Leitlinien für die kommenden Gespräche. Darin lehnen sie ein "Rosinenpicken" Großbritanniens beim Zugang zum EU-Binnenmarkt in bestimmten Wirtschaftsbereichen ab. London wird aber ein "ausgewogenes, ehrgeiziges und weitreichendes Freihandelsabkommen" ohne Zölle auf Waren in Aussicht gestellt. Decision: EU27 has adopted guidelines for the future EU-UK relations after #Brexit May hofft auf "beispiellos enge" Partnerschaft Mit Verabschiedung der Leitlinien werde es in den Verhandlungen "eine neue Dynamik" geben, sagte die britische Premierministerin Theresa May. "Ich glaube, dass wir dies nun im Geiste von Zusammenarbeit, gleichfalls im Geiste von Chancen für die Zukunft angehen." Sie hoffe auf eine beispiellos enge und umfassende Partnerschaft mit der EU. Sie lobte die "erheblichen Fortschritte" bei den Verhandlungen in den vergangenen Tagen. Der Brexit ist für Ende März 2019 geplant. Danach soll eine Übergangsphase bis Ende 2020 folgen. In dieser Zeit soll Großbritannien Mitglied des EU-Binnenmarktes bleiben, aber in den Entscheidungsgremien kein Stimmrecht mehr haben. Handelsabkommen mit anderen Staaten kann London dann nur nach Genehmigung der EU in Kraft setzen. In den nächsten Monaten soll nun besprochen werden, wie es ab 2021 weiter geht. Im Oktober soll ein Austrittsabkommen stehen, das schon Eckpunkte für die künftigen Beziehungen enthalten soll. Die EU spricht in ihren Leitlinien von einer "möglichst engen Partnerschaft". Diese soll neben Handel und wirtschaftlicher Zusammenarbeit auch einen gemeinsamen Kampf gegen Terror und internationale Kriminalität umfassen sowie eine Kooperation bei Verteidigung und Außenpolitik. EU lässt Schlupfloch offen Die von London gewünschte Einbeziehung von Finanzdienstleistungen wird nicht erwähnt. May sagte dagegen vor kurzem, herkömmliche Modelle könnten nicht funktionieren. Sie wolle die "breiteste und tiefstmögliche Partnerschaft - die mehr Sektoren abdeckt und eine weitergehende Kooperation bedeutet als jedes Freihandelsabkommen heute weltweit". Sie schlägt vor, dass zumindest einzelne Branchen die EU-Regeln weiter einhalten und damit faktisch eine Brücke zum Binnenmarkt erhalten. Die EU lehnt das ab. Eine Teilnahme am Binnenmarkt nur für einzelne Branchen sei nicht möglich. Die Tiefe der Partnerschaft sei begrenzt durch die britischen Vorgaben, Binnenmarkt und Zollunion zu verlassen. Das werde unweigerlich Reibungsverluste im Handel bringen. Kontrollen seien unausweichlich. Dies werde negative wirtschaftliche Folgen haben, vor allem für Großbritannien. Sollte London seine Position aber noch einmal überdenken, sei auch die EU dazu bereit, heißt es in den Leitlinien weiter. May ließ in Brüssel kein Wackeln erkennen. Sie sprach erneut davon, man solle "eine starke künftige Wirtschafts- und Sicherheitspartnerschaft" aushandeln. Zukunft Nordirlands bleibt unklar Ein weiterer Knackpunkt der Verhandlungen bleibt Irland, das in der mühevoll befriedeten Nachbarschaft zu Nordirland und Großbritannien keine neuen Grenzzäune akzeptieren will. Für eine offene Grenze müsste Nordirland auch nach dem Brexit zum Wirtschaftsraum der EU gehören. Diese sogenannte "Auffang-Lösung" für den Fall, dass es nicht zu einem umfassenden Freihandelsabkommen zwischen Großbritannien und der EU kommt, wäre eine politische Niederlage der Regierung May. Irlands Ministerpräsident Leo Varadkar sagte, er werde die Brexit-Einigung blockieren, falls keine zufriedenstellende Lösung für die irische Grenze gefunden werde. | /ausland/eu-gipfel-brexit-103.html |
2018-03-01 | Online-Shopping soll fairer werden | EU-Parlament zu Geoblocking | Viele Klicks, viel Scrollen, und dann klappt der Online-Kauf doch nicht. Schuld ist meist das Geoblocking, mit dem EU-Bürger vom Internet-Shopping im Ausland abgehalten werden. Doch nun soll damit Schluss sein. Von Peter Kapern. | Viele Klicks, viel Scrollen, und dann klappt der Online-Kauf doch nicht. Schuld ist meist das Geoblocking, mit dem EU-Bürger vom Internet-Shopping im Ausland abgehalten werden. Doch nun soll damit Schluss sein. Ausgerechnet in der digitalen Welt sind die Grenzen der EU-Länder noch immer weitgehend undurchlässig. Doch immerhin arbeitet die EU daran, diese Grenzblockaden abzubauen. Nach der heutigen Entscheidung des EU-Parlaments sollte europaweites Shoppen im Internet deutlich einfacher werden: Die Abgeordneten brachten mit großer Mehrheit eine weitgehende Verbannung des sogenannten Geoblockings im Online-Handel auf den Weg. Bisher bedeutet das Geoblocking eine starke Einschränkung beim Onlineshopping, wo Millionen von EU-Bürgern immer wieder dieselbe Erfahrung machen wie die SPD-Europaabgeordnete Evelyne Gebhard: "Ich wollte meiner Mutter eine Kaffeemaschine kaufen. Sie lebt in Frankreich und ich war in Frankreich und habe festgestellt, dass die Maschine auf der französischen Seite des Händlers viel teurer war als auf der deutschen Seite", erzählt sie. Als sie stattdessen auf die deutsche Internetseite gehen wollte, scheiterte Gebhard. "Es funktionierte nicht. Wir wurden automatisch immer wieder auf die französische Seite umgeleitet." Händler verhindern internationale Schnäppchenjagd Diese Zwangsumleitung ist nicht die einzige Methode, mit der Onlinehändler verhindern, dass Kunden aus allen Ländern der EU auf das günstigste Angebot einer Ware zugreifen können. Manchmal lehnen sie die Bezahlung mit Kreditkarten aus bestimmten EU-Ländern ab, manchmal verweisen sie auf Zwischenhändler im Land des Käufers mit höheren Preisen. Und manchmal, so der CDU-Europaabgeordnete Andreas Schwab, blieben solche diskriminierenden Praktiken jahrelang unbemerkt. Als Beispiel nennt er den "Disneyland-Fall". Kunden aus unterschiedlichen Ländern seien durch das Tracking ihrer Herkunft zu unterschiedlichen Preisen geführt worden. Keine nationale Behörde und kein Verbraucher habe dies über Monate und Jahre bemerkt, so Schwab. "Diese Benachteiligung ist künftig nicht mehr zulässig. Es muss ein Preis für alle Europäer in gleicher Weise gebildet werden. Der kann dann hoch oder niedrig sein, aber es kann nicht sein, dass ein Italiener mehr bezahlt als ein Franzose oder ein Spanier." Eine breite Mehrheit ist dafür Eine breite Mehrheit des EU-Parlaments hat jetzt dafür gestimmt, diese Praxis zu beenden. Und damit gilt dann im Online-Handel in ein paar Monaten, was im Ladengeschäft schon längst Recht und Gesetz ist: "Wenn Sie heute als polnischer Staatsbürger einen deutschen Rewe-Markt gehen, dann darf Sie Rewe auch nicht auf der Grundlage Ihrer Nationalität abweisen", sagt Schwab. Nun habe man das Prinzip, das auf dem Binnengütermarkt existiere, auch auf dem digitalen Binnenmarkt realisiert. Wie notwendig dieser Schritt ist, hat eine Untersuchung der EU-Kommission vor zwei Jahren ergeben. Damals war das sogenannte Geoblocking, also die unterschiedliche Behandlung bestimmter Kunden auf der Grundlage ihres Wohnortes oder ihrer Nationalität, bei fast zwei Dritteln aller Online-Händler Realität. Künftig dürfen sie Kunden aus der also EU nicht mehr abweisen, müssen aber andersherum auch nicht jede Leistung erbringen. So zum Beispiel, wenn der Versand viel zu teuer wäre, "oder wenn andere nachvollziehbare Gründe da sind, dass man dann sagen kann: 'Das geht nicht!'", erläutert die Abgeordnete Gebhardt. Sollten sich Verbraucher diskriminiert fühlen, können sie nun dagegen klagen oder sich zunächst einmal an eine Clearing-Stelle wenden, die - auch das legt die neue EU-Regelung fest - in jedem EU-Land eingerichtet werden muss. Der digitale Binnenmarkt wird also durchlässiger, er wird aber nicht grenzenlos. Bei bezahlten Streamingdiensten wie Sky Go oder Spotify ist das Geoblocking ab Ende März verboten, das kostenlose Streaming etwa aus der ARD-Mediathek orientiert sich aber weiterhin an den nationalen Grenzen der Mitgliedsstaaten um die Urheber-Rechte, die innerhalb der EU noch national geregelt sind, zu schützen. | /wirtschaft/geoblocking-eu-101.html |
2018-03-01 | Wann darf Puigdemont ausgeliefert werden? | Europäischer Haftbefehl | Eine Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont ist trotz Europäischen Haftbefehls kein Automatismus. Christoph Kehlbach erklärt, welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen. | Eine Auslieferung des ehemaligen katalanischen Regionalpräsidenten Puigdemont ist trotz Europäischen Haftbefehls kein Automatismus. Welche Voraussetzungen müssen dafür erfüllt werden? Was ist ein Europäischer Haftbefehl? Der Europäische Haftbefehl wurde 2004 eingeführt, als vereinfachtes Verfahren zur Überstellung gesuchter Personen, die in einem anderen Staat der Europäischen Union (EU) festgenommen wurden. Die zuvor oft langwierigen Auslieferungsverfahren wurden durch den Europäischen Haftbefehl deutlich verkürzt. Wenn die Justizbehörden eines EU-Mitgliedstaates einen Europäischen Haftbefehl ausstellen, gilt dieser im ganzen Gebiet der EU. Der Gedanke dahinter ist: Die EU soll ein einheitlicher Raum der Sicherheit und des Rechts sein. Darum sollen die Justizbehörden der Mitgliedstaaten auch möglichst effektiv zusammenarbeiten können. Außerdem geht die EU davon aus, dass in allen Mitgliedsstaaten ein gleichermaßen hoher Standard in Sachen Rechtsstaatlichkeit besteht. Die Mitgliedstaaten, die eine Person ausliefern, können also darauf vertrauen, dass diese Person in dem anderen EU-Staat auch ein faires Strafverfahren erwartet. Wer entscheidet über die Auslieferung? Carles Puigdemont wurde in Schleswig-Holstein festgenommen. Darum ist zunächst die Generalstaatsanwaltschaft Schleswig am Zug. Sie prüft, ob die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen und erarbeitet eine Entscheidung. Kommt sie zu dem Ergebnis, dass keine Hindernisse für eine Auslieferung vorliegen, so begründet sie das und legt die Entscheidung dem Oberlandesgericht (OLG) Schleswig vor. Das OLG prüft diese Entscheidung dann. Kommen die Richter auch zu dem Ergebnis, dass die Auslieferung zulässig ist, übernimmt die Generalstaatsanwaltschaft wieder und führt die Auslieferung durch. Und die Bundesregierung? Die Bundesregierung hat die Zuständigkeit für solche Rechtshilfeverfahren auf die Bundesländer übertragen. Darum liegt der Ball jetzt bei der Generalstaatsanwaltschaft Schleswig. Allerdings sieht die Vereinbarung zwischen Bund und Ländern vor, dass in Verfahren mit politischer Bedeutung die Bundesregierung mit einzubeziehen ist und dass Bedenken der Bundesregierung Rechnung zu tragen ist. Man kann also davon ausgehen, dass die Generalstaatsanwaltschaft zumindest einen Bericht ans Justizministerium sendet und mit Berlin im Austausch steht. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte dazu am Sonntag im "Bericht aus Berlin": "Es ist ein rechtliches Verfahren, in das ich von politischer Seite jetzt nicht eingreifen möchte. (…) Die ersten Schritte sind rein juristische, die gilt es erstmal abzuwarten." Welche Voraussetzungen gelten für die Auslieferung? Es gibt eine Reihe formeller und inhaltlicher Voraussetzungen. Unter anderem müsste für die Taten, um die es geht, in Spanien eine Höchststrafe von mindestens zwölf Monaten Haft vorgesehen sein. Es darf sich also, vereinfacht gesagt, nicht um Bagatellkriminalität handeln. Außerdem sagt das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG): Eine Auslieferung ist nur dann zulässig, wenn die Tat, um die es geht, auch nach deutschem Recht strafbar wäre oder wenn sie "bei sinngemäßer Umstellung des Sachverhalts eine deutsche Straftat wäre". Von diesem Prinzip der Gegenseitigkeit gibt es wiederum Ausnahmen: Bei bestimmten Fällen schwerer Kriminalität, etwa Terrorismus, Menschenhandel oder Vergewaltigung, reicht es, wenn die Tat in dem Staat, der den Haftbefehl beantragt hat, mit einer Höchststrafe von mindestens drei Jahren bedroht ist. Wo liegt der Knackpunkt im Fall Puigdemont? In dem Erfordernis der Gegenseitigkeit. Carles Puigdemont wird im Europäischen Haftbefehl "Rebellion" und die "Veruntreuung öffentlicher Gelder" vorgeworfen. Diese Taten gehören nicht zu den aufgeführten Ausnahmen, es muss also "Gegenseitigkeit" vorliegen. Das bedeutet: Die deutschen Behörden müssen sich nun genau anschauen, welchen Sachverhalt ihre spanischen Kollegen dem Haftbefehl zugrunde legen. Im deutschen Strafgesetzbuch (StGB) gibt es zwar keine "Rebellion" allerdings stellt Paragraf 81 StGB den "Hochverrat gegen den Bund" unter Strafe. Danach wird unter anderem bestraft, wer "es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die (…) verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen". Auch die "Rebellion" des spanischen Strafrechts fordert ein Vorgehen mit Gewalt (Artikel 472, Codigo Penal). Je nachdem, wie die spanischen Strafverfolgungsbehörden ihren Haftbefehl begründet haben, könnte dieser Sachverhalt auch hier strafbar sein. Als zweites bleibt noch die Veruntreuung öffentlicher Gelder. Die ist nach deutschem Recht unstreitig strafbar. Sollte die Generalstaatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kommen, dass nur dieser eine Teil des Sachverhalts nach deutschem Recht strafbar wäre, kann sie Puigdemont auch nur deshalb ausliefern. An diese Bedingung müsste sich Spanien dann halten, könnte also Puigdemont nicht wegen Rebellion anklagen. Kann Puigdemont Asyl in Deutschland beantragen? Das ist grundsätzlich möglich. Allerdings sind die Erfolgsaussichten eines solchen Asylantrags nicht besonders hoch. Vor allem aber hätte das Asylverfahren keinen unmittelbaren Einfluss auf das Auslieferungsverfahren. Es findet gewissermaßen parallel dazu statt. Puigdemont könnte also nicht auf diesem Weg den europäischen Haftbefehl "aushebeln". Letzter Ausweg Karlsruhe? Gegen seine Auslieferung könnte sich Puigdemont auch mit einer Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht wehren. Es ist also grundsätzlich denkbar, dass am Ende Karlsruhe über eine Auslieferung Puigdemonts entscheidet. Eine Einschätzung der Erfolgsaussichten abzugeben ist allerdings schwer, weil ein entsprechender Antrag noch nicht eingegangen ist. | /ausland/faq-puigdemont-auslieferung-101.html |
2018-03-01 | EU macht Druck auf Facebook | Kommissarin fordert Aufklärung | "Ich verlange von Facebook weitere Klarstellungen." Mit starken Worten hat sich EU-Justizkommissarin Jourova an das US-Unternehmen gewendet. Ob Facebook reagiert? Jourova setzt auf verschärfte Datenschutzregeln.
mehr | "Ich verlange von Facebook weitere Klarstellungen." Mit starken Worten hat sich EU-Justizkommissarin Jourova an das US-Unternehmen gewendet. Ob Facebook reagiert? Jourova setzt auf verschärfte Datenschutzregeln. EU-Justizkommissarin Vera Jourova hat von Facebook die Aufklärung des Datenskandals gefordert. In einem Brief an Geschäftsführerin Sheryl Sandberg drängt sie auf eine Stellungnahme. Das Schreiben soll am Montag verschickt werden. "Ich verlange von Facebook weitere Klarstellungen, etwa inwieweit europäische Nutzer betroffen sind", sagte die Justizkommissarin der "Bild am Sonntag". Jourova setzt auf EU-Datenschutzregeln Jourova sprach im Zusammenhang mit der Affäre um geklaute Daten von einem "Weckruf für uns alle". Der Umgang mit persönlichen Daten könne massive Auswirkungen haben. "Da geht es letztlich um die Grundfesten unserer Demokratie", so Jourova. Die EU-Kommissarin verwies auf die verschärften europäischen Datenschutzregeln, die im Mai in Kraft treten: "Bei möglichen Strafen bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes wird sich auch Facebook sehr genau überlegen, wie Datenmissbrauch künftig verhindert werden kann", sagte die EU-Kommissarin. "Kein Gesetz kann Datenmissbrauch verhindern" Ähnlich äußerte sich auch die Bundesdatenschutzbeauftragte Andrea Voßhoff. "Mit der europäischen Datenschutzgrundverordnung verfügen wir ab Ende Mai über ein Regelwerk, das alleine schon durch die deutlich verbesserten Sanktionsmöglichkeiten eine abschreckende Wirkung haben wird", sagte Voßhoff der "Welt am Sonntag". Trotzdem erwartet sie auch in Zukunft weitere Fälle von Datenmissbrauch. "Kein noch so gutes Gesetz kann Datenmissbrauch verhindern", sagte Voßhoff. Durchsuchungen und ein Eingeständnis Die britische Analysefirma Cambridge Analytica hatte persönliche Daten von rund 50 Millionen Facebook-Nutzern mutmaßlich auf unlautere Weise eingesetzt - etwa, um US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf zu unterstützen. Am Freitag durchsuchten Ermittler der britischen Datenschutzbehörde ICO die Büros von Cambridge Analytica. Der Chef und Gründer des weltweit größten Sozialen Netzwerkes, Mark Zuckerberg, hatte zugegeben, sein Konzern habe Fehler begangen. | /wirtschaft/facebook-eu-105.html |
2018-03-01 | Durchorganisiert zum Sieg | Wahlen in Russland | Die Zustimmung für Putin war ohnehin hoch. Dennoch wurde bei der Wahl nichts dem Zufall überlassen - auch Manipulationen soll es gegeben haben. Am Ende bekam der Präsident 76,67 Prozent der Stimmen. Von S. Stöber. | Die Zustimmung für Präsident Putin war ohnehin bereits hoch. Dennoch wurde bei der Wahl nichts dem Zufall überlassen. Auch Manipulationen soll es gegeben haben. Sechs weitere Jahre für Wladimir Putin: Die Präsidentschaftswahl hat dem Amtsinhaber die gewünschte Legitimität verschafft. Schon die offiziellen Umfrageergebnisse im Vorfeld hatten nichts anderes erwarten lassen. Zudem wurde auf mehreren Ebenen daran gearbeitet, dass die Wahl nichts am Machtgefüge ändern würde. In vielen Wahllokalen gab es Lebensmittel oder auch Unterwäsche zu vergünstigten Preisen zu kaufen. Mit Musik und Tanzeinlagen vor und in den Wahllokalen wurde aus dem politischen Akt ein geselliges Ereignis. Die regierungsnahen und staatlichen Medien hatten die Wähler darauf eingeschworen, mit ihrer Stimme für Putin die Stabilität und damit die Zukunft des Landes zu sichern. Mit dieser Überzeugungsarbeit war es aber nicht getan. Auch Druck kam zum Einsatz. Mitarbeiter öffentlicher Institutionen und staatlicher Betriebe wurden angehalten, zur Wahl zu gehen und ihr Kreuz an der richtigen Stelle zu machen. Soldaten und Studenten wurden in Bussen zu den Wahllokalen gebracht und stimmten gemeinsam ab. Videos sollen Manipulationen zeigen Auf zahlreichen Videos, die im Netz kursieren, sind Wahlhelfer oder auch Wähler zu sehen, die mehrere Stimmzettel in Urnen werfen. https://twitter.com/MBKhMedia/status/975440057938141185 Die zentrale Wahlkommission selbst wies auf mutmaßliche Manipulationen hin und stellte Bilder einer Überwachungskamera aus einem Wahllokal bei Moskau zur Verfügung, auf denen Wahlhelfer Stimmzettel in die Urne stopfen. Das Innenministerium in Moskau berichtete, ihm seien 650 Fälle gemeldet worden. Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation Golos meldete bis zum Abend mehr als 2700 Manipulationsversuche, die auf einer Karte im Internet verzeichnet sind. Allerdings registrierte Golos am Wahltag weniger Verstöße als bei der Präsidentschaftswahl 2012. Damals hatte die Organisation mehr als 5000 Manipulationsversuche festgestellt. Druck auf Wahlbeobachter Jedoch stand die Organisation wie auch andere vom Staat unabhängige Wahlbeobachter massiv unter Druck. Dieser Druck habe extreme Ausmaße angenommen, "die das noch übersteigen, was wir in den letzten Jahren beobachtet haben", sagt Stefanie Schiffer, die die "Europäische Plattform für demokratische Wahlen" (EPDE) leitet. Sie verweist darauf, dass Golos seit 2012 als "ausländischer Agent" registriert ist. Seit 2015 verbiete es eine Änderung im russischen Wahlgesetz "ausländischen Agenten", als Beobachter in die Wahllokale zu gehen. Golos-Mitglieder seien bereits Wochen vor den Wahlen bei Auslandsreisen festgehalten und überprüft worden. Ein regionaler Koordinator sei vor der Wahl festgenommen worden. Golos ist neben anderen unabhängigen Beobachterorganisationen aus europäischen Staaten Mitglied der Plattform EPDE, die finanziell von der EU und dem Auswärtigen Amt in Berlin unterstützt wird. Wenige Tage vor der Wahl wurde EPDE als erste deutsche Organisation zur "unerwünschten Organisation" erklärt. Diese dürfen in Russland nicht mehr aktiv sein und nicht mehr mit russischen Bürgern oder Institutionen kooperieren. Schiffer sieht darin einen Versuch, die russische Zivilgesellschaft von denen in anderen europäischen Staaten zu isolieren. Staatlich geförderte Wahlbeobachtung Golos hatte Anfang März in einem Bericht beschrieben, wie Studenten- und Veteranenorganisationen, Gewerkschaften und Freiwillige motiviert wurden, als Wahlbeobachter aktiv zu werden und dass sie dafür finanzielle und andere Unterstützung vom Staat erhielten. Golos beschrieb mit diesem und anderen Beispielen, wie die Führung Russlands den politischen Prozess durchorganisiert und dabei unabhängige Akteure aus der Öffentlichkeit verdrängt. Ähnliches lässt sich für internationale Wahlbeobachter sagen. So lud der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im Parlament, der nationalistische Abgeordnete Leonid Sluzki, Politiker unter anderem aus Österreich, Frankreich und Italien ein, die Präsidentschaftswahl in Russland und insbesondere auf der annektierten Krim zu beobachten. Aus Deutschland reisten unter anderem AfD-Politiker nach Russland, unter ihnen der Bundestagsabgeordnete Markus Frohnmaier, früher Sprecher von Frauke Petry, später von Alice Weidel. Auf Twitter schrieb er: "Wir machen uns ein Bild davon, dass alles fair und demokratisch abläuft, und sind vor Ort." https://twitter.com/Frohnmaier_AfD/status/975343740935114752 Im Vorfeld der Wahl hatte es eine Veranstaltung der staatlich finanzierten Stiftung "Russki Mir" gegeben, bei der als Ziel ausgegeben worden war, Russland als das demokratischste Land der Welt darzustellen. Umgekehrt hatte die "Kommission des Föderationsrates zum Schutze der staatlichen Souveränität Russlands" behauptet, der Westen wolle die Wahl als undemokratisch darstellen und damit die Autorität der russischen Macht unterminieren. So lässt sich jede Kritik zum Beispiel der Wahlbeobachterorganisation der OSZE, die ein professionelles und umfangreiches Wahlmonitoring durchführt, als Verunglimpfung Putins darstellen. OSZE kritisiert mangelnden Wettbewerb Die OSZE teilte in einer ersten Stellungnahme zu der Wahl mit, es habe keine echte Alternative zu Putin gegeben. "Eine Auswahl ohne echten Wettbewerb ist leider keine echte Auswahl", sagte Michael Georg Link, Leiter der Beobachtermission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die Wahl sei aber "in der Gesamtheit in geordneter Weise" abgelaufen. Allerdings habe es massiven Druck auf die Bevölkerung gegeben. Es seien außerdem Fälle von Mehrfachabstimmung registriert worden, sagte Jan Petersen von der OSZE. Die Organisation kritisierte zudem Mängel bei der Transparenz der Wahl und bei der Wahrung des Wahlgeheimnisses. | /faktenfinder/wahl-russland-manipulation-101.html |
2018-03-01 | Neues Verbot von Transgender-Rekruten | Anordnung des US-Präsidenten | Eine Anordnung von US-Präsident Trump soll die meisten Transmenschen vom Dienst in den Streitkräften ausschließen - obwohl vier Bundesgerichte einen ähnlichen Vorstoß 2017 ablehnten.
mehr | Eine Anordnung von US-Präsident Trump soll die meisten Transmenschen vom Dienst in den Streitkräften ausschließen - obwohl vier Bundesgerichte einen ähnlichen Vorstoß 2017 abwiegelten. US-Präsident Donald Trump hat eine Anordnung erlassen, die die meisten transsexuellen und Transgender-Menschen vom Dienst in den US-Streitkräften ausschließt. Wer sich einer Therapie oder Operationen unterzogen hat, um in seinem empfundenen Geschlecht leben zu können, ist dem Erlass zufolge nicht als Soldatin oder Soldat geeignet - außer "unter bestimmten, begrenzten Umständen". Damit gemeint ist die Möglichkeit, im bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht zu dienen. Als Trans werden Menschen bezeichnet, die sich nicht - oder nicht nur - mit dem Geschlecht identifizieren, das bei ihrer Geburt notiert wurde. Das Weiße Haus teilte mit, die Effektivität des US-Militärs sei durch Transmenschen gefährdet. Unter anderem verursache ihre medizinische Unterstützung hohe Kosten. Ein Dokument der US-Regierung weist jedoch nur 8980 von insgesamt 1,4 Millionen Mitgliedern der Truppe als Trans aus. Demokratin Pelosi und LGBT-Aktivisten sind empört Der US-Verteidigungsminister Mattis und die Heimatschutzministerin Kirstjen Nielsen seien mit der Entscheidung einverstanden, erklärte das Weiße Haus. Mattis hatte bereits im Februar angekündigt, Transmenschen künftig vom US-Militär auszuschließen - wer derzeit Mitglied der Truppe sei, dürfe aber weiterhin Dienst tun. Die Vorsitzende der Demokraten im Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, zeigte sich empört: Der Ausschluss diene dazu, "unsere tapferen Trans-Angehörigen des Militärs, die mit Ehre und Würde dienen, zu erniedrigen", schrieb sie auf Twitter. Die größte Bürgerrechtsgruppe der USA für sexuelle Minderheiten, die Human Rights Campaign, warf der Regierung Trump vor, sie dränge dem Militär "transfeindliche Vorurteile" auf. Der US-Soziologe Aaron Belkin, der unter anderem zur Aufhebung des Verbotes von "Don't ask, don't tell" geforscht hat, sagte der "Washington Post": "Im Dienste ideologischer Ziele aus dem Lager Trump-Pence hat das Pentagon wissenschaftliche Fakten zur Gesundheit von Transmenschen verzerrt, um eine irrationale und rechtlich nicht haltbare Diskriminierung zu stützen, die die Einsatzbereitschaft der Truppe schädigen wird." Es gebe keine Beweise, die einen Ausschluss gesundheitlich geeigneter Amerikaner vom Militärdienst rechtfertige. US-Militär kann seit 1. Januar Transmenschen rekrutieren Trumps Amtsvorgänger Barack Obama hatte die US-Streitkräfte für den Dienst von Transmenschen geöffnet. Dagegen hatte Trump in einem Vorstoß im Sommer 2017 versucht vorzugehen - vier US-Bundesgerichte hatten den Entwurf jedoch abgelehnt, weil das von ihm formulierte kategorische Verbot nicht mit der US-Verfassung in Einklang stehe. Seit dem 1. Januar 2018 kann das US-Militär folglich auch Transmenschen rekrutieren, die eine Hormontherapie und beziehungsweise oder geschlechtsangleichende Operationen hinter sich haben. Bislang ist mindestens ein Fall bekannt, in dem sich eine offen Trans lebende Person neu bei der Armee verpflichtet hat. Auf die Rekrutierung neuer Soldaten wird Trumps Anordnung zunächst noch keine Auswirkungen haben: David Eastburn, ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, erklärte, das Verteidigungsministerium müsse sich bei der Verpflichtung neuer Soldaten an das geltende Gesetz halten. Doch dieses kann durch Trumps Vorstoß bald geändert werden. | /ausland/trans-us-militaer-101.html |
2018-03-01 | Warum sind Waffen in den USA so normal? | #kurzerklärt | Das Recht auf Waffenbesitz steht als Grundrecht in der US-amerikanischen Verfassung. Die historischen Gründe dafür sind zwar nicht mehr aktuell, dennoch pocht die Waffenlobby mehr denn je auf dieses Recht. Von Alexander Westermann. | Das Recht auf Waffenbesitz steht als Grundrecht in der amerikanischen Verfassung. Die historischen Gründe dafür sind zwar nicht mehr aktuell, dennoch pocht die Waffenlobby mehr denn je auf dieses Recht. | /faktenfinder/waffen-usa-111.html |
2018-03-01 | Trump will Soldaten aus Syrien abziehen | Überraschende Rede in Ohio | US-Präsident Trump überrascht mit einer Ankündigung, die in Syrien stationierten US-Truppen abziehen zu wollen. Sein Außenministerium weiß von nichts. Auch das Pentagon rätselt, was er gemeint haben könnte.
mehr | US-Präsident Trump überrascht mit einer Ankündigung, die in Syrien stationierten US-Truppen abziehen zu wollen. Sein Außenministerium weiß von nichts. Auch das Pentagon rätselt, was er gemeint haben könnte. US-Präsident Donald Trump hat überraschend ein baldiges Ende des Syrien-Einsatzes seines Landes angekündigt. "Wir werden sehr bald aus Syrien abziehen", sagte Trump in einer Rede vor Industriearbeitern im Bundesstaat Ohio. Die US-Soldaten sollten "zurück in unser Land kommen, wo sie auch hingehören". Die Aussage steht im Gegensatz zur Ansicht des Verteidigungsministeriums, wie mehrere US-Medien berichteten. Was der Präsident genau mit seiner Ankündigung gemeint habe, sei nicht klar, sagte ein Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums dem Sender CNN. Pentagon-Sprecherin Dana White hatte nur wenige Stunden vor Trumps Rede gesagt, in Syrien gebe es noch viel zu tun, um einen dauerhaften Sieg über die Extremisten sicherzustellen. Trump hatte die Abzugs-Ankündigung offenbar nicht mit seiner Regierung abgestimmt. Das Außenministerium in Washington wusste nach eigenen Angaben nichts von einer entsprechenden Entscheidung. Auf die Frage, ob sie über die Pläne im Bilde sei, sagte Ministeriumssprecherin Heather Nauert: "Bin ich nicht, nein. Nein." Gegen viele Mitglieder des Regierungsapparates Damit stellt sich Trump gegen viele Mitglieder des Regierungsapparates. Die Nachrichtenagentur Reuters berichtete, dass Trump schon seine Beratern über seinem Wunsch nach einem schnellen Syrien-Abzug unterrichtet hatte. Das erfuhr die Nachrichtenagentur den Angaben zufolge am Freitag von zwei hochrangigen Mitarbeitern. In seiner Rede am Donnerstag in Ohio zog Trump eine verheerende Bilanz der US-Interventionen im Nahen Osten. "Wir haben sieben Billionen Dollar im Nahen Osten ausgegeben - und was haben wir dafür bekommen? Nichts", sagte er. Um Syrien sollten sich nun "andere Leute" kümmern, so Trump. Wen er damit meint, sagte der US-Präsident aber nicht. Trump rechtfertigte einen Rückzug der US-Truppen auch damit, dass das von der Terrormiliz "Islamischer Staat" ausgerufene "Kalifat" weitgehend besiegt sei. In seiner Rede sagte er: "Sehr bald - sehr bald kommen wir raus. Wir werden hundert Prozent des Kalifats haben, wie sie es nennen - manchmal auch bezeichnet als 'Land' - holen alles zurück schnell, schnell." Zwei Soldaten des Anti-IS-Bündnisses getötet Das von den USA geführte internationale Anti-IS-Bündnis gab unterdessen bekannt, dass zwei ihrer Soldaten Donnerstagabend bei der Explosion eines Sprengsatzes in der nordsyrischen Stadt Manbidsch getötet worden seien. Dabei handelte es sich um einen Soldaten aus den USA und einen aus Großbritannien. Fünf weitere Soldaten seien verletzt worden. Nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte traf der Sprengsatz einen Konvoi im Zentrum von Manbidsch. Auch vier örtliche Gemeindevertreter seien getötet worden. Manbidsch war von kurdischen Kämpfern mit Unterstützung der US-geführten Koalition vom IS befreit worden. Die an einer Schnittstelle von verschiedenen Einflusszone liegende Stadt könnte sich aber zu einem neuen Konfliktherd entwickeln. Erdogan drohte mehrfach mit Angriff Manbidsch liegt 30 Kilometer südlich der türkischen Grenze. Die USA sind dort mit Spezialkräften präsent. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat mehrfach mit einem Angriff auf die von der Kurdenmiliz YPG kontrollierte Stadt gedroht - dies könnte zu einer direkten Konfrontation zwischen den USA und der Türkei führen. Im Osten Syriens sind mehr als 2000 US-Soldaten im Einsatz, die den Kampf diverser Milizen gegen den IS unterstützen. Neben den USA haben noch Russland und der Iran größere Truppenkontingente in Syrien stationiert. Beide unterstützten allerdings den syrischen Machthaber Baschar al-Assad und sind erklärte politische Gegner der USA. | /ausland/trump-syrieneinsatz-101.html |
2018-03-01 | Keine Belege für Übergriffe durch Wedel | Untersuchungen bei Bavaria Film | Interne Untersuchungen brachten keine Beweise für sexuelle Übergriffe - wohl aber hat die Produktionsfirma Bavaria Film "Verhaltensweisen" Dieter Wedels festgestellt, die heute untragbar wären.
mehr | Interne Untersuchungen brachten keine Beweise für sexuelle Übergriffe - wohl aber hat die Produktionsfirma Bavaria Film "Verhaltensweisen" Dieter Wedels festgestellt, die heute untragbar wären. Drei Serien hat der mit Missbrauchsvorwürfen konfrontierte Regisseur Dieter Wedel mit der Bavaria Film produziert: "Der König von St. Pauli", "Die Affäre Semmeling" und "Gier". Zumindest während dieser Produktionen könnten "die in der Presse erhobenen Anschuldigungen des sexuellen Missbrauchs" jedoch nicht belegt werden, teilte die Münchner Produktionsfirma nun mit. Zu diesem Schluss kam ein internes Untersuchungsteam unter der Leitung der Compliance-Beauftragten und Ombudsfrau der Bavaria Film. Vorwürfe im "Zeit"-Dossier Völlig entkräftet sind die Vorwürfe der Grenzüberschreitungen gegen den Starregisseur damit jedoch nicht: Die Firma spricht davon, dass "Verhaltensweisen von Dieter Wedel gegenüber Mitarbeitenden nach dem heute gültigen Verhaltenskodex der Bavaria Film Gruppe nicht tolerabel gewesen wären". Welches Verhalten damit gemeint ist, erläuterte die Bavaria Film nicht. Wedel hatte Vorwürfe sexueller Übergriffe bis hin zur Vergewaltigung stets abgestritten, die Schauspielerinnen in der Wochenzeitung "Die Zeit" Anfang Januar gegen ihn erhoben hatten. In einem Dossier schilderten mehrere Frauen Erlebnisse, in denen der heute 75-Jährige während der Dreharbeiten seine Macht missbraucht und sie genötigt habe. ZDF legt Fall zu den Akten Grundlage der Berichterstattung waren Akten aus dem Archiv des Saarländischen Rundfunks, die belegen, dass schon in den Achtzigerjahren entsprechende Vorwürfe gegen Wedel im Raum standen und sowohl der Produktionsfirma als auch dem Sender bekannt waren. Der SR lässt den Sachverhalt derzeit untersuchen. Auch andere öffentlich-rechtliche und private Fernsehsender hatten mit Untersuchungen auf die Vorwürfe reagiert. Das ZDF erklärte bereits im Februar, eine Schauspielerin habe sich nach dem Erscheinen des "Zeit"-Berichts an den Sender gewandt, wolle jedoch anonym bleiben. Mitarbeitergespräche und eine Prüfung des Archivs hätten aber keine Hinweise auf sexuelle Übergriffe durch Wedel bei ZDF-Produktionen zutage gebracht. | /inland/dieter-wedel-bavaria-film-101.html |
2018-03-01 | 40.000.000 Küken getötet | Landwirtschaft | Sie legen keine Eier und setzen wenig Fleisch an - noch immer werden männliche Küken massenhaft getötet. Allen Verbotsankündigungen zum Trotz: Mehr als 40 Millionen Jungtiere starben 2017.
mehr | Keine Eier und zu wenig Fleisch - deshalb werden noch immer männliche Küken massenhaft getötet. Allen Verbotsankündigungen zum Trotz: Mehr als 40 Millionen frisch geschlüpfte Jungtiere starben 2017. Eigentlich sollte das längst verboten sein: Aus ökonomischen Gründen werden in Deutschland jedes Jahr zig Millionen männliche Küken geschreddert oder erstickt. Im Jahr 2017 lag die Zahl der direkt nach dem Schlüpfen getöteten Jungtiere bei mehr als 40 Millionen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen hervor. Männliche Tiere - ökonomisch wertlos Amtliche Angaben dazu gibt es zwar nicht, aber die Zahl lässt sich aus der Menge geschlüpfter weiblicher Küken ableiten. Die lag 2017 in größeren Brütereien bei 45.739.700 und damit bei rund 1,6 Millionen mehr als im Vorjahr. Männliche Küken, die keine Eier legen und sich auch nicht zur Fleischproduktion eignen, werden in der Regel getötet. Forschung zur frühen Geschlechtserkennung Methoden, das Geschlecht schon früh im Ei zu ermitteln und das Töten geschlüpfter Küken damit zu verhindern, sind schon länger in der Entwicklung. Im Januar hatte der Zentralverband der Geflügelwirtschaft (ZDG) angekündigt, dass bis Ende 2019 die ersten Maschinen im Einsatz sein würden. Während Union und SPD die industrielle Landwirtschaft mit Milliarden jedes Jahr förderten, habe die Forschung nach Alternativen "eher Alibifunktion", kritisierte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer. Er habe den Eindruck, die große Koalition wolle an der Praxis gar nichts ändern. Verbot schon lange angekündigt Die Bundesregierung verweist jedoch darauf, dass sie die Entwicklung von Methoden zur frühen Geschlechtsbestimmung fördert. Die Forschung wird vom Bund mit insgesamt knapp 4,9 Millionen Euro gefördert. Auch Projekte zu sogenannten Zweinutzungshühnern - Rassen, deren weibliche Tiere als Legehennen und männliche als Masthähnchen verwendet werden - unterstützt der Bund mit 1,8 Millionen Euro. Der damalige Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt hatte bereits vor Jahren angekündigt, dass ab 2017 Küken nicht mehr geschreddert werden sollten. Klöckner zeigt sich zuversichtlich Auch im jüngsten Koalitionsvertrag von Union und SPD heißt es, der Tierschutz in der Landwirtschaft solle verbessert - und das Kükenschreddern spätestens bis zum Herbst 2019 verboten werden. Die neue Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner zeigte sich zuversichtlich, dass dieses Vorhaben umgesetzt wird. Das Töten der männlichen Eintagsküken stehe zu Recht in der Kritik, sagte die CDU-Politikerin. Diese Haltung hatte schon ihr Vorgänger Schmidt vertreten. Küken retten durch höhere Eierpreise? Initiativen wie "Bruderhahn" und "Bruderküken" werben für einen etwas höheren Eierpreis, der die Aufzucht der Hähnchen mitfinanzieren könnte. mit Informationen von Birgit Schmeitzner, ARD-Hauptstadtstudio | /inland/kueken-109.html |
2018-03-01 | Begleiter Puigdemonts festgenommen | Spanien | Drei Tage nach der Festnahme Puigdemonts sind drei Begleiter des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten in Spanien festgenommen worden. Ex-Ministerin Ponsatí stellte sich derweil der Polizei.
mehr | Drei Tage nach der Festnahme Puigdemonts sind drei Begleiter des katalanischen Ex-Regionalpräsidenten in Spanien festgenommen worden. Ex-Ministerin Ponsatí stellte sich derweil der Polizei. Zwei katalanische Beamte, die den in Deutschland inhaftierten Ex-Regionalpräsidenten Carles Puigdemont bei seiner Rückfahrt von Finnland Richtung Belgien begleitet hatten, sind festgenommen worden. Einer der beiden sei aus Brüssel kommend am Flughafen Barcelona inhaftiert worden, der andere ebenfalls in der katalanischen Metropole in der Nähe seines Hauses, berichtete die Zeitung "El País" unter Berufung auf Polizeiquellen. Die beiden Männer arbeiten als Sicherheitskräfte der katalanischen Polizei "Mossos d'Esquadra" und waren bei der Festnahme Puigdemonts am Sonntag in Schleswig-Holstein zusammen mit ihm im Auto unterwegs. Am Dienstag hatte die spanische Nationalpolizei Anzeige gegen sie erstattet. Ihnen werde "Begünstigung" vorgeworfen, hieß es. Es müsse geprüft werden, ob die Beamten versucht hätten, Puigdemont zur Flucht zu verhelfen. Die Polizisten hatten Puigdemont begleitet, als dieser versuchte, von Finnland - wo er Parlamentarier getroffen und einen Vortrag gehalten hatte - über Schweden, Dänemark und Deutschland wieder in sein belgisches Exil zu gelangen. Zu dieser Zeit galt aber schon der Europäische Haftbefehl, den das Oberste Gericht in Madrid Ende vergangener Woche angeordnet hatte. Am Abend nahm die spanische Polizei einen weiteren Begleiter Puigdemonts fest, der zusammen mit dem Politiker unterwegs war, als dieser am Sonntag in Deutschland festgenommen wurde. Es handelt sich um einen Historiker und Universitätsprofessor, der mit Puigdemont befreundet ist, wie die Zeitung "El País" berichtet. Katalanische Ministerin stellt sich in Schottland Nach der Festnahme Puigdemonts in Deutschland stellte sich nun die von Madrid abgesetzte katalanische Bildungsministerin Clara Ponsatí der Polizei in Schottland. Die 61-Jährige wurde - wie Puigdemont - mit Europäischem Haftbefehl gesucht. Ihr werden im Zusammenhang mit dem katalanischen Unabhängigkeitsreferendum Rebellion und Veruntreuung öffentlicher Mittel vorgeworfen. Sie weise die Vorwürfe aber weiter zurück, berichtete die englische Nachrichtenagentur PA. Ponsatí wurde auf Kaution freigelassen, musste aber ihren Pass abgeben, so dass sie das Land nicht verlassen kann. Am 12. April soll sie erneut vor Gericht erscheinen. Separatisten setzen weiter auf Puigdemont In Katalonien ist auch drei Monate nach Neuwahlen kein Ende der politischen Blockade in Sicht. Die Separatisten im Regionalparlament forderten erneut, der in Deutschland inhaftierte Puigdemont solle wieder Regierungschef in Barcelona werden. In einer symbolischen Abstimmung sprachen Abgeordnete der Parteien JxC, ERC und CUP dem 55-Jährigen das Recht zu, wieder an die Spitze der Regionalregierung gewählt zu werden. Die separatistischen Abgeordneten forderten auch die Freilassung inhaftierter Parteifreunde. Insgesamt wirft die spanische Justiz rund 25 führenden Separatisten Verfassungsbruch und Rebellion vor. Puigdemont wird zudem die Veruntreuung staatlicher Gelder zur Last gelegt. Er wartet im Gefängnis in Neumünster auf eine Entscheidung der deutschen Justiz über ein spanisches Auslieferungsbegehren. Ihm drohen bei eine Verurteilung bis zu 25 Jahre Haft. Puigdemont wird die Ostertage in der Justizvollzugsanstalt Neumünster verbringen. Schleswig-Holsteins Generalstaatsanwaltschaft wird vorher keinen Antrag auf Auslieferungshaft beim Oberlandesgericht stellen, sagte eine Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Die Prüfung der Unterlagen sei sehr komplex. Lucke fordert Freilassung gegen Ehrenwort Unterdessen forderte der Europaabgeordnete Bernd Lucke nach einem Gefängnisbesuch bei Puigdemont, den katalanischen Separatistenführer bis zu einer Entscheidung über eine Auslieferung in Deutschland auf freien Fuß zu setzen. "Ich habe Herrn Puigdemont vorgeschlagen - und er hat sich sofort dazu bereit erklärt -, dass er sein Ehrenwort geben solle, Deutschland nicht zu verlassen, solange die deutsche Justiz über dieses Auslieferungsersuchen urteilt", sagte Lucke nach einem rund anderthalbstündigen Gespräch mit dem Politiker in der Justizvollzugsanstalt Neumünster. Puigdemont solle von der spanischen Regierung aus politischen Gründen verhaftet werden, kritisierte der ehemalige AfD-Chef. Er empfinde es als beschämend, dass Puigdemont "in einer Zelle sitzt wie ein gewöhnlicher Krimineller". Puigdemont sehe sich als Repräsentanten der Katalanen. Und er wolle das Anliegen seines Volkes mit Würde und Verantwortung vertreten. "Eine Flucht käme für ihn überhaupt nicht in Frage", sagte Lucke. Puigdemont vertraue darauf, dass die deutsche Justiz ein faires Urteil fällen werde. Der 55-Jährige habe betont, "dass er nicht nachgeben möchte in seinem Kampf für die Rechte der Katalanen". | /ausland/begleiter-puigdemont-festnahme-101.html |
2018-03-01 | Profit durch Hass | Rechtsextremist festgenommen | Einnahmen durch Waffenverkäufe und Werbeanzeigen auf Hetzseiten: Der in Ungarn festgenommene M. R. soll ohne Geldsorgen gelebt haben. Der Hass scheint ein lohnendes Geschäft. Von K. Riedel und S. Pittelkow. | Einnahmen durch Waffenverkäufe und Werbeanzeigen auf Hetzseiten: Der in Ungarn festgenommene Mario R. soll ohne Geldsorgen gelebt haben. Der Hass scheint ein lohnendes Geschäft. Es ist das Ende einer Jagd, sie dauerte mehr als zwei Jahre lang. Am Ende klickten die Handschellen an dem Ort, an dem sich der Erfurter Mario R. vor der deutschen Justiz lange sicher gefühlt hatte: in seiner Altbauwohnung in Budapest, in seiner Wahlheimat Ungarn, von wo aus er in mindestens 193 Fällen mit Waffen im Wert von mehr als 100.000 Euro gehandelt hatte, so bisherige Schätzungen. Die Kunden zahlten ihr Geld auf vier ungarische Zielkonten und entrichteten Beträge von etwa 250 bis 750 Euro. Verkauft hatte er sie nach seiner Flucht vor der deutschen Justiz auch von Ungarn aus und auch an Hunderte deutsche Kunden - obwohl die Waffen in Deutschland verboten waren. Schusstests ergaben, dass die kleinen Hartgummigeschosse, die aus täuschend echt wirkenden Lang-, Feuer-, Repetier-, Schreckschuss- und Schusswaffen gefeuert werden, in Deutschland nur mit einem Waffenschein gekauft werden dürfen. "Diese Waffen sind extrem gefährlich, weil sie in der Lage sind, menschliches Muskelgewebe, Haut und Knochen zu durchdringen. Das liegt an der extrem hohen Energieleistung. Auf eine gewisse Körperstelle gerichtet und aus einer gewisse Distanz kann ein solcher Schuss auch tödlich enden", sagte die ermittelnde Berliner Staatsanwältin Susann Wettley im Interview. "Dem Verkäufer war aus Sicht der Staatsanwaltschaft diese hohe Energieleistung und die damit einhergehende Gefährlichkeit bewusst." Auch der Verdacht der Volksverhetzung spiele bei den Ermittlungen eine Rolle, der Tatverdacht könne im Moment aber "noch nicht abschließend beurteilt werden". Die Mindeststrafe für den Waffenhandel beträgt sechs Monate, die Höchststrafe fünf Jahre. Auch der Frage, ob R. Einzeltäter war oder in ein Netzwerk eingebunden, geht die Staatsanwaltschaft nach. Europäischer Haftbefehl Die ungarischen Polizisten, zu denen auch die Spezialeinheit TEK gehörte, handelten deshalb in deutschem Auftrag, in Ungarn gibt es kein eigenes Ermittlungsverfahren gegen den 34-Jährigen. Um Mitternacht hatte die Berliner Generalstaatsanwaltschaft den europäischen Haftbefehl in das Fahndungssystem eingestellt, im Morgengrauen griffen die ungarischen Kollegen zu. Anwesend waren bei dieser sorgsam vorbereiteten Aktion über Grenzen hinweg auch deutsche Ermittler: eine Finanzfahnderin und zwei Polizisten des Berliner Landeskriminalamtes. Sie waren auch dabei, als die ungarischen Kollegen mit der Durchsuchung begannen, die derzeit noch läuft. Ein anwaltlicher Vertreter von R. ist bislang nicht bekannt, ein früherer Anwalt hat das Mandat nicht mehr. Hinweise auf weitere Hetzseiten Mit dem, was die Ermittler nun in R.'s Computer und in seinen Unterlagen finden könnten, sollen in Deutschland die Ermittlungen ausgeweitet und eine Anklage vorbereitet werden. Denn nach gemeinsamen Recherchen von ARD, "Süddeutscher Zeitung" und dem Magazin "Motherboard" deutet einiges darauf hin, dass Mario R. auch hinter rechtsextremen, immer wieder den Holocaust relativierenden, antisemitischen Hetzseiten steckt. "Anonymus.Kollektiv" nannte sich die erste, inzwischen umbenannte Hetzseite, die R. bis zu der Sperrung durch das US-Unternehmen auf Facebook betrieb; ihr folgte 2017 "Anonymousnews.ru", flankiert von einem namentlich adressierten rechten Newsletter, in dem sich neben Verschwörungstheorien antiislamische und antisemitische Inhalte finden. Darin wird auch immer wieder die Politik der AfD unterstützt und gegen die Regierung Merkel agitiert, insbesondere aufgrund der Flüchtlingspolitik. R. hatte sich in einem Posting auf Facebook, in dem er eine angebliche Flucht auf die Krim vortäuschte, Anfang 2017 selbst als Betreiber von Anonymous.ru bezeichnet. Auch Aussagen von Weggefährten, Screenshots aus dem Administratorenbereich der Seite und die Registrierungsdaten der Internetseite seines Waffenhandels zeigen, dass alles aus einer Hand zu stammen scheint: aus der von Mario R.. Auch seinen Waffenhandel betrieb R. nicht frei von Gesinnung, im Gegenteil: Bürger sollten sich zur "Verteidigung" gegen Migranten bewaffnen, wie auch der Name zum Ausdruck brachte: "Migrantenschreck". Der Shop wurde zwar stillgelegt, es gibt jedoch einen sehr ähnlich operierenden Versandhandel, der unter dem Namen "Patriotenshop" auftritt und eine Schweizer Anschrift nennt. An dieser sollen sich jedoch statt eines Versandhandels nur ein Bahnhofsgebäude und ein Postamt befinden. Auch hier führen alle weiteren Spuren nach Budapest. "Ohne lästige bürokratische Hürden" Die Ermittlungen müssen zeigen, ob sie bei R. landen und ob darüber tatsächlich Waffen versendet wurden. "Schützen Sie sich und ihre Familie", hieß der Slogan, unter dem noch am Abend vor dem Zugriff das "Komplettpaket Superior" als "erstklassige Qualitätsware" für 629 Euro angepriesen wurde, "ohne lästige bürokratische Hürden oder ärgerlichen Papierkram". Den "Patriotenshop" bewarb Anonymousnews.ru wiederholt in seinen Newslettern, als "besonderes Willkommensgeschenk" sogar mit einem Gutscheincode, und versprach TÜV-geprüfte Qualitätsprodukte, Diskretion und Kundenschutz. Schließlich hatten zu diesem Zeitpunkt bereits zahlreiche Kunden von "Migrantenschreck" einen unangenehmen Besuch von Ermittlern bekommen. "Antifaschreck AS125" Verhelfen sollten diese Waffen nicht nur zu gefühlter Sicherheit, wie es hieß, sondern auch gegen den politischen Gegner: Eine der Waffen nannte sich "Antifaschreck AS125". Zu den wichtigsten Fragen gehört jetzt, ob R. bei all dem allein gehandelt hat - oder ob hinter R. ein Netzwerk steckt. R. war 2014 bei den Montagsmahnwachen erstmals in Erscheinung getreten, zu diesem Zeitpunkt entstand auch die Seite "Anonymous.Kollektiv", welche sich Namen und Symbolik der Hackergruppe Anonymus bediente. Die Systemkritik von rechts schlug schnell in Stimmungsmache gegen alles um, was etabliert schien: das "Merkel-Regime", die "Systempresse", mit der Zunahme der Flüchtlingsströme auch immer öfter gegen Migranten. R. hielt sich im Hintergrund, als Medien über seine mutmaßliche Rolle berichteten, bestritt er dies und erwirkte Unterlassungserklärungen. Der Grünen-Politiker Volker Beck und andere stellten Strafanzeige wegen Volksverhetzung, die Staatsanwaltschaft Erfurt ermittelte, R. türmte nach Ungarn. Gut vernetzt in der rechtsradikalen Szene Seit 2015 hatte R. eine weitere Tätigkeit: Er hatte beim rechten Verschwörungsmagazin "Compact" angeheuert, das von dem ehemals Linken und heute rechtsextremen Jürgen Elsässer sowie weiteren Geschäftspartnern betrieben wird. Öffentlich wurde diese Verbindung auch durch einen Streit, E-Mail-Kommunikation wurde in diesem Zuge ins Internet gestellt. Dabei gab es zunächst eine für beide Seiten wohl lohnende Zusammenarbeit. Ein Insider behauptete gegenüber Reportern von ARD, Süddeutscher Zeitung und "Vice Motherboard", R. habe sich über freie Mitarbeit zum Verantwortlichen für das Online-Marketing hochgearbeitet und dafür auch Geld bekommen, angeblich monatlich mehr als 1000 Euro. Auch das Portal "Anonymous.Kollektiv" bewarb regelmäßig "Compact"-Artikel und rief dazu auf, ein Abonnement abzuschließen. Offenbar wurden die Inhalte des zur größten deutschen Facebook-Hetzseite aufsteigenden "Anonymus.Kollektiv" dann aber selbst für die "Compact"-Macher zu radikal. Es kam zum Bruch. Kontakte zur AfD Immer wieder fiel seit dem Bundestagswahlkampf auf, dass R. im Kontakt zu AfD-Mitgliedern stehen muss. So verbreitete er etwa kurz vor der Bundestagswahl ein Gerücht, dass in Spitzenkreisen der AfD nur unter vorgehaltener Hand erzählt und gefürchtet wurde: die inzwischen aus der AfD ausgetretene Frauke Petry sei zur Vorbereitung einer Parteispaltung im Kanzleramt vorstellig geworden. R. selbst war früher AfD-Mitglied, inzwischen soll er aus der Partei ausgetreten sein. Der Verbreitung haben die rassistischen Inhalte nicht geschadet: Anonymousnews selbst behauptet, dass die Inhalte der Seite allein 2017 rund 13 Millionen mal aufgerufen worden seien. Einträgliches Geschäft? Nachprüfbar ist das nicht, allerdings werden die Inhalte über die rechten sozialen Medien fleißig verteilt. Laut Analysendienst Similarweb haben die Seite allein im März bisher 1,4 Millionen Nutzer besucht. R. soll keine Geldsorgen haben, ist zu hören. Er soll mehrere Häuser besitzen und es sich in Ungarn gutgehen lassen, wo er mit seiner Lebensgefährtin zusammen gelebt haben soll. Woher das Geld kommt, bleibt zu ermitteln. Die Seite Anonymousnews behauptete in diesem Sommer, dass der rechte Kopp-Verlag die Finanzierung des Newsletters beendet habe und man deshalb auf neue Spender angewiesen sei. Verleger Jochen Kopp bestritt dies auf Anfrage, weder er noch sein Verlag hätten je einen Newsletter unterstützt. Zu finden waren auf der Seite allerdings immer wieder verlinkte Werbeanzeigen für Produkte aus dem Hause Kopp. | /faktenfinder/migrantenschreck-anonymousnews-101.html |
2018-03-01 | Mehr als nur das Grundeinkommen | Hartz-IV-Debatte | Geht es nach dem Willen mehrerer Politiker, soll Hartz IV reformiert werden - und das möglichst rasch. In der Debatte gehen allerdings einige Begriffe durcheinander - ein Überblick.
mehr | Geht es nach dem Willen mehrerer Politiker, soll Hartz IV reformiert werden - und das möglichst rasch. In der Debatte gehen allerdings einige Begriffe durcheinander - ein Überblick. Solidarisches Grundeinkommen, "sozialer Arbeitsmarkt", bedingungsloses Einkommen: Bei der Debatte über Hartz IV wird über verschiedene Modelle gesprochen. Allen ist gemeinsam: Sie werden durch Steuergelder finanziert - und sollen im besten Fall keine reguläre Arbeitsplätze verdrängen. Wie sieht das Konzept des solidarischen Grundeinkommens aus? Das von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) vorgelegte Modell sieht die Zahlung eines Grundeinkommens vor. Das ist aber an Bedingungen geknüpft. Langzeitarbeitslose übernehmen dabei Arbeiten, die die Kommunen regulär kaum finanzieren könnten. Müller denkt etwa an Sperrmüllbeseitigung, das Säubern von Parks, Bepflanzen von Grünstreifen, Begleit- und Einkaufsdienste, Babysitting für Alleinerziehende oder ehrenamtliche Tätigkeiten in der Flüchtlingshilfe. Die Tätigkeiten sollen nach Mindestlohn bezahlt werden. Was bedeutet der "soziale Arbeitsmarkt" im Koalitionsvertrag? Auf Druck der SPD ist im Koalitionsvertrag mit der Union ein "sozialer Arbeitsmarkt" vorgesehen. Dafür soll über vier Jahre jährlich eine Milliarde Euro aufgewendet werden, um etwa 150.000 Langzeitarbeitslose in sozialversicherungspflichtige Jobs zu bringen. Die Details muss Arbeitsminister Hubertus Heil allerdings noch ausarbeiten. Ihm schweben Lohnkostenzuschüsse vor, die sich über fünf Jahre verringern: "Langzeitarbeitslose können dann mit Lohnkostenzuschüssen in der freien Wirtschaft, bei Wohlfahrtsverbänden oder gemeinnützig für Kommunen arbeiten." Wie "sozial" ist der Arbeitsmarkt bereits jetzt? Geringverdiener können ihr Einkommen mit Hartz-IV-Leistungen aufstocken. Etwas mehr als eine Million Menschen hat in den vergangenen Jahren parallel zu der staatlichen Unterstützung Geld verdient. Ein ähnliches Ziel haben Ein-Euro-Jobs: Ein-Euro-Jobber erhalten vom Jobcenter einen Zuschuss zum Arbeitslosengeld. Dem Träger werden die Kosten erstattet. Arbeitslosengeld-II-Empfängern soll so der Wiedereinstieg ins Berufsleben erleichtert werden. Was hat das mit dem bedingungslosen Grundeinkommen zu tun? Wenig - denn das Konzept eines bedingungslosen Grundeinkommens sieht Geld vor, ohne dass eine Gegenleistung verlangt wird. Damit soll das Existenzminimum abgesichert werden. Ein etwaiges Arbeitseinkommen kommt noch hinzu. Das durch den Unternehmer Götz Werner bekannt gewordene bedingungslose Grundeinkommen betrachtet Werner als "eine Art Vorschuss, der notwendig ist, um überhaupt Leistung erbringen zu können". Erst wenn die Grundbedürfnisse befriedigt sind, könnten Menschen ihre Talente entwickeln. Teile der Linkspartei befürworten das Modell, wie es in Finnland bereits erprobt wurde. | /inland/grundeinkommen-faq-101.html |
2018-03-01 | Motiv Antisemitismus? | Debatte in Paris und Berlin | Nach dem Mord an einer Holocaust-Überlebenden wird nicht nur in Frankreich über Antisemitismus diskutiert. Eine Forderung: den Kampf gegen Online-Hetze zu verstärken.
mehr | Nach dem Mord an einer Holocaust-Überlebenden wird nicht nur in Frankreich über Antisemitismus diskutiert. Eine Forderung: den Kampf gegen Online-Hetze zu verstärken. Hierzulande wird über religiöses Mobbing an Schulen debattiert. Der Mord an der Holocaust-Überlebenden Mireille Knoll in Paris hat über die Grenzen Frankreichs hinaus eine neue Debatte über Judenfeindlichkeit ausgelöst. Die Europäische Union und das American Jewish Committee (AJC) sprachen sich für mehr Engagement gegen Antisemitismus aus. "Die französische Justiz reagiert mit Entschlossenheit. Folgen wir alle dem Beispiel und vertreiben den Antisemitismus aus Europa", schrieb Vizekommissionschef Frans Timmermans auf Twitter. Schritte gegen Hetze im Netz gefordert Die Europa-Direktorin des AJC, Simone Rodan-Benzaquen, forderte von der EU neue Schritte gegen antisemitische Hetze im Internet. Online dächten viele Menschen, "dass sie sagen können, was sie wollen, ohne irgendwelche großen Konsequenzen", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Situation in der virtuellen Realität stehe damit den sehr strikten Gesetzen gegen Antisemitismus in der Wirklichkeit gegenüber. Die 85-jährige Knoll war laut einer Mitteilung des jüdischen Dachverbands am Freitag tot in ihrer ausgebrannten Wohnung in Paris aufgefunden worden. Nach einem Bericht der Zeitung "Le Parisien" waren an der teilweise verkohlten Leiche Spuren von Messerstichen gefunden worden. Mittlerweile nahm die französische Justiz zwei Verdächtige in Untersuchungshaft. Ihnen werde vorsätzliche Tötung aufgrund der tatsächlichen oder vermeintlichen Zugehörigkeit des Opfers zu einer Religion vorgeworfen, bestätigten Justizkreise der Deutschen Presse-Agentur. Einer der beiden Verdächtigen war ein Nachbar der alten Dame. Der 1989 geborene Mann hatte die 85-Jährige nach Angaben ihres Sohnes gut gekannt und sie öfter besucht. Nach Polizeiangaben ist er vorbestraft. Macron zeigt sich erschüttert Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron zeigte sich entsetzt über den Fall: "Ich bestätige meine uneingeschränkte Entschlossenheit, gegen den Antisemitismus zu kämpfen", teilte Macron via Twitter mit. Die AJC-Europa-Direktorin Rodan-Benzaquen begrüßte die Äußerungen Macrons und anderer Politiker nach dem Mord. In der Politik seien "Worte fast wie Taten", dennoch müssten mehr Taten folgen, forderte sie. Jüdische Einrichtungen wie Synagogen und Schulen müssten geschützt werden, zugleich sei klar, dass "nicht jeder einzelne Jude" beschützt werden könne. Auch die Zivilgesellschaft müsse sich stärker engagieren. Bislang gebe es "sehr wenig Solidarität", wenn jüdische Mitbürger attackiert würden, sagte Rodan-Benzaquen mit Blick auf Frankreich und Europa. Deutschland bilde dabei "ein bisschen" eine positive Ausnahme. Debatte über Antisemitismus an Schulen in Deutschland Hierzulande wird derzeit über Antisemitismus an Schulen diskutiert - ausgelöst durch Berichte, wonach an einer Berliner Grundschule ein jüdisches Mädchen bedroht worden sein soll. Nach Bekanntwerden des Falls meldete sich der Vater des Mädchens erneut zu Wort. Es gehe bei dem Vorfall nicht um Antisemitismus, sagte der 41-Jährige dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es geht darum, dass Kinder aus muslimischen Elternhäusern andere Kinder verfolgen oder mobben, nur weil sie nicht an Allah glauben." Dabei sei völlig egal, ob es sich um Christen, Atheisten, Juden oder andere handele. Aber auch innerhalb der muslimischen Schülerschaft würden Kinder ausgegrenzt, weil sie beispielsweise "in die falsche Koranschule gehen". Die Tochter des 41-Jährigen wurde nach seinen Angaben an der Paul-Simmel-Grundschule in Berlin-Tempelhof in den vergangenen Jahren mehrfach von muslimischen Schülern angepöbelt, weil sie nicht an Allah glaubt. Auch mit dem Tode sei ihr deswegen von muslimischen Mitschülern gedroht worden. Der Vater betont, dass die Mitschüler bei den ersten Beschimpfungen und Drohungen noch gar nichts davon gewusst hätten, dass ein Elternteil des Mädchens jüdischer Herkunft sei. Das spiele im Leben der Familie aber auch keine Rolle, weil sie nicht religiös seien. Imame in Schulklassen Als Reaktion auf die Berichte will der Zentralrat der Muslime Imame in Schulklassen schicken. "Wir stellen zunächst konkret zehn Imame bereit, die vorzugsweise mit Rabbinern in die Klassen gehen", sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek der Nachrichtenagentur AFP. Die Geistlichen sollten "für Dialog, Aufklärung und gegenseitige Achtung" werben. "Ich würde mich freuen, wenn die jüdischen Gemeinden mitmachen, dann könnten wir schon heute in Berlin beginnen und in Folge dies bundesweit ausbauen", sagte Mazyek. Zuvor hatte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, im ZDF-Morgenmagazin von einer "Bringschuld seitens der muslimischen Verbände" gesprochen. Sie müssten ganz konkret darauf achten, was von einigen Imamen innerhalb der Moscheen gepredigt werde. Die Berliner Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (RIAS) registrierte für das Jahr 2017 an Schulen in der Hauptstadt 18 antisemitische Vorfälle. Diese reichten von Graffiti an Schultoiletten über Äußerungen von Lehrpersonal bis hin zu verbalen Drohungen und Gewalt gegen Schüler, sagte RIAS-Projektleiter Benjamin Steinitz der Nachrichtenagentur AFP. Für das Vorjahr zählte RIAS sieben Vorfälle. Steinitz geht jedoch nicht davon aus, dass die Statistiken vollständig sind. Auch die Antidiskriminierungsbeauftragte für die Berliner Schulen, Saraya Gomis, geht von einer Dunkelziffer aus. "Wir haben grundsätzlich in der Gesellschaft eine Zunahme von rassistischen und antisemitischen Fällen insgesamt, das betrifft auch die Schulen", sagte Gomis. | /ausland/antisemitismus-debatte-101.html |
2018-03-01 | Welche Maßnahmen sind noch denkbar? | Fall Skripal | Es ist Politik im Krisenmodus: Nach dem Attentat auf den Ex-Spion Skripal wollen mehrere Staaten russische Diplomaten ausweisen. Welche Strafmaßnahmen könnten noch folgen?
mehr | Es ist Politik im Krisenmodus: Nach dem Attentat auf den Ex-Spion Skripal wollen mehrere Staaten russische Diplomaten ausweisen. Welche Strafmaßnahmen könnten noch folgen? Ausweisung des Botschafters Sie ist eine sehr deutliche und harte Maßnahme - und kommt dementsprechend eher selten vor. Deutschland wies nach einem Massaker in Syrien im Jahr 2012 den Botschafter der Regierung in Damaskus aus. Häufiger trifft die Ausweisung Geheimagenten, die - unter dem Schutz des Diplomatenstatus - mehr oder weniger offen in einer Auslandsvertretung ihres Landes arbeiten. So ist es jetzt im Fall Skripal: Mehrere Länder gaben an, sie würden "russische Agenten" ausweisen. Boykott von Veranstaltungen Australien schließt einen Boykott der Fußball-WM im Sommer in Russland nicht aus. In Island reagierten bisher zwar nicht die Sportler, aber die Politiker: Sie wollen nicht zur WM reisen. Der Boykott von Sportveranstaltungen hat Tradition: 1980 lehnten unter anderem die USA die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Moskau ab, um gegen den Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan zu protestieren. Die Sowjetunion boykottierte daraufhin die Sommerspiele 1984 in Los Angeles. Einfrieren von Kontakten Die NATO hat 2008 - nach dem Einmarsch russischer Truppen in Georgien - die Zusammenarbeit mit der Regierung in Moskau im sogenannten NATO-Russland-Rat vorübergehend auf Eis gelegt. Später wurde es allgemein als Fehler bewertet, diesen Gesprächskanal zu blockieren. Als Konsequenz wurden die Kontakte in der Ukraine-Krise lediglich heruntergestuft: Es fanden zwar noch Treffen des Rates statt, aber nur auf der Botschafter- und nicht mehr auf der Ministerebene. "Echte" Sanktionen Vor allem Wirtschaftssanktionen gelten als öffentlichkeitswirksames Mittel der Kritik. Sie sind aber umstritten - unter anderem, weil sie oft erst langfristig wirken und die einfachen Menschen treffen. So ist etwa Russland wegen der Annexion der Krim und des Vorgehens in der Ostukraine mit Wirtschaftssanktionen belegt. Zu einem Einlenken der Russen hat das bisher nicht geführt. Nach Ansicht mehrerer Politiker haben die Sanktionen aber dazu beigetragen, dass sich der Krieg nicht über die Regionen Luhansk und Donezk hinaus ausbreitete. Möglich sind - als weichere Form der Sanktionen - Einreiseverbote gegen bestimmte unerwünschte Personen eines Staates. Abbruch diplomatischer Beziehungen Sie gelten als letztes Mittel und bedeuten praktisch das Ende der Diplomatie. 1961 griffen die USA gegenüber Kuba zu diesem Instrument. 1980 brachen sie als Reaktion auf die Geiselnahme in der US-Botschaft in Teheran die diplomatischen Beziehungen zum Iran ab. Dieses Instrument ist aber internationale sehr umstritten. Genau wie beim Einfrieren von Kontakten werden auch hier die Gesprächskanäle gekappt. Dabei wäre Dialog in Krisenzeiten besonders notwendig. Quelle: Reuters | /ausland/russland-sanktionen-131.html |
2018-03-01 | Putins Freunde und Skeptiker sind uneins | EU-Ausweisung von Russen | Mehr als 20 Staaten wollen russische Diplomaten ausweisen. Dieses diplomatische Instrument soll Unmut ausdrücken. Aber es ist eine schwache Maßnahme - und zeigt die Risse in der EU. Von Andreas Meyer-Feist. | Mehr als 20 Staaten wollen russische Diplomaten ausweisen. Dieses diplomatische Instrument soll Unmut ausdrücken. Aber es ist eine schwache Maßnahme - und zeigt die Risse in der EU. Beim EU-Gipfel Ende vergangener Woche wurden die Weichen gestellt: Eine konzertierte Aktion sollte es sein, auch wenn sie noch nicht beim Namen genannt wurde. Bundeskanzlerin Angela Merkel sicherte den Briten Unterstützung zu. Auch Österreichs Kanzler Sebastian Kurz, der eigentlich längst hätte auf einen russlandfreundlichen Kurs einschwenken wollen, versprach der britischen Premierministerin Theresa May praktizierte Solidarität. Man einigte sich auf Diplomatenausweiungen - und versucht sie jetzt durchzusetzen, wenngleich die von May beschworene Geschlossenheit der EU nur halbherzig erreicht wurde. Kurz beherbergt zwar in Wien eine sehr große russische Botschaft - hier trafen sich schon zu Zeiten des Kalten Krieges Geheimdienstler aus Ost und West, aber mitmachen bei der Aktion wollte er dann doch lieber nicht: "Österreich ist eine Brücke zwischen Ost und West und soll es bleiben". Eigene "nationale Maßnahmen" wollte er nicht umsetzen, die EU habe mit dem Rückruf ihres Moskauer Botschafters allen Erfordernissen genüge getan. So etwas erbost jene EU-Staaten, die im Ruf stehen, nicht weniger russlandfreundlich zu sein als Österreich, sich aber dann doch mühevoll bereit erklärten, wenigstens jeweils einen russischen Diplomaten vor die Tür zu setzen: Italien und Ungarn. Zwischen freundschaftlich und skeptisch Durch die EU zieht sich jetzt ein Riss zwischen den "Putin-Freunden" (Österreich, Griechenland), den "kritischen Freunden" (Ungarn, Italien) und dem großen Rest der "gesprächsbereiten Russland-Skeptiker", wie es ein französischer EU-Diplomat formulierte. Zu diesen Ländern zählen Deutschland und Frankreich. Die öffentliche Wahrnehmung von "Massenausweisungen" russischer Diplomaten nicht nur in Europa, sondern auch in den USA und Australien täuscht aber über die wahren Verhältnisse hinweg, wenn man sich die einzelnen Staaten genauer ansieht - vor allem in Europa mit traditionell starken Russland-Banden: Aus Deutschland müssen gerade einmal vier Diplomaten gehen. In Ungarn ein einziger Diplomat. Dabei handelt es sich durchweg nicht um politisch relevantes Spitzenpersonal, sondern meistens um nachrangige Dienstgrade. Auch das konsularische Geschäft - Stichwort: Visa - soll nicht beeinträchtigt werden. In der Regel handelt es sich um Botschaftsmitarbeiter, die als Residenten russischer Sicherheits- und Geheimdienste stationiert sind - den Gastländern meistens trotz Tarnnamen wohlbekannt. Sie sind in der Regel geduldet. Es gibt ein gegenseitiges Einvernehmen, weil die eigene Seite nichts anderes tut. Noch keine echten Sanktionen Diese "Diplomaten" gehören zur Spielmasse bei Ausweisungen. Sie sind es gewöhnt, schnell wieder gehen zu müssen. Deshalb ist das Instrument der Diplomatenausweisungen traditionell ein sehr schwaches und offiziell sogar recht höfliches Instrument, um Unmut kund zu tun und vor allem zum Dialog anzuregen. So steht es sogar in den Erläuterungen zur UN-Konvention über diplomatische Beziehungen, die vor fast 60 Jahren auch die Diplomatenausweisungen genau geregelt hat. Weil die Botschafter bleiben dürfen, reißen auch die Gesprächskanäle nicht ab. Echte Sanktionen oder Bestrafungen beginnen erst, wenn Botschafter ausgewiesen oder diplomatische Beziehungen abgebrochen werden. Alles andere sind relativ weiche Druckmittel, die bewusst kein Porzellan zerschlagen sollen. Und so wird es wohl auch in Moskau ankommen. Dort wird man aber genau hinschauen, wer in der EU nicht einmal hier mitmachen will - zum Beispiel Österreich. Wien könnte also - auch wenn es viele in der EU ärgert - bald zur Nahtstelle für eine zögerliche Annäherung zwischen beiden Seiten werden. Hier laufen viele Fäden zwischen der EU, Russland und den USA zusammen. Und russische "Spione", um das Ganze einzufädeln, darf es in Wien ja noch geben. | /ausland/eu-russland-diplomaten-101.html |
2018-03-01 | Fake-Video diskreditiert Aktivistin | Schmutzkampagne gegen Emma Gonzalez | Emma González ist das Gesicht der Protestwelle gegen laxe US-Waffengesetze. Ein Kurzvideo im Netz zeigt nun, wie die Schülerin angeblich die amerikanische Verfassung zerreißt. Doch es ist ein Fake. Von Wolfgang Wichmann | Emma González ist das Gesicht der Protestwelle gegen laxe US-Waffengesetze. Ein Kurzvideo im Netz zeigt nun, wie die Schülerin angeblich die amerikanische Verfassung zerreißt. Doch es ist ein Fake. Emma González gehört zu den Überlebenden des Parkland-Massakers am 14. Februar mit 17 Toten - und seitdem gehört die Schülerin mit den kurz geschnittenen Haaren zu den bekanntesten Aktivisten für eine Verschärfung der US-Waffengesetze. Ihren jüngsten Großauftritt hatte sie am vergangenen Samstag. Hunderttausende Demonstranten verfolgten in Washington González' emotionalen Auftritt über ihre getöteten Mitschüler: Sechs Minuten und 20 Sekunden - so lange dauerte das Schulmassaker im US-Bundesstaat Florida. Und ungefähr so lange stand auch die Gonzalez auf der Bühne - vor allem schweigend. "Kämpft um euer Leben, bevor es die Aufgabe eines anderen ist", sagte Gonzalez, bevor sie von der Bühne ging. Gonzáles als Zielscheibe im Internet Für Waffenfans in den USA ist González als Anführerin der Bewegung "Never Again" ein rotes Tuch. In sozialen Netzwerken werden haufenweise Häme, Spott, aber auch Drohungen und viele verunstaltete Bilder der Aktivistin geteilt und noch härter kommentiert. Aber auch offline muss die Schülerin viel aushalten: So wurde González von einem republikanischen Politiker als "Skinhead-Lesbe" beschimpft. Nach massivem öffentlichen Druck gab der Republikaner eine Kandidatur für ein Amt im Bundesstaat Maine auf. Besondere Reichweite im Netz erzielt nun aber seit dem Wochenende ein manipuliertes Bewegtbild, das offenbar zunächst gemeinsam mit einem manipulierten Foto auf der Plattform 4chan veröffentlicht worden war: Die Gif-Sequenz zeigt, wie González in Begleitung von drei weiteren Mädchen die amerikanische Verfassung demonstrativ zerreißt. Das dazu veröffentlichte Foto zeigt einen Screenshot dieser Sequenz, in dem das Gesicht von González zusätzlich verändert worden ist - mit tieferen Augenringen und einer breiteren Nase. Erst bei genauerem Hinsehen ist zu erkennen, dass die Verfassung erst später über das Originalbild gelegt wurde. Auch dass am Ende des Clips der Slogan ihrer Bewegung #neveragain eingeblendet wird, macht deutlich, dass die Sequenz ursprünglich anders aussah. Eine weite Verbreitung im Netz verhinderte das nicht. Auch prominente Konservative wie der Schauspieler Adam Baldwin verbreiteten das falsche Gif auf ihren Accounts. Er postete das Gif mit dem Begleittext "vorwärts" - eine Anspielung auf ein Propagandalied der Hitlerjugend, wie unter anderem die "taz" berichtete. Originalaufnahme für die Zeitschrift "TeenVogue" Die Originalsequenz stammt aus einem Video der Zeitschrift "TeenVogue", das am Freitag online gestellt worden war. Im Original zerreißt Gonzáles eine Zielscheibe, wie sie auf Schießanlagen verwendet werden. Bereits am Sonntag versuchte Philipp Picardi von "TeenVogue", das falsche Video öffentlich richtig zu stellen. "Links ist das Foto von Emma González für das Cover der 'Teen Vogue'", twitterte Picardi. "Und rechts ist das, was sogenannte 'Waffenrechtsaktivisten' mit Photoshop daraus gemacht haben". https://twitter.com/pfpicardi/status/977959864042491905 Picardi ergänzte geradezu enttäuscht: "Die Tatsache, dass man dies überhaupt klarstellen muss, ist der Beweis dafür, wie die Demokratie zunehmend durch Leute beschädigt wird, die manipulieren und die Wahrheit neu erfinden." https://twitter.com/TeenVogue/status/977147108276015105 Fake News gegen andere Aktivisten Dabei ist González nicht das erste Opfer von Fake News unter den prominenten Aktivisten für schärfere Waffengesetze in den USA. Auch ihr Mitschüler David Hogg ist seit der Tat von Parkland durch die Medien bekannt geworden. Er sah sich Ende Februar dazu gezwungen auf CNN klarzustellen, dass er kein Krisenschauspieler sei: "Ich musste das alles erleben, durchleben und das geht immer noch weiter." https://twitter.com/CNN/status/965556550826975232 Posts und Videos die behaupteten, dass Hogg nur eine Marionette der Demokraten sei, erreichten online binnen weniger Tage mehr als 100.000 Klicks. Der Mitarbeiter eines Abgeordneten in Florida schrieb einer Zeitung, dass sowohl Hogg als auch González Krisenschauspieler seien. Der Mitarbeiter wurde daraufhin entlassen. Es sind vor allem rechte Webseiten im Internet, auf denen die Verschwörungstheorien verbreitet werden. Das gehört in den USA nach Amokläufen inzwischen zum traurigen Alltag für Überlebende und Hinterbliebene. | /faktenfinder/gonzalez-fake-101.html |
2018-03-01 | Ein schwerkrankes Geschäft | Ambulante Intensivpflege | In der ambulanten Intensivpflege werden Hochrisikopatienten betreut, meist rund um die Uhr. Häufig aber wollen Pflegedienste mit ihnen vor allem Kasse machen. Von C. Gürkov, L. Wreschniok und U. Hagmann. | In der ambulanten Intensivpflege werden Hochrisikopatienten betreut, meist rund um die Uhr. Häufig aber wollen Pflegedienste mit ihnen vor allem Kasse machen. Pfleger sind schlecht ausgebildet, die Kontrolle funktioniert nicht. Ein Milliardengeschäft auf Kosten von Schwerkranken. Etwa 20.000 Intensivpatienten werden in Deutschland nicht stationär, sondern zu Hause gepflegt. Sie sind auf eine qualifizierte 24-Stunden-Betreuung angewiesen. Ohne diese könnten sie nicht überleben. Doch das System hat viele Mängel, wie Recherchen des BR zeigen. Bea und Inge A. aus Fürth erleben seit sechs Jahren, was ambulante Intensivpflege bedeutet. Inge A. ist nach mehreren Schlaganfällen von den Schultern abwärts gelähmt. Sie hat eine Trachealkanüle im Hals, ein Röhrchen, das direkt in die Luftröhre führt. Inge A. kann nicht einmal husten, Pfleger müssen ihre Lunge absaugen, erklärt Bea A. Oft können sie es nicht, Bea A. bringt es ihnen bei: Bei jeder Firma, die kommt, habe ich das Gefühl, die bauen eher ab. Die haben immer Stress, die haben nicht genug Personal, die nehmen zu viele Patienten auf. Die Leute haben keine gute Ausbildung, die sind nicht qualifiziert. Die bringen Leute her, die kein Deutsch können. Nur dass jemand da sitzt, neben dem Patient. Etwa 21.000 qualifizierte Fachkräfte fehlen Die Zahl der Intensivpatienten steigt. Der Fachkräftemangel ist gravierend. Laut dem Deutschen Institut für angewandte Pflegewissenschaften fehlen schon jetzt rund 21.000 qualifizierte Kräfte. Das hat zur Folge, dass viel Personal aus dem Ausland kommt - in den vergangenen Jahren verstärkt aus den Ländern des Westbalkans. Die einen sind zwar ausgebildet, aber hier nicht anerkannt und sprechen kaum Deutsch. Andere kommen etwa als Haushaltshilfe nach Deutschland, werden aber trotzdem in der Intensivpflege eingesetzt. So wie Dana (Anm. der Redaktion: Name geändert) aus Serbien. Sie habe Monate lang durchgearbeitet und dafür kaum Geld bekommen, nur etwa zwei Euro brutto die Stunde, erzählt sie. Es dauerte lange, ehe sie sich entschloss, ihre Geschichte öffentlich zu erzählen. Noch immer hat sie Angst vor ihrem Ex-Chef und will daher anonym bleiben: Pflegekräfte wurden herangeschafft, nur damit der Arbeitgeber Geld verdient. Es hat niemanden interessiert, welche Ausbildung sie hatten oder woher sie kamen. (…) Es waren auch ausgebildete Pflegekräfte dabei. Aber ich hatte auch Kolleginnen, die überhaupt keinen Bezug zu einem Pflegeberuf hatten. Ihr ehemaliger Arbeitgeber schreibt auf Anfrage, dass alle ausländischen Mitarbeiter bezüglich Qualifikation und Sprachkenntnissen im Herkunftsland geprüft seien. Ohne diese Überprüfung sei eine Arbeitsaufnahme in Deutschland überhaupt nicht möglich. Lebensgefahr durch schlechte Pflege - Staatsanwaltschaft ermittelt Hilfskräfte wie Dana können im Notfall nicht einmal einen Arzt rufen, sie machen Fehler. BR Recherche und dem ARD-Politmagazin report München liegen Belege für zum Teil lebensgefährliche Situationen vor. Eine Patientin bekam eine gefährliche Überdosis eines starken, krampflösenden Mittels. Der Pflegedienst räumte dies ein und schrieb, eine "besondere Beeinträchtigung der Gesundheit des Patienten wurde glücklicherweise nicht festgestellt". In einem Fall schalteten Hilfskräfte versehentlich Beatmungsgeräte ab. Der Pflegedienst erklärte, dass alle Mitarbeiter über die notwendigen Ausbildungen und Qualifikationen verfügen würden. In einem weiteren Fall starb ein Intensivpatient, nachdem eine Pflegehelferin die Trachealkanüle gewechselt hatte. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft Hof wegen des Verdachts auf fahrlässige Tötung. Der Pflegedienst bedauerte das Ableben des Patienten und bestritt, Pflegehelfer bei Intensivpatienten einzusetzen. Hilfskräfte eingesetzt - Fachkräfte abgerechnet Die ambulante Intensivpflege ist ein Riesengeschäft. Allein die gesetzlichen Krankenkassen zahlen dafür vier Milliarden Euro im Jahr. Das hat das Deutsche Institut für angewandte Pflegewissenschaften in Köln berechnet. Daran wollen viele verdienen. Nach Informationen des BR setzen Pflegedienste häufig unqualifiziertes Personal ein, rechnen aber Intensivfachkräfte ab, für die sie von den Kassen viel mehr Geld erhalten. Der Beauftragte zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen der AOK Bayern, Dominik Schirmer, hat alle der rund 130 Intensivpflegedienste im Freistaat im Blick: Wir müssen feststellen, dass gegen 23 dieser Dienste zur Zeit Ermittlungsverfahren bei den Staatsanwaltschaften angesiedelt sind. Das finde ich schon eine erschreckend hohe Zahl, weil wir im Bereich der ambulanten Intensivpflege wirklich mit Fallkonstellationen konfrontiert sind, wo es im wahrsten Sinne des Wortes um Leben und Tod geht. Lückenhafte Kontrollen Für die Kontrolle der Intensivpflegedienste ist der Medizinische Dienst der Krankenkassen zuständig. Aber der MDK meldet sich in der Regel 24 Stunden vorher an. Das nutzen Dienste, um Papiere zu schönen oder Hilfskräfte gegen Fachkräfte auszutauschen. Markus Fischer vom MDK Bayern kann nicht überprüfen, ob vorgelegte Patientenlisten korrekt sind: "Wir haben keine Zugriffsmöglichkeiten wie eine Staatsanwaltschaft oder eine Ermittlungsbehörde, und wir können nur auf die Zusammenarbeit und die Mitwirkungspflicht des Pflegedienstes hoffen und auch daran anknüpfen. Nur das, was uns vorgelegt wird, das können wir einsehen." Systematische Täuschung Intensivpfleger berichten, dass einige Dienste den MDK systematisch täuschen. Dem BR liegen Belege vor, wonach Pflegedienste mehrere Dienstpläne führten. Einen für den MDK, einen für die Gewerbeaufsicht, die die Arbeitszeit kontrolliert, und dann noch den tatsächlichen Dienstplan. Selbst wenn der MDK Missstände aufdeckt, kann er darüber nur informieren. Aktiv werden müssen die Kassen. Und geschlossen werden kann ein Intensivpflegedienst erst nach einer rechtskräftigen Verurteilung. Diese und weitere Beiträge können Sie heute Abend um 21.45 Uhr in der Sendung report München im Ersten sehen. | /inland/ambulante-intensivpflege-101.html |
2018-03-01 | Wie reagiert Putin? | Fall Skripal | Nachdem mehr als 20 Länder als Reaktion auf den Fall Skripal russische Diplomaten ausgewiesen haben, berät Moskau über die nächsten Schritte. Sicher ist, dass Putin reagieren wird. Wann, ist noch offen.
mehr | Nachdem mehr als 20 Länder als Reaktion auf den Fall Skripal russische Diplomaten ausgewiesen haben, berät Moskau über die nächsten Schritte. Sicher ist, dass Putin reagieren wird. Wann, ist noch offen. Nach der Ausweisung russischer Diplomaten aus mehreren EU-Ländern und den USA sowie einer Reihe anderer Staaten will Moskau über Gegenmaßnahmen beraten. Das Außenministerium und andere Behörden bereiteten bereits Schritte vor, erklärte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Wann diese beschlossen werden, war zunächst nicht bekannt. Die endgültige Entscheidung werde Präsident Wladimir Putin treffen, hieß es. Es werde Maßnahmen gegen jedes einzelne Land geben, das russische Diplomaten ausweisen will, sagte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Montagabend im russischen Fernsehen. Experten gehen davon aus, dass Russland mindestens ebenso viele Diplomaten ausweisen wird. "Die russische Seite ist gut vorbereitet, die Antwort wird sehr schnell kommen", sagte der Politologe Wladislaw Below der "Deutschen Presse-Agentur" in Moskau. Gleichzeitig könne Moskau auch andere Strategien wählen, meinte der Deutschland-Experte von der Russischen Akademie der Wissenschaften. Großbritannien, die USA, Deutschland sowie zahlreiche weitere Länder verwiesen in einer bislang beispiellosen Gemeinschafsaktion russische Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter des Landes. Großbritannien ist zufrieden Die britische Premierministerin Theresa May hatte sich zufrieden über die Unterstützung aus dem Ausland nach dem Giftanschlag auf den früheren Doppelagenten Sergej Skripal gezeigt. Nach den Ankündigungen von 20 Ländern, ebenfalls russische Diplomaten auszuweisen, sagte May im britischen Parlament: Zusammen haben wir die Botschaft gesendet, dass wir Russlands fortgesetzte Versuche, sich über internationales Recht hinwegzusetzen und unsere Werte zu unterminieren, nicht tolerieren. In einer bislang beispiellosen Gemeinschaftsaktion wurden mehr als 100 russische Diplomaten und Geheimdienstmitarbeiter ausgewiesen. Innerhalb von sieben Tagen müssen sie das jeweilige Land verlassen. May stellte fest, es handle sich um die größte Aktion dieser Art in der Geschichte. Zuvor hatte Großbritanniens Außenminister Boris Johnson von einer "außergewöhnlichen internationalen Reaktion unserer Verbündeten" gesprochen. 16 EU-Länder beteiligt Auf ihrem Gipfel am Freitag hatten die EU-Staaten Russland als Verantwortlichen für den Giftanschlag in Südengland benannt. Die 28 EU-Regierungen verurteilten in einer Erklärung den Anschlag "in schärfster Weise". Nun entschlossen sich 16 EU-Länder, russische Diplomaten auszuweisen, zuletzt auch Ungarn. Weitere Maßnahmen könnten folgen, erklärte EU-Ratspräsident Donald Tusk. Deutschland entschied, vier russische Mitarbeiter nach Hause zu schicken. "Nach dem Giftanschlag von Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei", begründete das Auswärtige Amt den Beschluss: Die Ausweisung der vier Diplomaten ist ein starkes Signal der Solidarität mit Großbritannien und signalisiert die Entschlossenheit der Bundesregierung, Angriffe auf unsere engsten Partner und Alliierten nicht unbeantwortet zu lassen. Bundesaußenminister Heiko Maas hob hervor, die Entscheidung sei "nicht leichtfertig" getroffen worden. "Aber die Fakten und Indizien weisen nach Russland." Wir haben heute vier russische Diplomaten aus Deutschland ausgewiesen. Denn nach dem Giftanschlag von #Salisbury trägt Russland noch immer nicht zur Aufklärung bei. "Wir haben die Entscheidung nicht leichtfertig getroffen", sagt AM @HeikoMaas https://t.co/2TXJa3co8H USA weisen 60 Diplomaten aus Auch fünf Nicht-EU-Staaten schlossen sich an. Die USA allein verwiesen 60 russische Geheimdienstmitarbeiter des Landes. Zwölf von ihnen sind laut Weißem Haus bei den Vereinten Nationen in New York stationiert. Betroffen von den Ausweisungen seien russische Agenten, die in hohem Maße damit beschäftigt seien, "aggressiv Informationen zu sammeln", hieß es weiter vonseiten der US-Regierung. Zudem verfügte US-Präsident Donald Trump die komplette Schließung des russischen Konsulats in Seattle. Dieses werde für Spionageaktivitäten gegen eine nahe gelegene U-Boot-Basis sowie gegen die Fabrik des Flugzeugherstellers Boeing genutzt, hieß es zur Begründung. Moskau denkt an Vergeltung Die Giftattacke hatte bereits zu diplomatischen Verwerfungen zwischen Großbritannien und Russland geführt. Beide Länder ordneten bereits vor Tagen die Ausweisung von 23 Diplomaten des jeweils anderen Landes an. Die Ausweisungen haben erste wirtschaftliche Folgen. der Rubel geriet unter Druck. Der Eurokurs stieg auf bis auf 71,05 Rubel, nachdem er zuvor bei 70,70 Rubel notiert hatte. Auch der US-Dollar legte zu. Der russische Aktienmarkt gab etwas nach. May: Möglicherweise 130 Menschen Nervengift ausgesetzt Moskau wies bis jetzt jegliche Schuld an dem Angriff auf den russischen Ex-Doppelagenten Sergej Skripal zurück. Bei dem Anschlag im britischen Salisbury waren Skripal und seine Tochter am 4. März schwer vergiftet worden. Die Täter nutzten dabei nach derzeitigem Ermittlungsstand den in der früheren Sowjetunion entwickelten Kampfstoff Nowitschok. Beide befinden sich weiter im Koma. Ärzte bezeichnen ihren Zustand als ernst, aber stabil. Premierministerin May wies jedoch darauf hin, er sei "unwahrscheinlich, dass sich an deren Zustand in naher Zukunft etwas ändern wird, und es kann sein, dass sie sich nie vollständig erholen." Durch den Gift-Anschlag könnten May zufolge mehr als 130 Menschen dem verwendeten Nervengift ausgesetzt worden sein. Demnach haben die britischen Behörden Informationen, wonach Russland in den vergangenen zehn Jahren Forschungen zum Einsatz von Nervengiften anstellte. Wahrscheinlich sei es dabei um Tötungen gegangen, sagte May. In Salisbury soll noch in dieser Woche mit der Dekontamination einiger Gebäude begonnen werden. Davon sind auch das Restaurant und der Pub betroffen, in dem sich Skripal mit seiner Tochter Julia am Tag des Attentats aufgehalten hat, wie der Fernsehsender Sky News berichtete. Es handelt sich nach Angaben der Polizei um eine reine Vorsichtsmaßnahme; die Öffentlichkeit sei nicht in Gefahr. | /ausland/skripal-diplomaten-105.html |
2018-03-01 | Eine Beförderung und 134 Fragen | Fall Selmayr vor dem EU-Parlament | Die Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission sorgt weiter für Aufregung. 134 Fragen hatten Parlamentarier der Behörde geschickt. EU-Kommissar Oettinger verteidigt den Schritt. Von Karin Bensch. | Die Beförderung Selmayrs zum Generalsekretär der EU-Kommission sorgt weiter für Aufregung. 134 Fragen hatten Parlamentarier der Behörde geschickt. EU-Kommissar Oettinger verteidigt den Schritt. Inge Gräßle hält einen Stapel Papier in die Luft. Die Vorsitzende des Haushaltskontrollausschusses im Europaparlament und ihre Kollegen hatten der EU-Kommission 134 Fragen zugeschickt, in denen es um die umstrittene Beförderung Martin Selmayrs zum neuen Generalsekretär ging. Die Brüsseler Behörde antwortete auf 80 Seiten Papier. Geklärt ist damit allerdings noch nicht alles, meint die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle. "Ich glaube fest, dass eine Ernennung zum stellvertretenden Generalsekretär keinerlei Aufsehen erregt hätte", sagt sie. "Dass dann aber der bisherige Generalsekretär in der gleichen Sitzung seine Pensionierung bekannt gibt und sein neuer Stellvertreter in der gleichen Sitzung weiterbefördert wird - das ist der Knackpunkt, glaube ich. Das fühlt man sich nicht wirklich ernst genommen." Zweimal befördert innerhalb weniger Minuten Der 47-jährige Selmayr, zuvor Kabinettschef von Kommissionspräsident Juncker, war Anfang Februar innerhalb weniger Minuten gleich zweimal befördert worden - zunächst zum stellvertretenden Generalsekretär der EU-Kommission, gleich im Anschluss zum Generalsekretär. Dieses Verfahren kritisieren viele Abgeordnete des Europaparlaments als undurchsichtig und rufschädigend für die Europäische Union. Kritiker sind der Meinung, Kommissionschef Juncker habe kurz vor Ende seiner Amtszeit seinem engen Vertrauen Selmayr den höchsten Beamtenjob in der EU zugeschoben: den mächtigen Posten des Generalsekretärs der EU-Kommission, der Chef über rund 32.000 Mitarbeiter ist. Für Gräßle fehlen dem neuen Generalsekretär Erfahrungen im Bereich Management. Selmayr sei "ein engagierter Mann, der schnell Karriere gemacht hat", sagt sie. "Schneller als alle anderen Beamten, wie wir auch dank der Beantwortung der Fragen wissen." Acht seiner 13 Jahre habe er in Kabinetten zugebracht. Dagegen sei nichts einzuwenden. "Aber wir sehen keine Managementerfahrungen, wie wir sie von Generaldirektoren kennen." Oettinger verteidigt Beförderung Günther Oettinger, in der EU-Kommission auch für Personalfragen zuständig und wie Gräßle CDU-Mitglied, verteidigte dagegen die umstrittene Beförderung. Er machte sich für die Qualitäten von Selmayr stark. "Er hat uneingeschränkt die fachliche und persönliche Qualifikation, die für dieses Amt notwendig ist." Auch an der Art des Verfahrens, also der doppelten Beförderung in Rekordzeit, gibt es seiner Ansicht nach nichts zu beanstanden. "Wir sind auch nach nochmaliger Prüfung von der Ordnungsmäßigkeit und der Rechtmäßigkeit des Verfahrens und des Verfahrensergebnisses überzeugt." Selbst wenn die Blitzbeförderung Selmayrs juristisch einwandfrei ist, hinterlässt sie einen bitteren Nachgeschmack. Denn sie macht deutlich, wie sehr Spitzenvertreter der EU-Institutionen Glaubwürdigkeit und Transparenz predigen, sich im Zweifelsfall aber selbst darüber hinwegsetzen. | /ausland/selmayr-eu-parlament-101.html |
2018-02-01 | Kommen nun Diesel-Fahrverbote? | Bundesverwaltungsgerichts-Urteil | Das Bundesverwaltungsgericht muss entscheiden, ob Fahrverbote in Innenstädten für Diesel-Fahrzeuge zulässig sind. ARD-Rechtsexperte Frank Bräutigam über "Luftreinhaltepläne" und vier mögliche Szenarien.
mehr | Das Bundesverwaltungsgericht muss entscheiden, ob Fahrverbote in Innenstädten für Diesel-Fahrzeuge zulässig sind. Fragen und Antworten zu "Luftreinhalteplänen", blauen Plaketten und vier möglichen Szenarien. Wie kam es zum Streit um Fahrverbote? Die Luft ist schlecht in zahlreichen Innenstädten, gleichzeitig sind viele Menschen auf ihr Auto angewiesen - ein schwieriges Spannungsfeld. Anlass des Streits sind die gesetzlich geregelten Grenzwerte für Stickstoffdioxid. Seit 2010 liegen sie bei 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Am Stuttgarter Neckartor lagen sie 2016 zum Beispiel bei 82 Mikrogramm, 2017 bei 73. Wenn die Grenzwerte überschritten werden, nimmt das Gesetz die Behörden in die Pflicht. Sie müssen einen "Luftreinhalteplan" aufstellen mit konkreten Maßnahmen, die wieder zur Einhaltung der Grenzwerte führen. Für Stuttgart gab es so einen Plan erstmals 2006. Streitpunkt ist die aktuelle Version von Mai 2017. Darin sind unter anderem der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Geschwindigkeitsbegrenzungen vorgesehen. Die insgesamt 20 Maßnahmen reichen nicht aus, findet der Verband "Deutsche Umwelthilfe". Die Behörden müssten den Plan ergänzen, vor allem um Fahrverbote für Diesel. Das Ziel: Die Gerichte sollen sie zu den erforderlichen Maßnahmen verpflichten. Wie viele Städte sind betroffen? Am Bundesverwaltungsgericht geht es um Urteile aus Stuttgart im Juli 2017 und Düsseldorf im September 2016. Die "Deutsche Umwelthilfe" führt aber in zahlreichen Städten deutschlandweit Gerichtsverfahren zu diesem Thema. Eigentlich klagen vor den Verwaltungsgerichten Bürgerinnen und Bürger. Im Umweltrecht gibt es aber laut Gesetz die Möglichkeit, dass auch Verbände ein Klagerecht haben. Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts hat Bedeutung für alle laufenden Verfahren. Was haben die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf entschieden? Die Verwaltungsgerichte in Stuttgart und Düsseldorf gaben der "Deutschen Umwelthilfe" Recht. Die Behörden wurden verurteilt, die jeweiligen Luftreinhaltepläne zu ergänzen, dass sie "die erforderlichen Maßnahmen zur schnellstmöglichen Einhaltung" der Grenzwerte enthalten. Wichtig: Im Urteilstenor selbst kommt der Begriff "Fahrverbot" nicht vor. Die Gerichte ordnen sie also nicht unmittelbar an. Dafür wären die Behörden zuständig. Aber: In der Urteilsbegründung machte das Stuttgarter Gericht sehr deutlich: Als "erforderliche Maßnahmen" kämen derzeit nur Diesel-Fahrverbote in Betracht. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf ist ein wenig defensiver und sagt, insbesondere Fahrverbote müssten "ernstlich geprüft und abgewogen" werden. Beide Gerichte halten Fahrverbote aber für rechtlich zulässig. Das hatten die Behörden anders gesehen. Warum sieht das Verwaltungsgericht Stuttgart Fahrverbote als einziges Mittel? Das Gericht sagt: Unstreitig würden die Grenzwerte in der Umweltzone Stuttgart bis heute nicht eingehalten. Die Maßnahmen im aktuellen "Luftreinhalteplan" reichten nicht aus, weil sie die Belastung zusammen nur um 15 Prozent reduzieren. Nötig sei aber eine Reduzierung um rund 50 Prozent. Ein Dieselfahrverbot unterhalb der Klasse 6 sei die "effektivste und derzeit einzige" Maßnahme, um die Grenzwerte einzuhalten. Interessant ist: Dabei beruft sich das Gericht nicht auf Argumente der Kläger, sondern ausdrücklich auf ein Gutachten des Landes Baden-Württemberg. Ein Fahrverbot verstoße auch nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Der Schutz von Leben und Gesundheit der betroffenen Bürgerinnen und Bürger sei höher zu gewichten als das Eigentum der betroffenen Autofahrer. Die Behörden des Landes hätten schließlich das Recht, ein Fahrverbot samt nötigem Verkehrsschild anzuordnen und durchzusetzen. Wäre die "Nachrüstlösung" der Software eine Alternative zum Fahrverbot? Im konkreten Fall war eine zentrale Frage: Kann eine Software-Nachrüstung der Diesel-Autos Fahrverbote verhindern - quasi als "milderes Mittel"? Das Gericht verneinte und berief sich erneut auf das Gutachten des Landes: Selbst wenn alle betroffenen Autos nachgerüstet würden, würde das die Werte bis 2020 nur um neun Prozent verringern. Das Stuttgarter Gericht moniert: "Mit einem Festhalten an der "Nachrüstlösung" würde die Planbehörde also in ganz erheblichem Maße gegen ihre gesetzliche Verpflichtung zur schnellstmöglichen Minimierung der gesundheitsschädlichen Luftverunreinigungen (…) in voller Kenntnis dieser unstreitigen Sachlage gegen ihre Handlungspflichten (…) verstoßen." Was bedeutet die "Sprungrevision" zum Bundesverwaltungsgericht? Die Behörden hätten die Möglichkeit gehabt, "Berufung" gegen die Urteile einzulegen. Dann wären die kompletten Fälle in zweiter Instanz noch einmal aufgerollt worden. Man hätte auch neue Fakten zu Auswirkungen und Alternativen vortragen können. Die Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg haben die zweite Instanz aber übersprungen und direkt Revision zum Bundesverwaltungsgericht eingelegt ("Sprungrevision"). In Leipzig werden nun ausschließlich die rechtlichen Fragen überprüft. Neue Gutachten gibt es nicht. Um welche Rechtsfragen geht es am Bundesverwaltungsgericht? Zwei Punkte könnten unter anderem eine Rolle spielen. Einmal die "Verhältnismäßigkeit" eines Fahrverbots. Haben die Gerichte Fehler bei der Prüfung gemacht, ob das "scharfe Schwert" des Fahrverbots geeignet, erforderlich und in der Abwägung zwischen Gesundheitsschutz und Eigentum angemessen ist? Außerdem stellt sich die Frage: Gibt es bereits eine ausreichende rechtliche Grundlage für ein Fahrverbot? Dieser Punkt klingt sehr formal, ist aber wichtig. Wenn der "Luftreinhalteplan" Fahrverbote enthalten soll, dann müssen die Behörden auch die rechtliche Möglichkeit haben, diese anzuordnen. Das geht bei so einer einschneidenden Maßnahme nicht einfach so, sondern nur mit einer gesetzlichen Grundlage (und einem passenden Verkehrsschild). Eine "blaue Plakette", die ein Diesel-Fahrverbot umsetzen könnte, gibt es bislang nicht. Der Bund müsste sie einführen, was bislang politisch nicht in Sicht ist. Die beiden Verwaltungsgerichte gehen davon aus, dass die Bundesländer nach der aktuellen Straßenverkehrsordnung als gesetzliche Grundlage Fahrverbote anordnen dürfen. Das ist aber eine sehr umstrittene Frage. Das deutsche Umweltrecht zu diesem Thema basiert übrigens auf EU-Recht, das ebenfalls eine gewisse Rolle spielen könnte. Welche Szenarien sind möglich? Das Bundesverwaltungsgericht könnte 1. Die beiden Urteile aus Stuttgart und Düsseldorf bestätigen. Die Frage wäre dann, ob und wie schnell die Behörden vor Ort die Urteile umsetzen. Für alle laufenden Verfahren wäre die Signalwirkung, dass Fahrverbote rechtlich möglich sind. 2. Die Klagen direkt abweisen. Das könnte passieren, wenn es für Fahrverbote noch keine gesetzliche Grundlage gibt. Dann müsste die Politik diese erst schaffen. 3. Die Urteile aufheben und die Fälle zurückverweisen, um weitere Fakten aufzuklären und die Fälle erneut zu prüfen. 4. Die Fälle dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg vorlegen. Die deutschen Rechtsgrundlagen für Grenzwerte und Luftreinhaltepläne basieren auf EU-Recht. Bei Zweifelsfragen rund um die Auslegung kann ein nationales Gericht den EuGH vorab um Klärung bitten. Dann wäre das Verfahren quasi in der "Warteschleife". Kann das Bundesverwaltungsgericht selbst und sofort Fahrverbote anordnen? Nein. Es überprüft nur die angegriffenen Urteile. Fahrverbote würden von den Behörden vor Ort angeordnet. Über die genaue Umsetzung könnten sich dann noch größere Diskussionen entwickeln. Können neue Vorschläge für Alternativen zum Fahrverbot eine Rolle spielen? Für das aktuelle Urteil aus Leipzig nicht. Dort spielen neue Vorschläge wie eine Hardware-Nachrüstung oder kostenloser öffentlicher Nahverkehr keine Rolle. Würde Leipzig die beiden Urteile bestätigen, müssten die Behörden vor Ort schnellstmöglich effektive Maßnahmen treffen, um die Grenzwerte einzuhalten. Theoretisch könnten das auch neue Vorschläge jenseits von Fahrverboten sein. Entscheidend wäre aber, dass die Werte dadurch schnell und massiv nach unten gehen. Andernfalls würden die Gerichte sofort wieder eingreifen. | /inland/fahrverbote-107.html |
2018-02-01 | Überlebende als Betrüger beschuldigt | Nach Massaker in Parkland | Es ist ein trauriges Ritual nach Massakern wie in Parkland: Überlebende werden im Netz beschuldigt, Teil einer Inszenierung zu sein. Sie werden als Krisenschauspieler bezeichnet. Von Martina Buttler. | Es ist ein trauriges Ritual nach Massakern wie in Parkland: Überlebende werden im Netz beschuldigt, Teil einer Inszenierung zu sein. Sie werden als Krisenschauspieler bezeichnet. Sie sollen Krisenschauspieler sein, die an den Ort von Schießereien reisen und dort Wut gegen Waffen anstacheln. Das ist eine Verschwörungstheorie, die über einige Schüler der Stoneman Douglas Highschool kursiert. Ein Ziel der Verschwörungstheoretiker: David Hogg. Der 17-jährige Chef der Schülerzeitung ist in den vergangenen Tagen mit wortgewandten Interviews bekannt geworden. Nun musste er auf CNN klarstellen, dass er kein Krisenschauspieler sei: "Ich musste das alles erleben, durchleben und das geht immer noch weiter. Dass Donald Trump Junior einen solchen Post geliked hat, finde ich widerlich." https://twitter.com/CNN/status/965556550826975232 Es sind vor allem rechte Webseiten im Internet, auf denen die Verschwörungstheorien verbreitet werden. Das gehört in den USA nach Amokläufen inzwischen zum traurigen Alltag für die Überlebenden und Hinterbliebenen. Die Erfahrung hatte auch Andy Parker gemacht. Seine Tochter Alison war Reporterin und wurde vor laufender Kamera erschossen. Ihm sei gesagt worden, er sei ein Krisenschauspieler. Das alles sei gar nicht passiert und seine Tochter Alison lebe in Israel. "Ich denke mir nur", sagt Parker: "Wie kommt man auf so einen Mist?" Mit der Trauer und den Lügen leben lernen Auch David Wheeler kennt diese Geschichten: Sein Sohn Ben war sechs Jahre alt, als er beim Amoklauf an der Sandy Hook Grundschule getötet wurde. David musste neben seiner Trauer irgendwie damit umgehen lernen, dass ihm Fremde online vorwerfen, er würde das alles nur vorspielen. Der Amoklauf und der Tod seines Sohnes - alles sei nur eine Erfindung. David schiebt das weg, will seine Energie nicht darauf verschwenden. Er geht nicht auf die Verschwörungstheoretiker und ihre wirren Thesen ein: "Ich reagiere nicht auf diese Leute. Da geht es nicht um mich." Schnell haben Posts und Videos online mehr als 100.000 Klicks bekommen, die in den vergangenen Tagen behaupteten, dass der 17-jährige David Hogg nur eine Marionette der Demokraten sei. Der Mitarbeiter eines Abgeordneten in Florida schrieb einer Zeitung, dass sowohl David als auch das zweite bekannte Gesicht des Protests, Emma Gonzalez, Krisenschauspieler seien. Der Mitarbeiter wurde entlassen. Teil einer neuen Realität Verschwörungstheorien sind Teil der neuen Realität für einige der Schüler, die das Massaker an der Stoneman Douglas High School überlebt haben. David Hogg schüttelt darüber bisher nur den Kopf: "Diese Leute weigern sich zu glauben, dass so etwas überhaupt passieren kann." Aber es sei passiert, sagt David Hogg. Und weiter: "Ich bin ganz und gar kein Schauspieler. Und was die sagen, ist verstörend." Verschwörungstheorien sind der inzwischen übliche Nachhall von Amokläufen in den USA. Überlebende und Hinterbliebene müssen lernen, damit zu leben. Denn diese wirren Theorien hören nicht auf - auch Jahre später nicht. Die Frage ist nur, wie jeder Betroffene damit umzugehen lernt. | /faktenfinder/parkland-crisis-actor-101.html |
2018-02-01 | Albanien und Mazedonien sollen bald beitreten | EU-Kommission | Schon zum Sommer will die EU-Kommission Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aufnehmen, das kündigte EU-Kommissar Hahn in der "Welt" an. Beide hätten sich durch wichtige Reformen qualifiziert.
mehr | Schon zum Sommer will die EU-Kommission Beitrittsverhandlungen mit Albanien und Mazedonien aufnehmen, das kündigte EU-Kommissar Hahn in der "Welt" an. Beide hätten sich durch wichtige Reformen qualifiziert. Die Europäische Kommission ist für eine baldige Erweiterung der EU um Albanien und Mazedonien. Die Kommission will für die zwei Westbalkanstaaten die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen empfehlen. Der zuständige EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn sagte der Zeitung "Welt": "Die EU-Kommission wird den Mitgliedstaaten bald - höchstwahrscheinlich bis zum Sommer - empfehlen, die Beitrittsverhandlungen mit Albanien und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien aufzunehmen." "Die Menschen verdienen europäische Perspektive" Die Menschen in diesen Ländern hätten eine konkrete europäische Perspektive verdient. Beide Länder hätten in der Vergangenheit wichtige Reformen vorgenommen und sich damit für diesen Schritt qualifiziert. So habe Albanien "im Kampf gegen die organisierte Kriminalität eine Menge getan", sagte Hahn weiter. An den rechtsstaatlichen Bedenken der Kommission gegenüber der Türkei habe sich wiederum nichts geändert. Weitere Reformen sind nötig Die Kommission hatte der Region Anfang Februar die Tür für einen Beitritt bis 2025 geöffnet. Mit Serbien und Montenegro werden bereits Gespräche geführt. Daneben dürfen sich noch Mazedonien, Albanien, Kosovo und Bosnien-Herzegowina Hoffnungen auf eine Mitgliedschaft machen. Ungarn, Österreich, Polen und Italien machen sich für eine baldige Aufnahme stark. Hahn hatte vergangene Woche erklärt, die Staaten des Westbalkans müssten vor einem EU-Beitritt noch viel Arbeit leisten. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte sich erst am Mittwoch auch angesichts stärkerer Einflussversuche Russlands und Chinas für eine weitere Annäherung des westlichen Balkans an die EU ausgesprochen. Deutschland unterstütze die EU-Perspektive für sechs Balkan-Staaten, machte Merkel nach einem Gespräch mit dem Ministerpräsidenten Mazedoniens, Zoran Zaev, in Berlin deutlich. Sie wies aber auf nötige weitere Reformen etwa im Rechtssystem hin. Auf ein Datum für einen möglichen EU-Beitritt legte sich Merkel nicht fest. | /ausland/balkan-beitritt-101.html |
2018-02-01 | Ihr Widerstand wirkt weiter | 75. Todestag der Geschwister Scholl | Vor 75 Jahren wurden Hans und Sophie Scholl hingerichtet, weil sie zum Widerstand gegen das NS-Regime aufriefen. Noch heute stehen ihre Namen für Mut und den Kampf gegen Unrecht. Von Stefan Maier. | Vor 75 Jahren wurden Hans und Sophie Scholl hingerichtet, weil sie zum Widerstand gegen das NS-Regime aufriefen. Noch heute stehen ihre Namen für Mut und den Kampf gegen Unrecht. Es ist kurz nach 17 Uhr am 22. Februar 1943, als Sophie Scholl im Zuchthaus München-Stadelheim unter dem Fallbeil ihr Leben verliert. Mit den Worten "Es lebe die Freiheit!" stirbt wenige Minuten später ihr Bruder Hans. Am gleichen Tag wird auch Christoph Probst hingerichtet, ebenfalls Mitglied der Widerstandsgruppe "Weiße Rose". Erst vier Tage vorher waren die drei verhaftet worden. Hans und Sophie hatten in der Universität München Flugblätter ausgelegt, die zum Widerstand gegen das nationalsozialistische Regime aufriefen. "Der deutsche Name bleibt für immer geschändet", heißt es darin wenige Tage nach der Kapitulation in Stalingrad, "wenn nicht die Deutsche Jugend endlich aufsteht, rächt und sühnt zugleich, ihre Peiniger zerschmettert und ein neues geistiges Europa aufrichtet!" Verhaftet, verhört, verurteilt Als Sophie Flugblätter in den Innenhof der Universität wirft, wird sie vom Hausmeister beobachtet. Er hält die Geschwister fest. Sie werden verhaftet, drei Tage lang verhört. Am 22. Februar verurteilt sie der Präsident des Volksgerichtshofs, Roland Freisler, zum Tode. Vier Stunden später werden sie hingerichtet. Aus den Vernehmungsprotokollen der Gestapo spricht der Mut der Geschwister noch im Angesicht des Todes. "Ich bin nach wie vor der Meinung, das Beste getan zu haben, was ich gerade jetzt für mein Volk tun konnte. Ich bereue deshalb meine Handlungsweise nicht und will die Folgen (…) auf mich nehmen." So endet das Protokoll. Sie wusste ebenso wie ihr Bruder, dass sie das Todesurteil erwartete. Kurz vor der Hinrichtung verabschiedeten sich die Geschwister von ihren Eltern. Deren Gnadengesuch blieb erfolglos. Erbe von der Familie weitergeführt Julian Aicher ist einer der Neffen der Geschwister Scholl. Seine Mutter, Inge Aicher Scholl, hat die Botschaft der Geschwister weitergeführt, in Büchern über die beiden, in Taten. Sie hat mit ihrem Mann, dem Designer Otl Aicher, in den 1950er-Jahren gegen die Wiederbewaffnung protestiert, in den 1980ern gegen Atomraketen. Auch Julian fühlt sich dem Erbe verpflichtet. Vor gut einem Jahr wollte die AfD die Geschwister Scholl für sich vereinnahmen. "Sophie Scholl würde AfD wählen", hieß es beim Kreisverband Nürnberg. Julian und weitere drei Neffen wehrten sich, veröffentlichten eine Erklärung: "Sophie Scholl kann keine Partei wählen. Denn Sophie Scholl ist seit 1943 tot. Hingerichtet von Leuten, die heute in der AfD wieder Nachahmer finden." Sophie Scholl hätte bestimmt keine Partei gewählt, in der Nazi-Parolen beklatscht werden, sagt Julian Aicher. "Sie haben die Unmenschlichkeit angeprangert" Die Geschwister haben Julian Aichers Leben geprägt. Freude und Belastung zugleich, wie er sagt. Belastung, weil die Erinnerung an zwei Menschen, die mit 21 und 24 ermordet wurden, schmerzvoll ist, obwohl er sie nie kennengelernt hat. Freude, weil ihr Mut ihm Vorbild ist. Er trägt ihr Erbe weiter. Besucht etwa Schulen, um Kindern das Leben seiner Familie näherzubringen. "Sie haben die Unmenschlichkeit angeprangert", sagt er dann, "Anklage erhoben gegen Gleichgültigkeit und das Wegschauen". Das gelte noch heute. In Zeiten von Internethetze, Populismus und Fremdenfeindlichkeit. Zumal den Mund aufzumachen und sich einzumischen kein Risiko mehr sei, das man mit dem Leben bezahle. | /inland/75-jahre-hinrichtung-geschwister-scholl-101.html |
2018-02-01 | Millionenstrafe für Bosch und Continental | Illegale Kartelle | Die EU-Kommission hat gegen mehrere Konzerne Kartellstrafen in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro verhängt. Die deutschen Autozulieferer Bosch und Continental müssen jeweils rund 75 Millionen Euro Strafe zahlen.
mehr | Die EU-Kommission hat gegen mehrere Konzerne Kartellstrafen in Höhe von mehr als einer halben Milliarde Euro verhängt. Die deutschen Autozulieferer Bosch und Continental müssen jeweils mehr als 70 Millionen Euro Strafe zahlen. Wegen der Bildung illegaler Kartelle hat die EU-Kommission Millionenstrafen gegen die deutschen Autozulieferer Bosch und Continental verhängt. Bosch hat sich nach Feststellung der Brüsseler Wettbewerbshüter mit zwei japanischen Konkurrenten auf dem Markt für Zündkerzen abgesprochen sowie mit Continental und dem Zulieferer ZF TRW bei Bremssystemen. Dies teilte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager mit. Wegen des Zündkerzen-Kartells ordnete die Kommission eine Geldbuße von insgesamt 76 Millionen Euro an, wegen der Absprachen bei Bremsen von 75 Millionen Euro. Darüber hinaus sollen mehrere Seetransport-Unternehmen aus Chile, Japan, Norwegen und Schweden Absprachen beim interkontinentalen Transport von Fahrzeugen getroffen haben. Sie bekommen dafür eine Geldbuße von insgesamt 395 Millionen Euro aufgebrummt. "Die drei heute erlassenen Beschlüsse zeigen, dass wir wettbewerbswidriges Verhalten, das den europäischen Verbrauchern und Unternehmen schadet, nicht tolerieren", erklärte Vestager. | /wirtschaft/eu-bosch-continental-101.html |
2018-02-01 | Mit Gegenzöllen Trump treffen | Medienbericht | Erst hatten die USA Strafzölle auf Stahlimporte angedroht, nun könnte die EU zurückschlagen. Laut einem "FAZ"-Bericht erwägt sie, Abgaben auf Harley-Davidson-Motorräder und Whiskey zu erheben.
mehr | Erst hatten die USA Strafzölle auf Stahlimporte angedroht, nun könnte die EU zurückschlagen. Laut einem "FAZ"-Bericht erwägt sie, Abgaben auf Harley-Davidson-Motorräder und Whiskey zu erheben. Die Europäische Union bereitet sich einem Zeitungsbericht zufolge auf einen möglichen Handelskrieg mit den USA vor. Sollten die dort geplanten Importbeschränkungen auf Stahl und Aluminium auch europäische Unternehmen treffen, könnte die EU binnen Tagen mit Gegenzöllen auf wichtige amerikanische Produkte reagieren, berichtet die "Frankfurter Allgemeine Zeitung". Ziel: Trump-Unterstützer treffen Im Fokus stünden demnach insbesondere landwirtschaftliche Exportprodukte, darunter Kartoffeln und Tomaten. Darüber hinaus wollen die Europäer aber auch die Regierung von US-Präsident Donald Trump dadurch treffen, dass Produkte mit Gegenzöllen belegt werden, die für die Wahlkreise von Unterstützern des Präsidenten wirtschaftlich interessant sind. Dazu gehören unter anderem Motorräder, weil der Hersteller Harley-Davidson seinen Sitz in Wisconsin hat, aus dem der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses Paul Ryan stammt. Genannt werde auch Bourbon-Whiskey aus Tennessee sowie Kentucky, der Heimat des Mehrheitsführers im Senat, Mitch McConnell. Die Liste stamme schon aus der Zeit des letzten großen Handelsstreits unter Präsident George W. Bush, sei aber seither angepasst worden. Dass die EU auf Zölle im Stahlsektor mit Vergeltungszöllen in völlig anderen Wirtschaftsfeldern reagiert, ist mit den Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) vereinbar. Vorschlag des US-Handelsministeriums US-Handelsminister Wilbur Ross hatte sich in einem in Washington veröffentlichten Bericht Trump für eine Reduktion der Stahl- und Aluminiumimporte in die USA ausgesprochen. Als eine von mehreren Optionen schlug er vor, Importquoten für alle Einfuhrländer zu verhängen. Alternativ empfahl er einen generellen Zolltarif von mindestens 24 Prozent auf Stahlimporte aus allen Ländern sowie einen pauschalen Tarif von mindestens 7,7 Prozent auf die Aluminiumimporte. Laut einem Gesetz kann der Präsident Einfuhrbeschränkungen erlassen, wenn dies der nationalen Sicherheit dient. Wegen weltweiter Überkapazitäten schwelt seit Jahren ein Streit über Strafzölle für Stahl und Aluminium zwischen den USA, der EU und China. Etwa die Hälfte des weltweiten Stahls wird in China hergestellt. | /wirtschaft/harley-jack-zoelle-101.html |
2018-02-01 | "Dieses Mal den Anfängen wehren" | Diskussion um Stolpersteine | Empört hat das Internationale Auschwitz Komitee auf die Forderung eines AfD-Politikers reagiert, die Stolperstein-Aktion zum Gedenken an NS-Opfer zu beenden. Dies sei ein Angriff auf den demokratischen Grundkonsens.
mehr | Empört hat das Internationale Auschwitz Komitee auf die Forderung eines AfD-Politiker reagiert, die Stolperstein-Aktion zum Gedenken an NS-Opfer zu beenden. Dies sei ein Angriff auf den demokratischen Grundkonsens. Seit 1992 werden Stolpersteine als Erinnerung an vom NS-Regime Verfolgte verlegt. Mehr als 60.000 der Messing-Plaketten gibt es inzwischen - verlegt in mehr als 20 europäischen Ländern. Angriff auf demokratischen Grundkonsens Nachdem der AfD-Politiker Wolfgang Gedeon die Abschaffung dieser "aufgezwungenen Erinnerungs-Kultur" gefordert hatte, reagiert das Internationale Auschwitz Komitee empört: "Die AfD bekämpft immer brachialer und skrupelloser, was die Überlebenden von Auschwitz als Zeitzeugen in der deutschen Gesellschaft bewirkt haben", sagte der Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner. Die Äußerung sei ein Versuch, die Überlebenden und ihre Erinnerungen aus der Gesellschaft herauszudrängen. Die Kritik des Internationalen Auschwitz Komitees bezieht sich explizit nicht nur auf Gedeon: Vielmehr zerstöre die AfD "bewusst den demokratischen Grundkonsens, der in der deutschen Gesellschaft nach der Auseinandersetzung mit dem mörderischen Nazisystem als Allgemeingut der Republik immer wieder beschworen wird." Heubner beschwor die Gesellschaft, "dieses Mal den Anfängen zu wehren". Gedeon will Ende der Stolperstein-Aktion Der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Gedeon hatte ein Ende der Stolperstein-Aktionen gefordert. "Es gibt angemessenere Arten des Gedenkens im Rahmen von Gedenkstätten, von denen wir hier genügend haben", schrieb der 70-Jährige an den Oberbürgermeister und den Gemeinderat der Stadt Singen. "Mit ihren Aktionen versuchen die Stolperstein-Initiatoren ihren Mitmenschen eine bestimmte Erinnerungs-Kultur aufzuzwingen und ihnen vorzuschreiben, wie sie wann wessen zu gedenken hätten. Wer gibt diesen oft sehr penetranten Moralisten das Recht dazu?", heißt es in Gedeons Brief. Der Arzt Gedeon gilt auch parteiintern einigen als Antisemit. Ein Landesschiedsgericht der AfD hatte ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn im Dezember aus Mangel an Beweisen eingestellt. Der Abgeordnete bleibt im Landtag aber aus der Fraktion ausgeschlossen; er sitzt dort als Einzelabgeordneter. | /inland/stolpersteine-101.html |
2018-02-01 | Kleiner Hoffnungsschimmer für die SPD | DeutschlandTrend | Die Zahlen sind zumindest nicht schlechter geworden: Im DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins hat die SPD leicht zugelegt. Und: 72 Prozent aller Befragten wollen, dass Sigmar Gabriel Außenminister bleibt. | Die Zahlen sind zumindest nicht schlechter geworden: Im DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins hat die SPD leicht zugelegt. Und: 72 Prozent aller Befragten wollen, dass Sigmar Gabriel Außenminister bleibt. Union und SPD haben im DeutschlandTrend des ARD-Morgenmagazins jeweils einen Prozentpunkt gewonnen. Wäre am Sonntag Bundestagswahl, käme die SPD nach dieser Umfrage auf 17 Prozent, die Union auf 34 Prozent der Wählerstimmen. Damit hat sich die SPD wieder leicht erholt: Die Partei hatte beim DeutschlandTrend vom 15. Februar mit 16 Prozent das bisherige Rekordtief erreicht. Für die AfD würden sich jetzt bei einer Wahl 14 Prozent der Befragten entscheiden. Die Grünen würden von zwölf Prozent der Bürger gewählt, die Linke von zehn Prozent und die FDP von neun Prozent. AfD, Grüne und Linke haben im Vergleich zur vergangenen Woche jeweils einen Prozentpunkt verloren. Keine Veränderung gibt es hingegen bei den Stimmen für die FDP, ergab die Umfrage von Infratest dimap. Mehrheit für Gabriel In der Debatte darüber, wer künftig das Außenministerium führen soll, spricht sich die Mehrheit für den amtierenden Minister Sigmar Gabriel aus. Sieben von zehn Deutschen (72 Prozent) würden es befürworten, wenn Gabriel auch in Zukunft Außenminister bliebe. 17 Prozent der Befragten würden sich einen anderen Außenminister wünschen, wenn die Koalition aus Union und SPD zustande käme. Besonders hoch ist die Zustimmung bei Anhängern der SPD, Grünen (je 84 Prozent) und Union (83 Prozent). Bei den AfD-Wählern sind es 45 Prozent. Akzeptanz für Fahrverbote steigt Weiterhin gespalten ist die Bevölkerung offenbar bei der Frage nach einem Fahrverbot für Dieselfahrzeuge. Das Bundesverwaltungsgericht hat die am Donnerstag erwartete Entscheidung auf kommenden Dienstag vertagt. 50 Prozent der Befragten sehen Fahrverbote für ältere Dieselmodelle als angemessen an, um die Luftverschmutzung in Innenstädten zu reduzieren. 45 sprechen sich dagegen aus. Allerdings: Im September sprachen sich nur 42 Prozent der Befragten für Fahrverbote aus, 53 Prozent lehnten sie damals - nach dem zweiten Dieselgipfel - ab. Die Ablehnung ist bei AfD-Wählern besonders groß (67 Prozent), Anhänger der Grünen sind hingegen die größten Befürworter eines Fahrverbots (65 Prozent). | /inland/deutschlandtrend/deutschlandtrend-1145.html |
2018-02-01 | "Menschenrechte werden zerlegt" | Orbans Kampf gegen NGOs | Ungarns Regierungschef Orban will die Freiheiten kritischer Zivilorganisationen massiv einschränken - insbesondere bei jenen, die Flüchtlingen helfen. Das stößt international auf Kritik. Von Clemens Verenkotte. | Ungarns Regierungschef Orban will die Freiheiten kritischer Zivilorganisationen massiv einschränken - insbesondere bei jenen, die Flüchtlingen helfen. Das stößt international auf Kritik. Von Clemens Verenkotte, ARD-Studio Wien Die Chefin der ungarischen Sektion von Amnesty International, Julia Ivan, lässt keinen Zweifel an ihrer Ablehnung der Absichten von Ministerpräsident Viktor Orban: Die Gesetzentwürfe würden die Existenz von Organisationen bedrohen, die in Ungarn wichtige Arbeit verrichteten. Orban wolle die Stimme kritischer Nicht-Regierungsorganisationen zum Verstummen bringen, die es immer noch wagten, gegen Menschenrechtsverletzungen im Lande zu protestieren, so Ivan. Marta Pardavi, Co-Vorsitzende der ungarischen Sektion des Helsinki-Komitees, nennt das Gesetzespaket, das heute im Parlament debattiert wird, daher nicht, wie die Regierung dies tut, "Stop-Soros-Gesetz". Das Komitee spreche vielmehr von einem "Aushungern und Erwürgen-Gesetz". Massive Repressionen gegen Flüchtlingshelfer So werden NGOs, die Flüchtlingen helfen, künftig die Genehmigung des Innenministeriums benötigen; Ungarn, die Migranten beraten und unterstützen, wird der Zugang zum Grenzgebiet verboten; Ausländer können des Landes verwiesen werden, die sich diesen Personen helfen und - auf Spenden aus dem Ausland wird eine 25-prozentige Steuer erhoben. Feindbild Soros Marta Pardavi vom Helsinki Komitee, einer Organisation, die seit Anfang der 1990er-Jahre Flüchtlinge juristisch und sozial unterstützt, ordnet das Vorhaben der Regierung Orban in einen größeren innenpolitischen Kontext: "Das ist ein Symptom einer wesentlichen größeren Frage", sagt sie. "Wir haben hier in Ungarn eine Regierung, die unverhohlen den Schutz von Menschenrechten zerlegt, und diejenigen, die ihre Stimme erheben, die sich für den Schutz von Menschenrechten einsetzen, das sind eben Menschenrechts-Gruppen." Es sei also ganz offensichtlich und logisch, dass sich die Regierung in einem Vorgang wie jetzt auf die Leute und Organisationen konzentriere, die ihres Erachtens hochprofessionell und überzeugt Arbeit im Bereich Menschenrechtsfragen leisteten, sagt Pardavi. Für Ministerpräsident Viktor Orban hingegen geht es um den - wie er sagt - "Schutz Ungarns vor Migranten". Zum offiziellen Beginn des Wahlkampfs kündigte Orban am vergangenen Sonntag an, mit "immer stärkeren rechtlichen Waffen" gegen den sogenannten "Soros-Plan" vorzugehen. Ungarns Ministerpräsident beschuldigt seit vielen Monaten bereits den ungarisch stämmigen US-Milliardär George Soros, Millionen von Flüchtlingen die Tür nach Europa öffnen zu wollen. Jetzt, sieben Wochen vor den Parlamentswahlen am 8. April, forciert der Regierungschef seine politische Rhetorik. Vor Anhängern seiner rechtskonservativen Fidesz-Partei rief Orban aus: "Als erster Schritt: Hier ist der 'Stop-Soros-Gesetzentwurf.' Wir werden nur mit Genehmigung zulassen, dass sich mit Migration und Migranten beschäftigt wird." "Migranten-freundliche NGOs und unredliche Zivilisten" sollen einen Teil der ausländischen Unterstützung für den Grenzschutz abgeben müsssen, sagt Orban weiter." Wir werden die totale finanzielle Durchleuchtung anordnen. Und wer mit den gefährlichen Plänen nicht aufhören wird, den werden wir einfach des Landes verweisen. Egal wie mächtig oder reich die Person ist." Internationale Proteste gegen Orban-Plan Unterstützung erhalten die ungarischen Menschenrechts-Gruppierungen von über 200 europäischen Partner-Organisationen. In einem gemeinsamen Brief der Organisationen heißt es wörtlich: "Wir bekunden unsere Solidarität mit der Zivilgesellschaft und allen Menschenrechtsverteidigern in Ungarn - mutige Menschen, die sich für eine gerechtere Gesellschaft einsetzen." | /ausland/eu-ungarn-ngo-103.html |
2018-02-01 | Söldner, über die keiner spricht | Krieg in Syrien | In Syrien sind russische und US-Truppen aufeinandergestoßen. Dabei gab es mehrere Tote, darunter wohl russische Söldner. Warum die Regierungen lieber nicht darüber sprechen wollen, erklärt Silvia Stöber.
mehr | In Syrien sind russische und US-Truppen aufeinandergestoßen. Dabei gab es mehrere Tote, darunter wohl russische Söldner. Die Regierungen in Washington und Moskau wollen aber lieber nicht über den Vorfall sprechen. Bei der Sicherheitskonferenz in München war oft die Rede von Spannungen zwischen den USA und Russland. Doch keine Seite sprach einen Vorfall an, der sich vom 7. auf den 8. Februar in Syrien ereignet hatte, obwohl hier eine rote Linie überschritten worden war: eine direkte militärische Konfrontation zwischen Amerikanern und Russen. Dies sei seit dem Vietnam-Krieg nicht mehr geschehen, schrieb der russische Ex-Diplomat und Außenpolitik-Experte Wladimir Frolow. Es sei ein Skandal und Grund für eine akute internationale Krise. Radikalere Stimmen in Russland spekulierten über unvorhersehbare Konsequenzen bis hin zu einem Krieg mit den USA. Medien und Experten versuchen, den Fall zu rekonstruieren. Doch was im Detail geschah, ist bislang nicht klar. "Wir kennen nicht das ganze Bild und werden es womöglich nie erfahren", sagt Andrej Kortunow vom regierungsnahen russischen Rat für internationale Angelegenheiten in Moskau im Interview mit dem ARD-faktenfinder. Angriff auf US-Alliierte Die russische Zeitung "Kommersant" beschrieb den Vorfall mit Bezug auf eine Quelle beim russischen Militär. Demnach wollten syrische Geschäftsleute, die loyal zu Präsident Baschar al-Assad stehen, Gas- und Ölfelder in der Provinz Deir al-Sor unter Kontrolle bringen. Sie hätten dafür lokale syrische Milizen, eine Kämpfergruppe namens "IS Hunters" und Söldner des russischen Militärunternehmens "Wagner" angeheuert. Der Zeitung zufolge genehmigte das russische Oberkommando in Syrien den Einsatz nicht, unterband ihn aber auch nicht. Das attackierte Gebiet östlich des Flusses Euphrat steht unter Kontrolle der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF), die mit den USA gegen den "Islamischen Staat" (IS) kämpfen. Auch US-Militärberater sind dort stationiert. Um den Angriff abzuwehren, wurden US-Streitkräfte zu Hilfe gerufen. Diese setzten Fluggerät und Artillerie ein, so ein Sprecher des US-Militärs. Das russische Militär sei während des gesamten Einsatzes auf dem Laufenden gehalten worden. Russische Medien berichteten über Tote In den Tagen danach tauchten Medienberichte über getötete Kämpfer russischer Staatsbürgerschaft auf. Von mehr als 300 getöteten und verletzten Kämpfern berichtete etwa die Agentur Reuters. Die Zeitung "Nowaja Gaseta" schrieb von 13 russischen Toten und zahlreichen Verletzten. "Moskowski Komsomolez" druckte die Namen von fünf "Wagner"-Kämpfern mit deren Fotos. Das russische Portal "Znak" interviewte die Witwe eines Kämpfers, der auch im ukrainischen Donbass im Einsatz gewesen war. Die Regierung in Moskau reagierte zögerlich. So sagte Präsidentensprecher Dimitri Peskow zunächst, Russen hielten sich in vielen Ländern auf. Es falle daher schwer, detaillierte Informationen über sie zu erlangen. Das Verteidigungsministerium teilte mit, es habe Aktivitäten pro-syrischer Kräfte gegeben, die nicht mit dem russischen Oberkommando abgestimmt worden seien. Diese Kräfte seien auch von der Organisation "Wagner" unterstützt worden. Schließlich räumte Außenamtssprecherin Maria Sacharowa am Donnerstag ein, es seien vermutlich fünf russische Bürger getötet worden. Es seien aber keine Armeeangehörigen. Berichte über Hunderte russische Opfer bezeichnete sie als Desinformation. Ähnlich äußerte sich nun Außenminister Sergej Lawrow: Berichte über hunderte getötete Söldner seien ein Versuch, den Krieg in Syrien auszunutzen. "Stillschweigendes Einverständnis" Auch die US-Regierung hält sich bedeckt. Verteidigungsminister James Mattis zeigte sich im Gespräch mit Journalisten auf dem Rückflug von der Sicherheitskonferenz unsicher darüber, wer den Angriff auf die US-Alliierten angeordnet hatte. Seinem Verständnis nach hatte Moskau bestätigt, dass russische Auftragnehmer involviert waren, sagte er ausweichend. Auf die Frage des ARD-faktenfinder, warum sich Vertreter der US-Regierung so zurückhalten, sagte der Ex-US-Botschafter in Russland, Michael McFaul: "Ich bin nicht sicher, ob sie wussten, dass es Russen waren." Er sei "sehr betroffen darüber, wie wenig Wladimir Putin über das Geschehene gesagt hat. Es ist klar, dass er keine Eskalation wegen dieses Ereignisses wolle." Kortunow vom Rat für internationale Angelegenheiten in Moskau interpretiert es so: "Ich denke, es gibt eine Art stillschweigendes Verständnis, dass dieser tragische und beklagenswerte Vorfall nicht öffentlich besprochen werden sollte." Er lobt, dass die US-Regierung so umsichtig sei, nicht von einem Sieg ihrerseits und einem Verlust oder einer Lektion für die Russen zu sprechen. Wer befehligt die russischen Kämpfer? Kortunow wirft die Frage auf, auf wessen Befehl russische Kämpfer in Syrien handeln: "Wenn wir davon ausgehen, dass diese privaten Armeen direkt im Auftrag der syrischen Regierung und nicht des russischen Verteidigungsministeriums agieren, dann sind es Söldner, die entsprechend behandelt werden müssen. Russland hat Gesetze gegen Söldner." Wenn sich aber herausstelle, dass "Wagner"-Söldner mit dem russischen Verteidigungsministerium verbunden seien, sei dies ebenfalls ein Problem, so Kortunow. Denn dann hätte das russische Militär einer Operation zugestimmt, die sie nicht abgesichert hätte. Seit Längerem gibt es Vermutungen über Konflikte zwischen der russischen Armee und privat organisierten Milizen. Manche Spekulationen gehen so weit anzunehmen, dass das russische Militär die Kämpfer in Syrien ins Messer habe laufen lassen. Der Einsatz von Privatarmeen nach dem Vorbild US-amerikanischer Firmen wie Blackwater dient unter anderem dazu, Kriegskosten zu verdecken und Opfer zu verschweigen. Ein Gesetz zu deren Legalisierung wurde zwar in Russland diskutiert, aber bislang nicht umgesetzt. Moskau und Washington wollen keinen Krieg Vor der russischen Präsidentschaftswahl am 18. März könnte der Vorfall ein schwer einzudämmendes Problem für Putin werden. Deutlich wird, dass die Führung um Putin keine vollständige Kontrolle über die Medien und über nationalistische Kräfte hat, die jetzt von einem möglichen Krieg mit den USA reden. McFaul ist sich sicher, dass weder die Regierungen noch die Mehrheit der Menschen in beiden Ländern einen Krieg gegeneinander wollen. Doch er warnt, sollte es erneut einen solchen Vorfall geben und würde es reguläre russische Soldaten treffen, "dann wäre es eine sehr gravierende Angelegenheit". Der Umstand, dass Anfang Februar privat verpflichtete Soldaten betroffen waren, "eröffnet allen einen Ausweg". Kortunow hofft, dass der Vorfall keine schwerwiegenden Folgen für die russisch-amerikanische Kooperation in Syrien haben wird. Es gebe dort viele Gefahren unbeabsichtigter Eskalation. Wäre Kortunow Berater Putins, würde er ihm eine Untersuchung empfehlen: "Wir müssen das in Ordnung bringen." | /faktenfinder/syrien-usa-russland-soeldner-101.html |
2018-02-01 | Sie fütterte die Hunde, die Mädchen verhungerten | Dutroux' Ehefrau und Komplizin | Marc Dutroux hat bei seinen grausamen Taten nicht alleine gehandelt. Entscheidende Hilfe bekam er von seiner Ehefrau Michelle Martin. Sie ließ zwei Mädchen verhungern, besorgte Medikamente und Autos. Heute lebt sie in Freiheit und studiert Jura. Von Karin Bensch. | Marc Dutroux hat bei seinen grausamen Taten nicht alleine gehandelt. Entscheidende Hilfe bekam er von seiner Ehefrau. Sie ließ zwei Mädchen verhungern, besorgte Medikamente und Autos. Heute lebt sie in Freiheit und studiert Jura. Blonde Haare, blasses Gesicht, den Kopf gesenkt: So ist Michelle Martin auf alten Fotos zu sehen. Heute ist sie 56 Jahre alt. Sie trägt das blonde Haar kurz, lebt in Freiheit und studiert Jura an einer Hochschule in Namur in Südbelgien. Ganz in der Nähe der Orte, an denen sie und ihr Ex-Mann Marc Dutroux vor 20 Jahren grausame Verbrechen begingen. Dutroux hatte sechs Mädchen entführt, gequält und vergewaltigt, nur zwei von ihnen überlebten. Martin, die drei eigene Kinder mit Dutroux hat und früher Grundschullehrerin war, half ihm bei den Taten. Sie mietete Lieferwagen für die Entführungen und ließ sich Medikamente verschreiben, die ihr Exmann den Opfern verabreichte. 1996 - vor 20 Jahren - wurden Dutroux und Martin verhaftet. Vom Knast ins Kloster Martin wurde 2004 als Beihelferin zu 30 Jahren Haft verurteilt. Sie kam allerdings nach gut der Hälfte der Zeit wieder frei. Das war nach damaligem Recht möglich, löste in Belgien aber wütende Proteste aus. Die belgische Regierung änderte danach das Strafrecht für besonders schwere Fälle. Eine Auflage für die vorzeitige Haftentlassung von Martin: Sie musste in ein Kloster ziehen. Das war im August 2012. Vor den Klostermauern protestierten die Familien der Opfer. Zweieinhalb Jahre lebte Martin im Klarissenkloster von Malonne in Südbelgien. Als sie gehen musste, nahm ein pensionierter Richter die Straftäterin bei sich auf - auf seinem Bauernhof in der südbelgischen Kleinstadt Floreffe. Seiner Ansicht nach habe jeder eine zweite Chance verdient. Die Proteste könne er nicht verstehen, sagte Christian Panier einem belgischen Fernsehsender. Martin alleine mit Opfern Bei Martin geht es nicht mehr um die rechtliche, sondern um moralische Schuld. Und die scheint für sie in Belgien niemals zu verjähren. Besonders schwer lasten ihr viele an, dass sie die beiden achtjährigen Mädchen Mélissa Russo und Julie Lejeune im Kellerverlies von Dutroux' Haus in Marcinelle verhungern ließ. Sie fuhr dorthin, um die Hunde zu füttern. Aber den Kindern gab sie nichts zu essen, sagte Dutroux' Ex-Anwalt Xavier Magnée dem ARD-Studio Brüssel. In Verhören hatte Martin später gesagt, sie habe Angst vor den Kindern gehabt. Sie seien ihr vorgekommen wie wilde Tiere. Martins damaliger Ehemann Dutroux saß zu der Zeit, in der sie die Mädchen verhungern ließ, wegen Autodiebstahls im Gefängnis. Wochenlang. Martin hätte die beiden Mädchen befreien können. Oder zumindest Hinweise geben können. Doch sie tat es nicht. Mädchen hätten gerettet werden können Michelle Martin: War die Mittäterin auch selbst ein Opfer? Die Gutachter im Prozess bescheinigten ihr mangelndes Selbstwertgefühl und eine tiefe Angst, verlassen zu werden. Sie ist sicherlich sehr dominiert worden von ihrem Ex-Mann, sagte Dutroux ehemaliger Anwalt. Martin selbst hat sich immer als Opfer von Dutroux dargestellt. Aber die Wirklichkeit sehe anders aus, meint der Grünen-Politiker Vincent Decroly, der Mitglied im Dutroux-Untersuchungsausschuss war. Ohne Martin hätte Dutroux nicht getan, was er getan habe, ist Decroly überzeugt. Michelle Martin hätte Leben retten können, aber sie habe Julie und Mélissa sterben lassen. Mit diesem Schmerz müssen die Familien der Mädchen leben - auch heute noch - 20 Jahre danach. | /ausland/dutroux-111.html |
2018-02-01 | Wer stopft die "Brexitlücke"? | EU-Haushalt | Durch den Brexit fehlen im nächsten EU-Haushalt Milliarden. Die übrigen EU-Mitglieder sollen die Lücke füllen, doch vor allem Österreich und die Niederlande stellen sich quer. Von Andreas Meyer-Feist. | Durch den Brexit fehlen im nächsten EU-Haushalt Milliarden. Die übrigen EU-Mitglieder sollen die Lücke füllen, doch vor allem Österreich und die Niederlande stellen sich quer. Brüssel will mehr Geld, aber klappt das auch? Österreich und jetzt auch die Niederlande sagen: Wir wollen nicht mehr geben als bisher. Beides relativ kleine, aber sehr wirtschaftsstarke EU-Mitglieder. Die Niederlande haben - anders als Österreich - finanziell besonders großes Gewicht in der EU. Sie sind nach Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Italien der fünftgrößte Nettozahler. Großbritannien wird die EU verlassen und fällt - trotz angepeilter Übergangsregelungen - schon im Verlauf der nächsten Finanzperiode von 2021 bis 2028 aus. EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker bekommt damit ein großes Finanzproblem. Andere - wie die Niederlande und Österreich - sollen die Lücke zumindest ein wenig füllen, das war seine Hoffnung bisher. Ist eine Tasse Kaffee pro Tag zu viel? Ein kategorisches Nein, wie jetzt von der niederländischen Regierung formuliert, wollte Juncker noch kürzlich mit einem einfachen und zugleich beruhigenden Vergleich verhindern: EU-Bürger bezahlten ja schon bisher gar nicht so viel für Brüssel: jeden Tag nur so viel, wie eine Tasse Kaffee kostet. "Ich bin wirklich der Meinung, Europa ist mehr wert als nur eine Tasse Kaffee pro Tag", wirbt Juncker. Aber das scheint viele EU-Regierungschefs nicht sehr zu beeindrucken. Erst beim letzten EU-Gipfel forderten einige von ihnen höhere Ausgaben etwa für Sicherheit und Grenzschutz, pochten aber gleichzeitig auf mehr Einsparungen - möglichst nicht bei sich selbst, sondern bei den anderen, wie auch deutsche EU-Diplomaten bemerkten. Oettinger beschwört den "europäischen Mehrwert" Auch EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger versuchte es kürzlich mit einem einfachen Rechenbeispiel: "Wenn irgendjemand sagt, wir würden im Moloch Brüssel zu viel Geld bekommen, dem kann ich nur sagen: Es ist nur ein Euro von 50 nationalen Steuer-Euros, die zu uns kommen. 49 bleiben draußen." Vielleicht müssten in Zukunft "zehn oder 20 Cent mehr zu uns kommen", ergänzte Oettinger. Und das sei ja nicht viel, um alles zu bezahlen, was nötig und sinnvoll ist, vor allem den von Oettinger beschworenen "europäischen Mehrwert". EU-Projekte sollen nicht nur jeweils einem Land, sondern immer auch der Gemeinschaft zugutekommen. "Brexitlücke" und neue Projekte Am Freitag wird der "mehrjährige Finanzrahmen" Thema bei einem Gipfeltreffen in Brüssel sein. Es geht um die Nach-Brexit-Zeit. Die EU-Kommission will nicht nur für die "Brexitlücke" einen Ausgleich. Auch für neue gemeinsame Aufgaben soll aufgestockt werden. Gemeint sind unter anderem die Sicherung der EU-Außengrenzen, die Terrorabwehr und die verstärkte Zusammenarbeit zwischen den europäischen Armeen. Allein das Militärprojekt will Brüssel in den kommenden Jahren mit zusätzlichen zehn Milliarden Euro fördern. Dazu braucht es höhere Beiträge aus den Mitgliedstaaten. Auch aus den Niederlanden, die schon bisher gut zwei Milliarden Euro mehr in den EU-Haushalt einzahlen als sie über EU-Finanzierungsprogramme zurückbekommen. Die EU-Kommission wünscht sich mehr. Es fehlen 20 Milliarden Euro Ob Bundeskanzlerin Angela Merkel den niederländischen Regierungschef Mark Rutte bei seinem Besuch im Kanzleramt umstimmen kann, gilt als fraglich. Das Misstrauen gegen die Brüsseler Finanzplanung scheint in den letzten Wochen eher größer geworden zu sein. Anders ist das deutliche Nein aus den Niederlanden nicht zu erklären. Bleibt das so, und folgen andere dem niederländischen Beispiel, könnte es in Brüssel eng werden. Chaos könnte ausbrechen, warnen französische EU-Diplomaten. Der EU-Austritt der Briten schlägt nach Angaben der EU-Kommission mit einem Minus bis zu 13 Milliarden Euro jährlich zu Buche. Die "Brexitlücke" wird zusammen mit Zusatzkosten für neue Aufgaben auf 20 Milliarden Euro jährlich veranschlagt. Verteilungskämpfe hinter den Kulissen Für EU-Haushaltkommissar Oettinger geht es nicht nur um Mehreinnahmen, auch um "Ausgaben streichen". Vor allem die reicheren EU-Staaten könnten betroffen sein, die sich viele Projekte noch kofinanzieren lassen, die schon bald zur Disposition stehen könnten. Brüsseler Beobachter sehen die harte Finanzhaltung der Niederlande gerade auch als Warnung, genau das lieber nicht zu tun. "Ich bin überhaupt nicht dafür, dass in der EU Freibier für alle finanziert wird", erklärte auch Juncker unlängst, aber ohne Konzentration der Ausgaben werde es nicht gehen. Die ersten Verteilungskämpfe beginnen schon hinter den Brüsseler Kulissen mit dem Agrarhilfen-Profiteur Frankreich: Es geht um Milliardenhilfen für die Landwirtschaft, die die Niederlande stark einschränken wollen. Es droht ein großes Finanzchaos Oettinger - von dunklen Vorahnungen heimgesucht - warnte kürzlich: "Wenn jeder seine Position festlegt und kein Entgegenkommen zeigt, wenn er am Freitag nach Brüssel fliegt, geht die Sache schief." Denn der EU-Finanzplan muss von allen Regierungen gemeinsam und einstimmig beschlossen werden. Wenn auch nur ein EU-Land sagt: "Nicht mit uns!", dann bekommt die EU überhaupt keinen Haushalt und ein großes Finanzchaos. "Wenn wir keinen Haushaltsrahmen hinbekommen, hießen die Gewinner Putin, Erdogan und Trump." Mit dieser Drohung wollte Oettinger nicht nur an die die finanziellen Risiken erinnern, sondern auch auf die Bedeutung einer funktionierenden EU für die Demokratie. Für die Kommission geht es also nicht mehr nur um mehr oder weniger Geld, sondern schon um das Ganze. | /wirtschaft/eu-haushalt-131.html |
2018-02-01 | "Kramp-Karrenbauer geht Risiko ein" | Neue CDU-Generalsekretärin | Als neue CDU-Generalsekretärin läuft Annegret Kramp-Karrenbauer sich für die Merkel-Nachfolge warm, meint Politologe Jun im Interview mit tagesschau.de. Das könnte aber auch schiefgehen.
mehr | Als neue CDU-Generalsekretärin läuft Annegret Kramp-Karrenbauer sich für die Merkel-Nachfolge warm, meint Politologe Jun im Interview mit tagesschau.de. Das könnte aber auch schiefgehen. tagesschau.de: Annegret Kramp-Karrenbauer, die schon lange als mögliche Merkel-Nachfolgerin im Gespräch ist, wird jetzt CDU-Generalsekretärin. Überrascht Sie dieser Schritt? Uwe Jun: Zwar haben viele in den vergangenen Monaten spekuliert, dass sie nach Berlin kommen wird in Zusammenhang mit einer möglichen Merkel-Nachfolge. Dass es nun der Generalsekretärsposten ist, überrascht schon ein wenig. Formal sieht das ja wie ein Rückschritt aus gegenüber dem Ministerpräsidentinnenamt. Zudem ist sie im Saarland unangefochten und sehr beliebt und hätte dort zumindest noch vier Jahre gut regieren können. Aber sie will nach außen demonstrieren, dass mit ihr auf der Berliner Bühne zu rechnen ist. Und auch Angela Merkel setzt damit ein Zeichen, was sie inhaltlich und personell für einen richtigen Schritt im Hinblick auf ihre Nachfolge hält. tagesschau.de: Ist das nicht ein großes Risiko für Kramp-Karrenbauer? Sie hat nicht einmal ein Bundestagsmandat. Jun: Sie geht mit diesem Schritt durchaus Risiken ein. Allerdings befinden wir uns nicht in einer gewöhnlichen Regierungszeit, sondern in einer Legislaturperiode, die vom Übergang geprägt ist. Es ist wahrscheinlich, dass das Merkels letzte Amtszeit sein wird und dass in der Union in absehbarer Zeit wichtige Posten neu vergeben werden. Sich hier durch das Amt der Generalsekretärin in Stellung zu bringen, ist durchaus vielversprechend. Diese Position ist nicht zu unterschätzen. tagesschau.de: Inwiefern? Jun: Merkel selbst war vor ihrer Zeit als Parteivorsitzende und Kanzlerin Generalsekretärin. Das Amt ist keine schlechte Vorbereitung dafür, weil man die Parteivorsitzende bei ihren Aufgaben unterstützt und so die Partei nach innen gut kennenlernt. Das wird nun Kramp-Karrenbauers Aufgabe sein, sich mit den Parteigliederungen zu verständigen, mit den verschiedenen Gremien und Arbeitsgruppen, aber auch mit den Landesverbänden. Darüber hinaus repräsentiert man in diesem Amt die Partei auch nach außen. Und zwar nicht nur nach Wahlen bei der Berliner Runde. Das sind Aufgaben, die denen der Parteivorsitzenden ähneln. "Sie scheut die Auseinandersetzung nicht" tagesschau.de: Ist Kramp-Karrenbauer für das Amt der Generalsekretärin nicht womöglich zu farblos? Jun: Sie ist nicht diejenige, die polarisiert, sie ist eher eine, die moderiert. Aber sie scheut Kontroversen nicht, allerdings bevorzugt sie die argumentativ-sachliche und nicht die polemische Auseinandersetzung. Zudem beherrscht sie die mediale Klaviatur recht gut, wie man immer wieder in Talk-Shows sehen kann. tagesschau.de: Wäre ein Ministeramt nicht geeigneter, um sich für die Merkel-Nachfolge in Stellung zu bringen? Jun: In der Tat wäre ein Ministeramt auch eine sehr günstige Ausgangsposition. Allerdings sind nach den Koalitionsverhandlungen nicht mehr sehr viele attraktive Ministerposten bei der CDU verblieben. Die verbliebenen Posten sind nicht gerade solche, mit denen man sich in der Öffentlichkeit gut profilieren kann. Zudem wird mit Peter Altmaier bereits ein anderer Saarländer für ein Ministeramt gehandelt. Und da der Saarländische Landesverband nicht der allergrößte ist, wären zwei Ministerposten hier eher unwahrscheinlich. "Pragmatisch, sachlich, verlässlich" tagesschau.de: Was zeichnet Kramp-Karrenbauer als mögliche künftige Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin aus? Jun: Sie führt schon seit längerem sehr geräuschlos eine Große Koalition im Saarland und bringt daher einiges an Regierungserfahrung mit. Sie ist sehr pragmatisch und gehört zu denen, die nicht das Persönliche in den Vordergrund stellen, sondern versuchen auf der Sachebene zu wirken. Und sie ist sehr verbindlich und verlässlich in allem, was sie anpackt. Und ihr größter Vorzug ist vielleicht: Sie hat zwei Wahlen sehr erfolgreich für die CDU im Saarland bestritten und gerade die letzte Wahl war ja auch eine, die von ihr als Persönlichkeit stark geprägt war. tagesschau.de: Vieles von dem, was Sie sagen, gilt auch für Angela Merkel. Doch die steht in der Partei zuletzt ja stark in der Kritik. Könnte das für Kramp-Karrenbauer nicht auch ein Nachteil sein, zumal sie ja als eine von Merkels engsten Vertrauten gilt? Jun: In der Tat unterscheiden sich der Politikstil von Merkel und Kramp-Karrenbauer nicht so sehr. Kramp-Karrenbauer ist aber noch stärker in der Partei verankert, gerade durch das Sozialkatholische, das bei ihr sehr wichtig ist. Bei Merkel ist es auch weniger der Politikstil als vielmehr einzelne politische Inhalte, die kritisiert werden, insbesondere die Flüchtlingspolitik. Merkel selbst hat jedenfalls mit dieser Personalie ein Zeichen gesetzt, dass der Modernisierungskurs der Partei fortgesetzt werden soll. Denn dafür steht Kramp-Karrenbauer. Ob das in der CDU auch in Zukunft eine Mehrheit haben wird, muss die Partei entscheiden. tagesschau.de: Kramp-Karrenbauer selbst hat betont, dass sie die Erneuerung der Partei vorantreiben will. Für welche Themen steht sie? Jun: Sie steht für die soziale Seite der Union, hat aber auch Expertise in der Europa-, Bildungs-, Familien-, Frauen- und Wissenschaftspolitik. Ohnehin wird im Amt der Generalsekretärin von ihr primär erwartet, den organisatorischen Erneuerungsprozess mitzugestalten. "Noch keine Kronprinzessin" tagesschau.de: Wie verwurzelt ist Kramp-Karrenbauer in Partei und Fraktion? Jun: In der Partei hat sie ein sehr gutes Standing, sie hat bei ihren verschiedenen Auftritten, auch bei Parteitagen hohe Zustimmung erfahren. Was die Fraktion beziehungsweise die Berliner Bühne betrifft, könnte es helfen, dass sie dem Vernehmen nach ein recht gutes Verhältnis zu Altmaier hat. Der könnte ihr eine wichtige Stütze sein. tagesschau.de: Ist mit dieser Personalie der Kampf um die Merkel-Nachfolge jetzt schon so gut wie entscheiden? Jun: Nein, auf keinen Fall. Prognosen sind hier sehr schwierig, weil die Politik immer kurzatmiger geworden ist und kurzfristige Ereignisse, die Situation grundlegend verändern können. Sie ist definitiv eine der aussichtsreichen Kandidatinnen. Sie aber als Kronprinzessin zu bezeichnen, die auf jeden Fall Merkel beerben wird, ginge zu weit. Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de. | /inland/interview-kramp-karrenbauer-105.html |
2018-02-01 | Die Angst schreibt mit | Journalisten in der Türkei | Journalisten in der Türkei arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Nicht nur Verhaftungen drohen, auch die Schließung oder Übernahme von Verlagen. Viele lassen sich dennoch nicht unterkriegen. Von Karin Senz. | Journalisten in der Türkei arbeiten unter erschwerten Bedingungen. Nicht nur Verhaftungen drohen, auch die Schließung oder Übernahme von Verlagen. Viele lassen sich dennoch nicht unterkriegen. Deniz Yücel ist frei. Aber mehr als hundert türkische Journalisten sind immer noch im Gefängnis - wegen ihrer Arbeit, darunter auch Mitarbeiter der türkischen Zeitung "Cumhuriyet". Ihre Kollegen im Istanbuler Verlagshaus arbeiten trotzdem weiter - unter enormem Druck. Schließlich ist ihre Zeitung nicht nur eine der ältesten des Landes, sondern auch eine der wenigen regierungskritischen, die noch übrig sind. Natürlich haben sie ihren Kollegen Deniz Yücel am Wochenende auf die Titelseite gesetzt. Aber auch die Fotos von drei türkischen Journalisten, die zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. Chefredakteur im Gefängnis Vor dem Eingang des Verlagshauses der "Cumhuriyet" in Istanbul stehen große Absperrgitter, "Polis" steht drauf. Drinnen Sicherheitsschleusen. In der Redaktion brütet Nazan Özcan gerade über der Titelseite für den nächsten Tag. "Es ist total schwer, denn unser Chefredakteur sitzt im Gefängnis. Wäre er da, würde ich ihn fragen: 'Geht das so oder nicht?' Aber jetzt kann ich mich nur noch an internationalen journalistischen Richtlinien orientieren", sagt sie. Es ist jeden Tag eine neue Gradwanderung. Denn die "Cumhuriyet" ist eine der wenigen regierungskritischen Zeitungen in der Türkei, die noch übrig geblieben sind. Özcans Chefredakteur ist nicht der einzige Kollege, der im Gefängnis sitzt. Gegen andere laufen Verfahren. "Es kann mir auch passieren" Was, wenn auch sie verhaftet wird? Darüber will Özcan gar nicht erst nachdenken. "Denn wenn ich mich das jeden Tag fragen würde, könnte ich meinen Job nicht machen", sagt sie. "Und ich sage mir immer, ich bin nicht so wichtig. Ich bin nur eine ganz normale Journalistin. Aber klar - das kann mir auch passieren." Im Gefängnis könnte die junge Redakteurin dann nicht mehr schreiben. Ihr Chef Aydin Engin war schon mehrmals im Gefängnis, insgesamt kommt der 77-Jährige auf gut sechseinhalb Jahre. "In meinem Beruf habe ich schon drei Militärputsche erlebt. Jedes Mal danach war ich im Gefängnis - nur wegen meiner journalistischen Arbeit. Deshalb ist meine Schmerzgrenze mittlerweile hoch." Schließung oder Übernahme Engin lehnt sich kurz zurück in seinen abgenutzten Sessel. Sein Schreibtisch steht in der Ecke eines großen Sitzungsraums. Alles ist in die Jahre gekommen, für neue Möbel und hohe Gehälter sei kein Geld da, erzählt er. Außer einer Verhaftung drohe auch immer, dass der Verlag geschlossen beziehungsweise übernommen werde. Man habe auch schon versucht, sie zu kaufen. "Wir sind nicht käuflich. Aber die Gefahr ist nicht gebannt - Erdogan oder die AKP-Regierung hätten viele Mittel gegen uns." Einen Zwangsverwalter einsetzen etwa, erklärt Engin. "Wir erfahren viel Solidarität - aus fast der ganzen Welt. Aber wenn wir so weitermachen, kann die Regierung versuchen, die Zwangsverwalter durchzusetzen." Das macht ihm dann doch Sorgen. Was würde dann aus den vielen mutigen Journalisten in seiner Redaktion? Nur wenige haben gekündigt, weil sie den Druck nicht aushalten. Auch Özcan will durchhalten, sagt sie, und sieht dabei sehr müde aus. "Es ist einfach unglaublich anstrengend und bedrückend. Gleichzeitig fühlt es sich auch gut an. Denn man macht was sehr Wichtiges", erklärt sie. "Und eines Tages werden junge Journalisten vielleicht sagen: 'Die bei 'Cumhuriyet' haben damals für unsere Rechte durchgehalten'." "Schizophrene Zeiten" Am Tag nach Deniz Yücels Freilassung nahmen sie natürlich das Foto von ihm und seiner Frau vor dem Gefängnis auf die Titelseite - aber auch die Fotos der drei türkischen Journalisten, die parallel zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt wurden. "Es sind schizophrene Zeiten für Journalismus", sagt Özcan. Engin sitzt einen Stock drüber. Er schreibt an einer Kolumne über diesen Tag. "Jeder Tag ist wie gestern" ist der Titel. Gemeint sind die schizophrenen Zeiten. Wann die zu Ende sind? Das weiß Engin nicht. "Aber wir wollen weitermachen - für die Demokratie, für die Meinungs- und für die Pressefreiheit. Ich weiß nicht, ob wir diesen Kampf gewinnen - als Journalisten leben wir bei 'Cumhuriyet' von Tag zu Tag." Dabei ballt der 77-Jährige immer wieder die Faust, als wollte er unterstreichen: er wird kämpfen, so lange er schreiben kann. | /ausland/journalisten-tuerkei-109.html |
2018-02-01 | Orban attackiert EU-Migrationspolitik | "Dunkle Wolken über Europa" | Ungarns Regierungschef Orban hat seine Drohungen gegen Flüchtlingshelfer verschärft. In seiner Rede zur Lage der Nation zeichnete er zudem eine düstere Zukunft für Europa.
mehr | Ungarns Regierungschef Orban hat seine Drohungen gegen Flüchtlingshelfer verschärft. In seiner Rede zur Lage der Nation zeichnete er zudem eine düstere Zukunft für Europa. Ungarns Regierungschef Viktor Orban hat in seiner Rede zur Lage der Nation finstere Szenarien für Europa entworfen. "Dunkle Wolken liegen wegen der Einwanderung über Europa", sagte Orban vor Anhängern in Budapest. "Nationen werden aufhören zu existieren, der Westen wird fallen, während Europa nicht einmal bemerken wird, dass es überrannt wird." Das Christentum sei Europas letzte Hoffnung, sagte er. Warnung vor Muslimen Der Ministerpräsident warnte auch davor, dass europäische Großstädte schon bald eine überwiegend muslimische Bevölkerung haben könnten. Der ungarischen Opposition warf er vor, "die Zeichen der Zeit" nicht zu erkennen. Sie sei "in einer hoffnungslosen Position", weil sie den ungarischen Grenzzaun abgelehnt und die Regierung im Streit mit der EU um die Aufnahme von Flüchtlingen nicht unterstützt habe. "Ich verstehe nicht, wie sie die Menschen um Vertrauen bitten kann", sagte der Regierungschef. Drohung gegen NGOs Zudem drohte Orban Nicht-Regierungsorganisationen (NGOs), die für die Rechte von Flüchtlingen und Asylbewerbern eintreten, die Schließung an. "Wenn sie mit ihren gefährlichen Tätigkeiten nicht aufhören, werden wir sie einfach aus dem Land weisen, wie mächtig oder reich sie auch immer sein mögen", sagte er. Gesetze gegen Flüchtlingshelfer Das ungarische Parlament beginnt am kommenden Dienstag mit der Erörterung eines Gesetzespakets, das neue Repressionen gegen NGOs aus dem Bereich der Flüchtlingshilfe beinhaltet. Es sieht unter anderem eine 25-prozentige Strafsteuer für materielle Hilfen aus dem Ausland vor. Auch die Verhängung eines Aufenthaltsverbots für NGO-Mitarbeiter in grenznahen Zonen des Landes droht. Weiter muss eine Zivilorganisation, die Flüchtlingen und Asylbewerbern helfen will, künftig über eine Genehmigung des Innenministeriums verfügen. Zweidrittelmehrheit benötigt NGOs, die sich nicht an diese Bestimmung halten, können mit hohen Geldstrafen belegt und schließlich behördlich aufgelöst werden. Für das Gesetz, das ein Verbot von NGOs ermöglicht, braucht die Orban-Regierung eine Zweidrittelmehrheit, über die sie derzeit nicht verfügt. Es wird damit gerechnet, dass dieses Gesetz oder sogar das ganze Gesetzespaket erst nach der Parlamentswahl am 8. April zur Abstimmung gelangen wird. Der Menschenrechtsbeauftragte des Europarats, Nils Muiznieks, zeigte sich "alarmiert" über das geplante Gesetz. Sollte Ungarns Parlament die Vorlage tatsächlich verabschieden, würde die "unverzichtbare" Arbeit von Organisationen, die Flüchtlingen helfen, weiter erschwert, warnte er. Wegen des Vorgehens gegen im Ausland finanzierte NGOs und Universitäten hatte die EU-Kommission Ungarn bereits im Dezember vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt. | /ausland/orban-195.html |
2018-02-01 | Die Sicherheitsordnung ist in Gefahr | OSZE-Generalsekretär im Interview | Die OSZE wurde einst gegründet, um für Sicherheit in Europa zu sorgen. Doch viele Vereinbarungen werden unterlaufen oder sind veraltet. OSZE-Generalsekretär Greminger erklärt, warum dies sehr gefährlich ist und was er dagegen tun will.
mehr | Die OSZE wurde einst gegründet, um für Sicherheit in Europa zu sorgen. Doch viele Vereinbarungen werden unterlaufen oder sind veraltet. OSZE-Generalsekretär Greminger erklärt, warum dies sehr gefährlich ist und was er dagegen tun will. tagesschau.de: Wenn viele Staaten der OSZE weniger auf Kompromisse setzen und ihre eigenen Interessen in den Vordergrund stellen, wie kann dann die OSZE noch für "Sicherheit und Zusammenarbeit "sorgen? Thomas Greminger: Die Organisation ist eine Plattform für inklusiven Dialog. Gerade in Zeiten, in denen die Spannungen wieder stark zunehmen, wo wir wieder mehr militärische Aktivitäten in Europa sehen - Beinahe-Zwischenfälle in der Luft, Militärmanöver in Grenznähe, ein Waffenstillstand im Donbass, der jeden Tag etwa 1000 Mal gebrochen wird - dann braucht es erst recht eine solche Dialogplattform. Man muss auch zum gemeinsamen Handeln kommen. Aber es gibt Bereiche, bei denen wir schon froh sein müssen, dass man mal wieder an einem Tisch sitzt und spricht. "Im Moment geht es nur um Bedrohungswahrnehmungen" tagesschau.de: Wo ist das der Fall? Greminger: Es gibt den "strukturierten Dialog", der bei der Ministerratssitzung 2016 in Hamburg vom deutschen OSZE-Vorsitz lanciert wurde. Das ist derzeit die einzige inklusive Dialogplattform, wo man über politisch-militärische Fragen spricht. Im Moment wird dort erst einmal über Bedrohungswahrnehmungen gesprochen. Aber meine Ambition ist, dass wir spezifische Maßnahmen festlegen, um militärische Risiken zu reduzieren. Entweder werden die vorhandenen Maßnahmen der Sicherheits- und Vertrauensbildung angewendet. Oder wir revidieren substanziell diese Maßnahmen, die im "Wiener Dokument" festgelegt sind, - weil sie nicht mehr den heutigen Bedrohungsszenarien und den militärischen Fähigkeiten entsprechen. Streit über Militärmanöver tagesschau.de: Im "Wiener Dokument" der OSZE ist ja unter anderem festgelegt, Militärmanöver anzukündigen und Beobachter einzuladen. Aber zum Beispiel bei sehr kurzfristig einberufenen Übungen fehlt es an Regeln. Greminger: Ja, dieses Problem wird im "strukturierten Dialog" thematisiert. Außerdem wurde dort vereinbart, Karten mit den militärischen Fähigkeiten anzufertigen. Das würde Militärübungen mit einschließen. Dies soll eine Diskussionsgrundlage bieten, damit man künftig nicht mehr wie zum Beispiel bei "Sapad" (dem russischen Großmanöver, das zuletzt im September 2017 in Russland und Weißrussland stattgefunden hat - Anmerkung der Redaktion) nicht mehr zu völlig verschiedenen Interpretationen kommt. tagesschau.de: Russland sagt, "Sapad" war eine Anti-Terrorübung. Die NATO behauptet, es sei ein konventionelles Manöver gewesen, das sich gegen die Allianz gerichtet habe. Greminger: Genau. Rein formell gesehen entsprach der Teil des Manövers, den Russland als "Sapad" angemeldet hat, dem "Wiener Dokument". Es wurde rechtzeitig gemeldet, die Zahl der Soldaten blieb unter der Schwelle, ab der eine Beobachtung vorgesehen ist. Weißrussland hat dann sogar freiwillig Beobachter eingeladen. In diesem Sinn war es formell korrekt. Aber in der westlichen Wahrnehmung war das nur einer von mehreren Übungsteilen. Die Interpretation ist, wenn man diese verschiedenen Übungsteile zusammennimmt, dann ergibt sich ein ganz anderes Bild, als wenn man nur das anschaut, was als "Sapad" angemeldet wurde. Hier haben wir zwei völlig voneinander abweichende Interpretationen und niemand trägt dazu bei, zu klären, was stimmt, um Transparenz herzustellen. "Sapad" ist eine wunderbare Illustration dafür, was wir schaffen müssen. tagesschau.de: Wäre es denn eine Möglichkeit, neutrale Beobachter zu entsenden, die das objektiv einschätzen? Greminger: Ja, eine der jetzt vorgeschlagenen Maßnahmen ist, vermehrt unparteiliche Experten verfügbar zu machen, die dann Sachverhalte klären können. Die weitere Frage ist, was man mit dieser Klärung macht. Aber im Moment bleiben wir auf dem Niveau der gegenseitigen Anschuldigen stehen und kommen keinen Schritt weiter. Vertrauen für Verhandlungen schaffen tagesschau.de: Ein Aufgabenbereich der OSZE ist Rüstungskontrolle und -begrenzung. Was kann die OSZE tun, um dem gegenwärtigen Aufrüstungstrend entgegenzuwirken? Greminger: Der KSE-Vertrag wird nicht mehr wirklich eingehalten. Damit fällt ein wichtiger Bestandteil dieser regelbasierten Sicherheitsordnung weg, die wir seit dem Kalten Krieg aufgebaut haben. Das ist potenziell sehr gefährlich - mittel- und längerfristig. Im Moment müssen wir darüber nachdenken, wie eine solche Vereinbarung in der Zukunft geografisch und inhaltlich aussehen könnte. Ich denke aber nicht, dass heute und morgen bereits die Zeit dafür reif ist, zu Verhandlungen zu kommen. Dafür wäre mehr Vertrauen notwendig. tagesschau.de: Um Vertrauen herzustellen, geht es um konkrete Dinge wie Vereinbarungen über das Einschalten von signalgebenden Transpondern bei Militärjets, die über Europa fliegen, was derzeit häufig nicht gemacht wird und den Flugverkehr gefährdet. Greminger: Darüber wird auch im "strukturierten Dialog" gesprochen. Über solche Dinge können wir graduell wieder Vertrauen schaffen. Gleichzeitig muss es Fortschritte bei der Lösung von Konflikten geben, insbesondere des Ukraine-Konflikts. "Unsere Präsenz ist sehr wichtig" tagesschau.de: Beim Krieg in der Ostukraine hat die OSZE-Beobachtermission das Problem, dass sie zwar beobachtet, registriert und Berichte erstellt, aber Verstöße gegen die Waffenstillstandsvereinbarungen nicht geahndet werden. Muss das nicht geändert werden? Greminger: Die Mission macht einen sehr wichtigen Job. Auch die schiere Präsenz ist sehr wichtig, um Eskalationen zu verhindern. Aber es gibt keine Rechenschaftspflicht bei Waffenstillstandsverletzungen. Ein Mechanismus, der dafür zu sorgen hätte, ist das "Gemeinsame Zentrum für Kontrolle und Koordination" (JCCC) (in dem sich bislang ukrainische und russische Militärvertreter ausgetauscht und abgestimmt haben - Anmerkung der Redaktion). Diese Plattform funktioniert nur noch teilweise, weil die russischen Offiziere abgezogen wurden. Es wäre wichtig, Bedingungen zu schaffen, die die Rückkehr der russischen Offiziere erlauben. Dann müssten wir ein besseres Funktionieren dieser Kommission zustande bringen. Dafür gibt es sehr viel einschlägige Erfahrung, weil in fast jedem Friedensprozess ein ähnlicher Mechanismus existiert - so eine Art Militärkommission. Das Interview führte Silvia Stöber, tagesschau.de. | /ausland/osze-greminger-interview-101.html |
2018-02-01 | Das Problem mit der Brexit-Lücke | EU-Gipfel zu Finanzen und Reformen | Grenzschutz, Flüchtlingspolitik: Auf die EU kommen kostspielige Aufgaben zu, doch durch den Brexit fehlen Milliarden. Staats- und Regierungschefs beraten nun über die künftige Ausgestaltung der Finanzen. Von Holger Romann. | Grenzschutz, Flüchtlingspolitik: Auf die EU kommen kostspielige Aufgaben zu, doch durch den Brexit fehlen Milliarden. Staats- und Regierungschefs beraten nun über die künftige Ausgestaltung der Finanzen. Der Brexit naht mit Riesenschritten. Und auch sonst kommen auf die Europäische Union gewaltige Aufgaben zu. Aufgaben, die Geld kosten, wie etwa ein verbesserter Grenzschutz, eine koordinierte Asyl- und Flüchtlingspolitik oder eine gemeinsame Verteidigung. Das Problem: Der Austritt des Nettozahlers Großbritannien reißt ein zweistelliges Milliardenloch in den EU-Haushalt, das erst einmal gefüllt werden muss. Auf ihrem Sondergipfel in Brüssel wollen sich die 27 Staats- und Regierungschefs erstmals ausführlicher über die künftige Ausgestaltung der EU-Finanzen nach dem Brexit austauschen. Haushaltskommissar Oettinger hat dazu einige Vorschläge gemacht. Er spricht von einer "Speisekarte", von der die Mitgliedsstaaten nun wählen müssten. Anfang Mai will der Schwabe ein vollständiges Konzept für einen mehrjährigen Finanzrahmen vorlegen. Das laufende Sieben-Jahres-Budget läuft Ende 2020 aus. Sparen, umschichten oder sogar mehr ausgeben? Die große Frage lautet: Soll man sparen, umschichten oder sogar etwas mehr ausgeben, um die Brexit-Lücke zu schließen und zugleich für kommende Krisen gewappnet zu sein? Die derzeitige und womöglich nächste Bundesregierung, die momentan nur die Geschäfte führt, wäre zu Mehrausgaben durchaus bereit, wenn die Prioritäten richtig gesetzt würden und Althergebrachtes auf den Prüfstand kommt. Mitgliedsstaaten wie Österreich oder die Niederlande lehnen es dagegen ab, den Haushaltsrahmen von knapp einer Billion Euro, verteilt auf sieben Jahre, weiter auszudehnen. EU-Kommissar Oettinger schlägt eine mäßige Erhöhung um 0,1 bis 0,2 Prozentpunkte des Bruttoinlandsprodukts vor, will aber zugleich bei den großen Posten wie den Agrarsubventionen maßvoll den Rotstift ansetzen. Für Diskussionen sorgen dürfte auch die Idee, Strukturhilfen für ärmere Länder künftig an Vertragstreue und solidarisches Verhalten zu koppeln - Stichworte: Rechtsstaatlichkeit oder Umgang mit Flüchtlingen. "Bürgerdialoge" in der gesamten EU Im Vorfeld der nächsten Europawahlen beraten die 27 Politiker außerdem über demokratische Neuerungen. Im Mittelpunkt hier: länderübergreifende Wahllisten und das Modell der "Spitzenkandidaten". Wurde der Kommissionspräsident früher sozusagen im Hinterzimmer von den Mitgliedsstaaten ausgesucht, setzte das EU-Parlament 2014 erstmals eine Art Direktwahl durch. Mit Jean-Claude Juncker siegte der Bewerber, dessen politische Familie in der Kammer die Mehrheit errungen hatte. Während die Abgeordneten an diesem Verfahren festhalten wollen, das freilich so nicht in den Verträgen steht, würde der Rat die Uhr hier liebend gerne zurückdrehen. Unstrittig ist dagegen, dass das EU-Parlament nach dem Brexit um 46 Sitze schrumpfen wird; ebenso der Plan von Kommissionschef Juncker und Frankreichs Präsident Macron, die Wähler stärker in die Reformdebatte einzubinden. Bis Frühjahr 2019 werden dafür in der gesamten EU rund 500 sogenannte "Bürgerdialoge" organisiert, bei denen die Menschen Ideen und Kritik einbringen und die Politiker für das Vereinte Europa werben können. | /ausland/eu-haushalt-133.html |
2018-02-01 | Einstimmigkeitsprinzip auf der Kippe? | Diskussion um Juncker-Idee | Einstimmige Entscheidungen in der Außenpolitik lähmen die EU nach Ansicht von Kommissionspräsident Juncker. Er will hin zu Mehrheitsentscheidungen. Der FDP-Politiker Lambsdorff begrüßte die Idee in den tagesthemen.
mehr | Einstimmige Entscheidungen in der Außenpolitik lähmen die EU nach Ansicht von Kommissionspräsident Juncker. Er will hin zu Mehrheitsentscheidungen. Der FDP-Politiker Lambsdorff begrüßte die Idee in den tagesthemen. Soll in der EU-Außenpolitik das Prinzip der Einstimmigkeit gekippt werden? EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich auf der Münchner Sicherheitskonferenz dafür ausgesprochen. "Immer wieder stellen wir fest, dass die EU keine einheitliche Position findet", sagte er. Die Einstimmigkeit könne nicht so bleiben, denn die EU müsse "weltpolitik-fähig" werden. Die Kommission werde in Kürze Vorschläge vorlegen, wie man zu qualifizierten Mehrheitsentscheidungen in diesem Bereich übergehen könne. Der Vorstoß ist umstritten, weil viele Regierungen auf ihre nationale Souveränität pochen. Bei der FDP stößt er allerdings auf Zuspruch. Der Vize-Chef der FDP-Bundestagsfraktion, Alexander Graf Lambsdorff, begrüßte Junckers Idee: "Die Einstimmigkeit ist in Europa immer ein Rezept für Lähmung, weil wenn auch das letzte kleine Land noch ein Veto hat und alles aufhalten kann, wird es wahnsinnig schwierig, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren. Insofern ist das ein Vorschlag, der in die richtige Richtung geht", sagte er in den tagesthemen. "Verantwortungsvoll mit Mehrheitssystem umgehen" Lambsdorff sprach sich für eine Abschaffung des Einstimmigkeitsprinzips aus und ergänzte: "Aber man muss dann sehr verantwortungsvoll mit diesem Mehrheitssystem umgehen." Zudem forderte der FDP-Politiker die EU zu einer aktiveren Rolle in der Sicherheitspolitik auf. Am beeindruckendsten habe er bei der Sicherheitskonferenz den Auftritt des französischen Premierministers Edouard Philippe gefunden, "der hier sehr klar gesagt hat, dass Frankreich und Europa insgesamt mehr Verantwortung übernehmen müssen, um gerade den Ausfall der USA in den Vereinten Nationen beispielsweise zu kompensieren". Asselborn: Vorschlag unrealistisch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn hingegen bezeichnete die Forderung nach Mehrheitsentscheidungen in der EU-Außenpolitik als unrealistisch. "Ich bezweifele sehr, dass die Abkehr von der bisher nötigen Einstimmigkeit wirklich mehr Einheit erzwingen kann", sagte er in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. "Man kann von den EU-Staaten keine Solidarität für außenpolitische Positionen der EU einfordern", so Asselborn weiter. Hintergrund für Junckers Vorstoß ist die Blockade gemeinsamer Positionen gerade durch kleinere ost- und südosteuropäische EU-Staaten wie Griechenland, Zypern oder Ungarn bei Positionen etwa gegenüber China oder Israel. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte immer wieder kritisiert, dass die EU in der Welt nicht mit einer Stimme auftrete. | /ausland/einstimmigkeit-eu-aussenpolitik-101.html |
2018-02-01 | Anwalt von Dutroux fordert Freilassung | "Er ist kein Monster" | Der Belgier Marc Dutroux gilt als einer der grausamsten Verbrecher Europas: Er entführte und vergewaltigte mehrere Mädchen. Vier von ihnen starben. Nun fordert sein Anwalt, dass er aus der Haft entlassen werden soll. Von Karin Bensch. | Der Belgier Marc Dutroux gilt als einer der grausamsten Verbrecher Europas: Er entführte und vergewaltigte mehrere Mädchen. Vier von ihnen starben. Nun fordert sein Anwalt, dass er aus der Haft entlassen werden soll. Von Karin Bensch, ARD-Studio Brüssel Marc Dutroux: Sein Name steht in Belgien für ein tiefes Trauma. Er hatte sechs Mädchen entführt, vergewaltigt und gefoltert. Vier von ihnen starben, zwei konnten aus einem selbstgebauten Kellerverlies befreit werden. Seit 1996 sitzt Dutroux dafür im Gefängnis. 2004 war er zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Derzeit befindet sich der Belgier in einem Gefängnis in der Kleinstadt Nivelles, südlich von Brüssel. Gericht: Gefahr eines Rückfalls zu hoch Vor fünf Jahren lehnte die Brüsseler Haftprüfungskammer ab, dass Dutroux vorzeitig entlassen wird und seine restliche Strafe mit einer elektronischen Fußfessel im Hausarrest absitzen darf. Zur Begründung hieß es damals, die Gefahr, dass der Sexualstraftäter rückfällig werde, sei zu hoch. Zudem habe der landesweit bekannte Mörder wenige Chancen auf einen Job und eine Wohnung. Dutroux habe absolut keine Aussicht darauf, wieder in die Gesellschaft eingegliedert zu werden. Doch genau dagegen wehrt sich Dutroux’ neuer Anwalt. Er heißt Bruno Dayez und hat gerade ein Buch mit dem provokanten Titel "Warum Dutroux freigelassen werden sollte" veröffentlicht, das derzeit für aufgeregte Diskussionen in Belgien sorgt. Eine lebenslange Haftstrafe muss an der Lebensdauer eines Menschen gemessen werden, meint Dayez. Ein Vierteljahrhundert sei ein beträchtlicher Zeitraum, nach 25 Jahren sei das Maß voll. Nach belgischem Recht ist es möglich, dass Verurteilte einen Antrag auf Freilassung stellen, wenn sie ein Drittel der Strafe abgesessen haben. Im Fall des Wiederholungstäters Dutroux wäre dies nach 16 Jahren möglich gewesen - also schon im Frühjahr 2013. "Apokalyptische" Haftbedingungen Dutroux’ Anwalt plädiert dafür, dass ein Häftling, der seine Strafe abgesessen hat, danach ein Recht auf ein neues Leben in der Gesellschaft hat. Das gelte auch für Marc Dutroux. Der Staat müsse dafür sorgen, dass die Häftlinge im Gefängnis resozialisiert werden, anstatt sie in den grauenvollen Haftbedingungen verfaulen zu lassen", kritisiert Bruno Dayez. "Wenn ich Marc Dutroux im Gefängnis treffe, sitzt ein Mensch vor mir, kein Monster", erzählt der Anwalt. Doch die Haftbedingungen seien apokalyptisch. Seine Zelle sei nur neun Quadratmeter groß. Durch Tisch, Stuhl und Bett könne man sich kaum im Raum bewegen. "Er befindet sich in Isolationshaft, hat absolut keinen Kontakt zu anderen Häftlingen", sagt Dayez. Die Wut der Opfer Grauenvolle Haftbedingungen? Eine kleine Zelle? Jean-Denis Lejeune könnte platzen, wenn er das hört. Seine achtjährige Tochter Julie war eines der ersten Opfer. Ihre Leiche wurde im Garten eines Hauses von Dutroux ausgegraben. "Meine kleine Tochter war in einem Wassertank, der weniger als zwei Quadratmeter groß war", sagt der Vater. Insofern könne sich Dutroux nicht über die Größe seiner Zelle beschweren. Dutroux freilassen? Das macht für den Vater, dessen Tochter auf grausame Weise gestorben ist, gar keinen Sinn. Ärzte hätten außerdem bestätigt, dass Dutroux ein Psychopath sei, und diese Krankheit nicht heilbar sei. Vielleicht wolle Dutroux´ neuer Anwalt Werbung für sich machen oder öffentlichen Druck auf die Richter ausüben, vermutet Jean-Denis Lejeune. Bruno Dayez versteht, dass die Angehörigen der Opfer Dutroux am liebsten für alle Ewigkeit in der Hölle schmoren sehen würden. "Aber die Justiz urteilt nicht im Namen der Angehörigen und die Strafe ist dazu da, symbolisch das Unrecht wiedergutzumachen, das der Gesellschaft zugefügt wurde", sagt der Anwalt. Der Fall des Kinderschänders und Serienmörders Marc Dutroux - er ist tief eingeritzt in die belgische Seele. Deshalb fällt es vielen Menschen so unendlich schwer, diesem Täter, ein Recht auf Recht zuzugestehen. | /ausland/belgien-dutroux-freilassen-101.html |
2018-02-01 | Neuer alter Streit mit Polen | Verteilung von EU-Geldern | EU-Gelder in Abhängigkeit vom Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen? Gegen diesen Vorschlag aus Berlin wehrt sich Polen entschieden. Dabei warnt nun auch EU-Kommissar Oettinger das Land vor Kürzungen.
mehr | EU-Gelder in Abhängigkeit vom Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen? Gegen diesen Vorschlag aus Berlin wehrt sich Polen entschieden. Dabei warnt nun auch EU-Kommissar Oettinger das Land vor Kürzungen. Es ist ein Vorschlag, der in der EU für heftige Auseinandersetzungen sorgt: die Verknüpfung von EU-Geldern mit Bedingungen wie der Aufnahme von Flüchtlingen. Vor dem Sondergipfel in Brüssel wehrt sich Polen scharf dagegen. "Wer immer ein solches politisches Manöver plant, dem kann ich nur sagen: Das wäre ein Fehler", sagte der polnische Europaminister Konrad Szymanski der "Welt". Der Vorschlag war zuvor von Bundeskanzlerin Angela Merkel gekommen. Vor dem Bundestag sagte sie, bei der Verteilung der EU-Gelder müsse "künftig auch das Engagement vieler Regionen und Kommunen bei der Aufnahme und Integration von Migranten" berücksichtigt werden. Polen gegen Quoten bei Flüchtlingsverteilung Länder wie Polen und Ungarn lehnen dagegen verbindliche EU-Auflagen zur Verteilung von Flüchtlingen strikt ab. Im Interview mit der "Welt" wiederholte Szymanski die Position seines Landes: Polen werde eine Umverteilung von Flüchtlingen nach Quoten unter keinen Umständen akzeptieren und mitmachen. Warschau werde "niemals zulassen", dass seine "Kompetenzen im Bereich der Außengrenzenkontrolle und Migration ausgehebelt werden". Sollten Flüchtlingsquoten gegen den Willen einiger Mitgliedstaaten per Mehrheitsbeschluss durchgesetzt werden, werde das "zu einer echten politischen Krise mit weitreichenden Folgen für die Einheit der Union führen", warnte er. Der Minister der rechtsnationalen Regierungspartei PiS kündigte an, Warschau werde alles tun, um einen politischen Konflikt um den neuen mehrjährigen Haushalt zu vermeiden. "Aber wir erwarten auch, dass unsere Partner auf unsere Vorstellungen eingehen", sagte Szymanski. Oettinger warnt Polen und Ungarn vor Geldentzug EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger mahnte unterdessen Polen und Ungarn, Europas Grundwerte zu respektieren. Es könne sein, "dass die 27 Mitgliedstaaten in dem Diskussionsprozess für einen nächsten Haushaltsrahmen sich in die Augen schauen und dann ist klar: Wenn ihr diesen Kurs fortsetzt, dann wird es um Kürzungen bei den Investitionen gehen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung". Aus Sorge um die Unabhängigkeit der Justiz in Polen hatte die EU-Kommission im Dezember erstmals ein Verfahren wegen des Bruchs der Grundwerte in einem Mitgliedsland eingeleitet. Auch die CDU-Europaabgeordnete Inge Gräßle bringt Kürzungen der Finanzhilfen für Polen und Ungarn ins Spiel: Es sei unerträglich, dass die beiden Länder als Hauptempfänger von EU-Geldern sich bei der Einhaltung europäischer Werte und Standards besonders widerborstig benähmen, sagte sie dem SWR. Wer EU-Recht nicht einhalte, könne nicht von den Partnern erwarten, dass sie beim Geld solidarisch seien. Die europäischen Finanzen sind Thema des Gipfels der EU-Staats- und Regierungschefs. Auf dem informellen Gipfel fallen aber keine Entscheidungen. Das Treffen bildet den Auftakt schwieriger mehrmonatiger Verhandlungen. | /ausland/eu-gelder-streit-101.html |
2018-02-01 | Neue Vorwürfe belasten Steinhoff | Skandal beim Möbelgiganten | Im Dezember brachten offenbar manipulierte Zahlen den Möbelkonzern Steinhoff in Bedrängnis. Interne Unterlagen, die NDR und SZ vorliegen, zeigen nun: Die Tricksereien haben ein viel größeres Ausmaß.
mehr | Im Dezember brachten offenbar manipulierte Zahlen den Möbelkonzern Steinhoff in Bedrängnis. Interne Unterlagen, die NDR und SZ vorliegen, zeigen nun: Die Tricksereien haben ein viel größeres Ausmaß. Führende Mitarbeiter des Möbelkonzerns Steinhoff haben offenbar wesentlich länger Unternehmensbilanzen manipuliert als bislang bekannt. Das geht aus internen E-Mails hervor, die NDR und "Süddeutsche Zeitung" auswerten konnten. Demnach unterhielten sich zwei deutsche Manager mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden von Steinhoff, Markus Jooste, bereits im Jahr 2014 ausführlich darüber, wie sie die Bilanzen des Konzerns in einem besseren Licht erscheinen lassen können. Die E-Mails legen außerdem den Verdacht nahe, dass auch frühere Jahresabschlüsse von Manipulationen betroffen sein könnten, und dass weitere Steinhoff-Berater von den Vorgängen wussten. Wer wusste von Bilanzbetrug? Die E-Mails stammen aus dem Jahr 2014, neben Jooste sind ein ehemaliger und ein amtierender Steinhoff-Manager aus Norddeutschland beteiligt. Die Konversation beginnt damit, dass einer der Manager Jooste seinen Vorschlag für die Konzernbilanz 2014 zusendet. Jooste antwortet darauf: "Ich habe jetzt alle Zahlen der Gruppe geprüft und brauche ein paar zusätzliche Einträge, um die abschließende Konsolidierung auszubalancieren. Wir haben uns entschlossen, in den Büchern [einer Tochtergesellschaft] eine Wertminderung vorzunehmen, damit es für alle Investoren gut aussieht". An anderer Stelle bittet Jooste einen Manager darum, bei einer Unternehmenstochter "eine zusätzliche Einnahme von 100 Mio. Euro (…) anfallen zu lassen", um so den Gewinn "unseren Plänen/Prognosen" anzupassen. Ein ehemaliger Steinhoff-Manager erklärt Jooste an anderer Stelle: "Du wirst dich an die Bilanzen erinnern, die wir in den vergangenen Jahren nach oben gedrückt haben". Zu den Einwänden eines Kollegen erklärt er: "Ich kann [Name eines Kollegen]s Sorge nachvollziehen, wie das alles wieder ausgemerzt werden soll." Wie weit reicht mögliche Bilanzfälschung zurück? Über mehrere Seiten entspinnt sich daraufhin eine Diskussion, wie genau man bestimmte Bilanzpositionen des Milliardenkonzerns darstellen soll, auch mit dem Ziel Investoren und die Bilanzprüfer von Deloitte zu befriedigen. Mutmaßlich sind auch zurückliegende Bilanzen von Manipulationen betroffen. So erklärt Jooste zur Bilanz für das Jahr 2014: "Wenn wir jetzt aufhören, ist meine Sorge, dass der Rest dann schwieriger ist." Zudem müsse es darum gehen, eine "starke Basis (…) zum Bereinigen der Vergangenheit" zu schaffen. Ein bis heute aktiver deutscher Steinhoff-Manager erklärt an anderer Stelle: "Ich habe noch Gewinne von 82 Millionen Euro aus 2011/2012 in meinen Büchern (…) und habe keine Dokumentation, keine Sicherheiten bislang." Markus Jooste sagt ihm darauf hin zu, Teile eines anderweitig erzielten Gewinnes umzuleiten, um die Löcher zu stopfen. NDR und SZ kooperierten bei der Recherche mit dem südafrikanischen Finanz-Portal Moneyweb. Steinhoff äußerte sich auf eine gemeinsame Anfrage nicht und verwies auf eine noch nicht abgeschlossene externe Untersuchung. Jooste und die beiden deutschen Geschäftsmänner beantworteten keine Fragen. Der Jahresabschluss von 2014, bis heute auf der Website von Steinhoff zu finden, liest sich, als befände sich das Unternehmen in bester Verfassung: Der operative Gewinn stieg um 29 Prozent, das Vorsteuerergebnis um 26 Prozent, am Ende wurde der Bericht abgesegnet von Deloitte. Auch die Wirtschaftsprüfer wollten sich nicht äußern. Milliarden-Konzern gerät ins Schlingern Der Steinhoff-Konzern wurde in den 1960er-Jahren in Westerstede in Niedersachsen gegründet. Seither standen die Zeichen für das Unternehmen, das bis zuletzt als zweitgrößter Möbelhändler Europas nach Ikea gehandelt wurde, auf Expansion. Die Firma, zu der Möbelmarken wie Poco gehören, gründete Firmenzentralen in den Niederlanden und in Südafrika. Im vergangenen Jahr war Steinhoff an der Börse 24 Milliarden Euro wert, ein globaler Konzern für den mehr als 100.000 Menschen auf der ganzen Welt arbeiten. Umso schockierter reagierten Anleger, als Markus Jooste im vergangenen Dezember Fehler bei der Bilanzerstellung einräumte: Über Nacht fiel der Börsenkurs um mehr als 90 Prozent. Der Konzern zog daraufhin seine Jahresabschlüsse für die Jahre 2015 bis 2017 zurück und kündigte eine umfassende Untersuchung an. Kurz darauf zeigte die Gruppe ihren ehemaligen Chef Jooste bei der südafrikanischen Polizei an. Er ist seither aus der Öffentlichkeit abgetaucht. Konzern taucht in "Panama- und Paradise-Papers" auf Unter der Ägide von Jooste, der den Konzern 1998 an die Börse brachte, verfolgte Steinhoff eine aggressive Expansionspolitik, die auch von zahlreichen deutschen Banken mit Krediten gestützt wurde. Unterlagen, die NDR und SZ einsehen konnten, zeigen, dass sich das Unternehmen seither zu einem Mischwarenkonzern gewandelt hat. Anteile an einer südafrikanischen Bank gehörten zuletzt ebenso zu der Gruppe wie ein Autovermieter. Und auch kuriose Geschäftsbeziehungen ging die Gruppe offenbar ein: In den "Paradise Papers" taucht eine Briefkastengesellschaft mit Sitz auf der Isle of Man auf, mit ihr hatte der Konzern sich an einem Hafenlogistik-Unternehmen in Mosambik und einem Obst- und Gemüsetransporteur in Hongkong beteiligt. Auch in den "Panama Papers" tauchen Steinhoff-Töchter auf, offenbar im Zusammenhang mit Immobiliengeschäften. Eine Konsolidierung oder organisatorische Zusammenführung von Unternehmensteilen fand oftmals nicht statt: Kurz vor dem Börsencrash bestand die Steinhoff-Gruppe offenbar aus mehr als 2000 einzelnen Unternehmen. Südafrikanische Angestellte zittern um Pensionen Bis heute hat der mutmaßliche Bilanzskandal Börsenwerte mehr als zehn Milliarden Euro vernichtet. Besonders hart trifft das Beamte in ganz Südafrika, deren Pensionskassen Rücklagen in Steinhoff-Aktien investiert hatten. Ein Fonds für öffentlich Angestellte allein verlor rund 1,2 Milliarden Euro. Tahir Maepa, Vorsitzender der südafrikanischen Gewerkschaft PSA, die zahlreiche Geschädigte vertritt, sprach im Interview mit dem NDR von einem "Desaster". "Wir haben es hier mit hochgebildeten, qualifizierten Personen zu tun, die ein Multi-Milliarden-Unternehmen betreiben. Wie kann da niemand bemerkt haben, dass etwas schief läuft?", so Maepa. Er und seine Kollegen wollen den Fall nun aufarbeiten und bemühen sich, die Rentenansprüche irgendwie doch noch zu sichern. Ermittlungen gegen Steinhoff weiten sich aus In Deutschland weiteten sich die Ermittlungen in der Causa Steinhoff zuletzt aus. Wie NDR und SZ in der vergangenen Woche berichteten, hat die BaFin eine förmliche Untersuchung wegen des Verdachts der Markmanipulation eingeleitet. Sie arbeitet dabei mit südafrikanischen Behörden zusammen, wie Moneyweb berichtet. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ermittelt zurzeit gegen mehrere Manager und ehemalige Manager der Steinhoff-Gruppe unter anderem wegen des Verdachts der unrichtigen Darstellung von Bilanzen, der Urkundenfälschung und der Steuerhinterziehung. | /wirtschaft/steinhoff-105.html |
2018-02-01 | Notruf nicht nur im Notfall? | Rettungswageneinsätze | Die Zahl der Rettungswageneinsätze ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen - und damit sind es auch die Kosten. Politiker sehen das Verhalten der Patienten als Ursache und wollen nun gegensteuern.
mehr | Die Zahl der Rettungswageneinsätze ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen - und damit sind es auch die Kosten. Politiker sehen das Verhalten der Patienten als Ursache und wollen nun gegensteuern. Die Kosten für Einsätze von Rettungswagen gehen bundesweit stark in die Höhe. Die Ausgaben der gesetzlichen Krankenkassen dafür hätten sich in den vergangenen acht Jahren nahezu verdoppelt - auf 2,1 Milliarden Euro im Jahr 2016, berichtete die "Welt am Sonntag". Demnach rückten zuletzt bundesweit rund 5,2 Millionen Mal Rettungswagen aus. Verändertes Patientenverhalten Verantwortlich für diese Kostensteigerung ist nach Ansicht von CDU-Politikerin Karin Maag eine stark gestiegene Anspruchshaltung der Patienten. Immer häufiger werde die Notfallnummer 112 wegen Bagatellen gewählt, sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der Union der Zeitung. Maag kündigte eine Neustrukturierung der Notfallversorgung in dieser Legislaturperiode an. "Dabei werden wir auch über bestehende Strukturen sprechen, die bislang nicht so gut funktionieren." Geplant sei eine Zusammenlegung der Notrufnummer 112 mit der Nummer des ärztlichen Notdienstes 116 117. Diese Nummer sei den meisten Patienten bisher kaum bekannt, sagte auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Sabine Dittmar. "Es ist also wenig verwunderlich, dass es zu Fehlsteuerungen kommt." Die für Gesundheitsthemen verantwortliche Bundestagsabgeordnete der Grünen, Kirsten Kappert-Gonther, regte eine Handy-App für Patienten an. "Darin könnten Hilfesuchende zu jeder Tages- und Nachtzeit die jeweils in ihrer Nähe verfügbaren Hilfsangebote angezeigt bekommen." Fehler im System Aus Sicht der Krankenkassen sorgt auch ein problematisches Konstrukt für den Kostenanstieg: Während die Kommunen die Rettungsdienste in ihrer Stadt organisieren - über eigene Berufsfeuerwehren oder die Vergabe meist an Hilfsorganisationen - und die Preise dafür festsetzen, müssen die Krankenkassen die Einsätze bezahlen. Für die Kommunen bestehe somit kein Anreiz, die Einsatzzahlen zu begrenzen. "Wir sind in diesem Bereich komplett zahnlos", sagt der Leiter des Bereichs Rettungsdienste bei der AOK Rheinland/Hamburg, André Müller. | /inland/rettunsgeinsaetze-101.html |
2018-02-01 | May will Sicherheitsabkommen mit der EU | Zeit nach dem Brexit | Wie soll es nach dem Brexit bei der Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit weitergehen? Dazu hat Premierministerin May einen Vorstoß präsentiert: ein umfangreiches Abkommen mit der EU - und zwar möglichst bald.
mehr | Wie soll es nach dem Brexit bei der Zusammenarbeit in Sachen Sicherheit weitergehen? Dazu hat Premierministerin May einen Vorstoß präsentiert: ein umfangreiches Abkommen mit der EU - und zwar möglichst bald. Die britische Premierministerin Theresa May hat ein umfangreiches Sicherheitsabkommen mit der Europäischen Union nach dem Brexit vorgeschlagen. Eine solche Vereinbarung sollte schon kommendes Jahr in Kraft treten, um die Zusammenarbeit auch nach dem Brexit zu sichern. Sie müsse über entsprechende Abkommen mit Drittstaaten hinausgehen. "Wir möchten die Kooperation auch nach dem Austritt aus der EU fortsetzen und vorantreiben", sagte sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz. "Wir müssen unsere Bevölkerung schützen. (...) Europas Sicherheit ist unsere Sicherheit." Dies sei etwa im Kampf gegen Terrorismus und Schleuserkriminalität, aber auch gegen Cyberkriminalität wichtig. "Ich denke, es liegt in unser aller Interesse, diese Zusammenarbeit fortzusetzen", sagte sie im ARD-Exklusiv-Interview. Weitere Mitarbeit bei EU-Programmen Großbritannien sei bereit, auch nach dem EU-Austritt an einigen EU-Programmen mitzuarbeiten und dafür auch Geld bereitzustellen. Als Beispiele nannte sie die europäische Militärforschung, in der der britische Anteil bei 40 Prozent liege, sowie Weltraumaktivitäten, gemeinsame militärische Aktionen und die Entwicklungshilfe. May forderte zudem eine weitere Zusammenarbeit im Rahmen von Europol sowie des europäischen Haftbefehls. "Wir verlassen die EU, aber nicht Europa", sagte sie auf Deutsch im ARD-Interview. Ein entsprechender Vertrag müsse jedoch die britische Souveränität berücksichtigen. Dies gelte vor allem für den Europäischen Gerichtshof, der künftig nicht mehr für Großbritannien zuständig sein werde, betonte die Premierministerin. Einem zweiten Brexit-Referendum erteilte sie erneut eine klare Absage. Großbritannien will Ende März 2019 die Staatengemeinschaft verlassen. May steht stark unter Druck: Sie regiert mit hauchdünner Mehrheit und ihr Kabinett ist sich im Brexit-Kurs uneins. | /ausland/may-muenchen-101.html |
2018-02-01 | Stillschweigen über den "Staatsfeind" | Stop-Soros-Kampagne in Ungarn | Der US-Milliardär Soros wurde für sein zivilgesellschaftliches Engagement von Ungarns Regierung angeprangert - doch plötzlich herrscht Stille. Dahinter steckt wohl die Angst um Wählerstimmen. Von Clemens Verenkotte. | Der US-Milliardär Soros wurde für sein zivilgesellschaftliches Engagement von Ungarns Regierung angeprangert - doch plötzlich herrscht Stille. Dahinter steckt wohl die Angst um Wählerstimmen. Keine negativen Äußerungen mehr, keine Hetze, kein weiteres Wort über George Soros - so lautet nach Angaben der ungarischen Tageszeitung "Magyar Nem-zet" die Anweisung der Regierungspartei Fidesz an ihre Funktionäre. Diese Order wurde demnach wenige Wochen vor den Parlamentswahlen am 8. April ausgegeben. Auch regierungsfreundliche Medien seien von der Fidesz-Führung angehalten worden, die Attacken gegen den ungarisch-stämmigen US-Milliardär einzustellen. Soros galt als "Staatsfeind Nummer 1" Bis Anfang dieser Woche bestand die Wiederwahlstrategie der Partei von Ministerpräsident Viktor Orban in der "Stop-Soros"-Kampagne. Mit sehr hohem finanziellen und medialen Aufwand hatte Orban über Monate hinweg den 87-Jährigen als eine Art "Staatsfeind Nummer 1" darstellen lassen, der Ungarn mit unzähligen Flüchtlingen destabilisieren wolle. Sogar Fernsehspots gegen Soros wurden ausgestrahlt. In einem dieser Spots heißt es etwa: In der letzten Zeit sind mehrere Millionen Einwanderer nach Europa gekommen. Aber der Zaun, der an der ungarischen Grenze gebaut worden ist, stoppt sie. Laut George Soros sollte man diesen abbauen, und weiteren Millionen aus Afrika und dem Nahen Osten ansiedeln. Es ist gefährlich! Deswegen soll der Soros-Plan verhindert werden! Stop Soros! Im Auftrag der ungarischen Regierung. Wahl setzt Orban unter Druck Orbans Kehrtwende steht in einem direkten Zusammenhang mit der herben Niederlage seiner Fidesz-Partei bei der Bürgermeister-Nachwahl im südostungarischen Hodmezövasarhely. Dort hatte am Sonntag ein unabhängiger Kandidat, der von allen Oppositionsparteien unterstützt worden war, mit großem Vorsprung vor dem Fidesz-Kontrahenten gewonnen. Anschließend beharrte Orban auf seinem Abschottungskurs: "Es geht nur um eine Sache: Ob wir ein Einwanderungsland werden oder nicht. Falls wir dranbleiben, wird Ungarn kein Einwanderungsland werden." Parteiintern war allerdings Kritik am Kurs des Ministerpräsidenten geäußert worden: Ungarn habe andere Probleme als allein die Flüchtlingspolitik. Andras Bencsik, Chefredakteur der regierungsnahen Wochenzeitung "Demokrata", gab die Stimmung in der Fidesz mit den Worten wider: "Ich denke, man sollte mit diesem Grundschulniveau der Soros-Kampagne aufhören. Die ungarische Gesellschaft ist viel intelligenter." Zudem rief der Chefredakteur einen Satz Orbans aus dem Wahlkampf 2002 in Erinnerung: "Jeder soll einen Mitmenschen mitnehmen", hatte Orban damals gesagt. "Dieser Satz hat sich in die Herzen der Leute eingeprägt", so Bencsik. Von negativen Parolen zu Smiley-Botschaften Im Jahr 2002 hatte Orbans Fidesz-Partei die Parlamentswahlen an die Sozialisten verloren. Vier Jahre später schaltete die Partei auf einen Negativwahlkampf und unterlag erneut. Die jetzige Kehrtwende - weg von einer negativen und hin zu einer positiven Wahlkampfbotschaft - erfolgt wenige Wochen vor den Wahlen Anfang April. Fidesz-Politiker würden die Anweisung ihrer Parteiführung befolgen, beobachtet das Internetportal "Index". Die Funktionäre posteten auf ihren Facebook-Seiten nur noch "positive Botschaften" - und viele Smileys. | /ausland/ungarn-soros-orban-101.html |
2018-02-01 | Zeitgeschichte in der Tagesschau | Februar 1998 | Sehen Sie noch einmal die historischen Ereignisse in der Tagesschau vor 20 Jahren.
mehr | tagesschau.de dokumentiert das Jahr 1998 Tag für Tag mit den 20-Uhr-Ausgaben der Tagesschau. Hier die Ausgaben vom Februar. | /multimedia/tsvorzwanzigjahren-219.html |
2018-02-01 | "Kein Premier könnte dem zustimmen" | May gegen Brexit-Plan der EU | Der EU-Entwurf über den Brexit facht den Streit weiter an, anstatt Fortschritte zu bringen. Die britische Regierung reagiert empört und spricht von einer Bedrohung für das Königreich. Von Stefanie Pieper. | Der EU-Entwurf über den Brexit facht den Streit weiter an, anstatt Fortschritte zu bringen. Die britische Regierung reagiert empört und spricht von einer Bedrohung für das Königreich. Premierministerin Theresa May appelliert an die Londoner Abgeordneten auf den Oppositionsbänken, sich zu beruhigen, als es in der Brexit-Debatte hoch hergeht. Dabei muss sich die konservative Regierungschefin womöglich selbst beruhigen, nachdem Brüssel beim Austrittsabkommen den Aufschlag gemacht hat. Mit einem Text, den sie so nicht unterschreiben wird, wie May im Parlament klarstellt: Wenn dieser Entwurf in Kraft träte, würde dies den gemeinsamen Markt und die konstitutionelle Integrität des Vereinigten Königreichs bedrohen, weil es dann eine Handelsschranke zwischen Nordirland und Großbritannien gäbe. Kein britischer Premierminister könnte dem je zustimmen - und das werde ich Brüssel klarmachen. Was May derart erregt, sind die EU-Formulierungen zur inner-irischen Grenze. Für den Fall, dass es keinen Brexit-Deal gibt, soll Nordirland demnach de facto alle Spielregeln übernehmen, die auch in Irland - also in der EU - gelten. Die Premierministerin will ihr Land schließlich aus der Zollunion und aus dem europäischen Binnenmarkt herausführen - damit müsste nach dem Brexit eigentlich der Güterverkehr auf der irischen Insel kontrolliert werden. Die Grenzfrage als Druckmittel? Genau das, eine feste Grenze mit Checkpoints, will May aber vermeiden. Das irische Grenzproblem zu lösen, bleibt der Versuch der Quadratur des Kreises. Nicht ohne Grund nimmt May jetzt ihren Außenminister in die Pflicht, nachdem Boris Johnson, oberster "Brexiteer" im Kabinett, hatte durchblicken lassen, eine harte Grenze wäre nicht dramatisch. Johnson unterstellt der EU vielmehr, den Brexit sabotieren zu wollen: "Die irische Grenzfrage wird politisch ausgenutzt, um Großbritannien in der Zollunion und praktisch auch im Binnenmarkt zu halten, so dass wir die EU nicht wirklich verlassen können. Darum geht es im Moment." May auf DUP-Stimmen angewiesen Heikel ist diese Causa nicht nur, weil an ihr der Friedensprozess in Nordirland hängt, sondern weil sie auch politisch brisant ist für May. Denn ihre Tory-Minderheitsregierung bleibt auf die Stimmen der nordirischen Protestanten-Partei DUP angewiesen. Dieser Großbritannien-treue Bündnispartner lehnt vehement alles ab, was nach einem Sonderstatus für Nordirland riecht. "Wir verlassen nicht die EU, um dann dem Auseinanderbrechen des Vereinigten Königreichs zuzusehen. Es wäre katastrophal, wenn Nordirland von seinem wichtigsten Markt abgeschnitten wäre", stellt der DUP-Abgeordneter Nigel Dodds klar. Die Opposition hat eine Lösung parat: Labour-Chef Jeremy Corbyn wirbt seit dieser Woche dafür, dass Großbritannien nach dem Brexit langfristig in einer Art Zollunion mit der EU bleibt. Die Tory-Regierung dagegen sei so gespalten, dass die Premierministerin nicht in der Lage sei, einen schlüssigen Brexit-Plan vorzulegen, kritisiert Corbyn - auch wenn Mays Regierung genau dies eigentlich übermorgen tun will. Die Zeit in den Verhandlungen drängt: Ohne fertiges Austrittsabkommen gibt es keine zweijährige Übergangsperiode und kein britisch-europäisches Freihandelsabkommen. Das Brexit-Pokerspiel geht weiter. | /ausland/brexit-irland-may-101.html |
2018-02-01 | Schwere Kost für die Briten | EU-Entwurf zum Brexit | Die EU hat den ersten Entwurf eines Brexit-Vertrags vorgelegt. Brüssel hofft nun auf schnellere Verhandlungen - bis zum Herbst sollen diese immerhin abgeschlossen sein. Von Kai Küstner. | Die EU hat den ersten Entwurf eines Brexit-Vertrags vorgelegt. Brüssel hofft nun auf schnellere Verhandlungen - bis zum Herbst sollen diese immerhin abgeschlossen sein. Als hätte er geahnt, welche Reaktionen er auslösen würde, versuchte der Brexit-Chefverhandler für die EU, Michel Barnier, schon mal vorab, die Nerven zu beruhigen. "Der Text für die britischen Partner enthält keine Überraschungen", erklärte Barnier vor Journalisten in Brüssel, als er jenes 168 Paragrafen umfassende Werk vorstellte, das bald in den endgültigen Scheidungsvertrag zwischen dem Königreich und der Europäischen Union münden soll. Postwendend Ärger Obwohl der Text im Grunde nur das präzisiert, worauf man sich bereits im Dezember geeinigt hatte, ist es insbesondere eine Passage, die Brexit-Befürworter auf der Insel nur schwer verdaulich finden und die bereits Minuten nach der Textveröffentlichung ärgerliche Reaktionen provozierte. Dabei geht es mal wieder um das wohl komplizierteste Brexit-Thema überhaupt: die künftige Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und dem britischen Nordirland: "Die Nord-Süd-Zusammenarbeit auf der irischen Insel wird gewährleistet. Eine harte Grenze wird vermieden", so Barnier. So weit, so gut - genau so lautete die Einigung zwischen EU und Großbritannien im Dezember. In dem Vertragsentwurf buchstabiert die EU-Seite nun jedoch schwarz auf weiß, was passieren wird, wenn man keine Lösung für die Grenzfrage findet. Dann nämlich, heißt es dort, sollen im britischen Nordirland Regeln der EU-Zollunion und des EU-Binnenmarktes weiter gelten. Von beidem jedoch will sich London nach dem Austritt verabschieden. "Dies ist die Auffanglösung, die wir in unserem Austrittsvertrag unterbringen müssen", erklärte Barnier. Er versuchte zu besänftigen: "Es handelt sich ja nur um eine von drei möglichen Lösungen." Und in der Tat hat die britische Seite bislang keinen Vorschlag gemacht, wie genau sie eine harte Grenze vermeiden will. In der Praxis würde die "Notfall-Lösung" bedeuten, dass Nordirland im Grunde eine Grenze zum Rest des Vereinigten Königreichs hätte. May reagiert empört "Der Nordirland-Plan der EU gefährdet die konstitutionelle Selbstbestimmung Großbritanniens", reagierte Premierministerin Theresa May. Barnier erklärte auf Nachfrage, ihm liege es fern, damit irgendjemanden provozieren zu wollen: "Ich will damit keinen Schock hervorrufen. Ich will, dass diese Verhandlungen ein Erfolg werden." Mit diesen Worten trat der EU-Chefverhandler Gerüchten entgegen, er habe bewusst der May-Regierung einen Schrecken einjagen wollen, damit die sich in den Verhandlungen bewegt - und die lang ersehnten Ideen liefert, wie sich London die künftigen Beziehungen eigentlich vorstellt. Fest steht, dass die EU mit diesem Text den Druck erhöht - und überhaupt versucht, Tempo bei den Gesprächen zu machen. Tempo in den Verhandlungen "Wenn die Verhandlungen ein Erfolg werden sollen - und das will ich - dann müssen wir sie beschleunigen", erklärte Barnier. Bereits in 13 Monaten werde das Vereinigte Königreich kein Mitglied der EU mehr sein. Nun deutet sich jedenfalls an, was Experten bereits vor Monaten vermuteten: dass die zweite Phase der Scheidungsverhandlungen wesentlich härter wird als die im Dezember abgeschlossene erste. | /ausland/eu-brexit-vertragsentwurf-101.html |
2018-02-01 | Fake über Merkel erfolgreichster Artikel | Essener Tafel | Ein Fake über eine angebliche Aussage von Kanzlerin Merkel hat in den sozialen Netzwerken enorme Verbreitung gefunden. Merkel soll gesagt haben, Flüchtlinge seien zu bevorzugen. Von Patrick Gensing. | Ein Fake über eine angebliche Aussage von Kanzlerin Merkel hat in den sozialen Netzwerken enorme Verbreitung gefunden. Merkel soll gesagt haben, Flüchtlinge seien zu bevorzugen. Von Patrick Gensing, tagesschau.de Fake News finden in Deutschland enorme Verbreitung, das zeigt ein aktuelles Beispiel. Die Seite "Meedia" berichtet, der erfolgreichste "Artikel" in Sachen Interaktionen bei Facebook sei am Dienstag kein journalistischer gewesen - sondern eine Lüge über eine angebliche Aussage von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Der anonyme Autor titelte demnach auf der rechtsextremen Seite "Halle-Leaks": "Laut Merkel ist Flüchtlingen bei den Tafeln unbedingter Vorrang zu geben - wir luden sie ein" und verbreitete damit eine Unwahrheit. Denn als Quelle für die angebliche Merkel-Meldung wird unter dem kurzen Text die Quelle "zeit.de" genannt. Dort wird aber lediglich vermeldet, dass die Kanzlerin "Kategorisierungen" wie die im Fall der Essener Tafel ablehne. Dass man "Flüchtlingen unbedingten Vorrang" geben solle, so "Meedia" weiter, sei "eine Erfindung des rechten Hetz-Blogs". Merkel hatte auf RTL wörtlich gesagt: "Da sollte man nicht solche Kategorisierungen vornehmen. Das ist nicht gut. Aber es zeigt auch den Druck, den es gibt." Kurzer Artikel mit falschem Zitat Die Seite Halle-Leaks hat schon mehrfach für Aufsehen gesorgt, da sie mit falschen oder irreführenden Inhalten große Reichweiten erzielen konnte. Unter anderem "Buzzfeed" analysierte die Strategie des Blogs: Die Seite habe "einen ganz eigenen Weg gefunden, Leser auf ihre Seite zu locken. Sie nehmen Nachrichten, suchen sich einen Aspekt heraus und verbreiten diese mit verfälschten oder erfundenen Zitaten auf den Facebook-Vorschaubildern". Der jeweilige Inhalt des Artikels sei zumeist sehr kurz gehalten: ein bis zwei einleitende Sätze und dann eine vermeintliche Quelle, in der die angeblichen Zitate aber gar nicht auftauchen. Genau so funktioniert auch der aktuelle Fake-Artikel über Merkel und die Essener Tafel. Einer der erfolgreichster Artikel im Netz Wie erfolgreich dieses Modell ist, zeigt eine Auswertung von Interaktionen in den sozialen Netzwerken. Laut der Seite "10000Flies" hat der Artikel mit dem angeblichen Merkel-Zitat bislang 42.255 Interaktionen auf Facebook und Twitter erreicht, mehr als jeder andere Artikel vom Dienstag. Auf die vergangenen sieben Tage gesehen liegt "Halle-Leaks" damit auf Platz drei. Auf Platz Eins: Ein Artikel der Zeitung "Die Welt" über die Debatte im Bundestag über einen AfD-Antrag zu Deniz Yücel, gefolgt von einem "Postillon"-Beitrag. Die Satire-Seite hatte berichtet, ein strenggläubiger Muslim wolle keinen Jägermeister mehr trinken, weil das Logo ein Kreuz zeigt. Eine Geschichte, die einige Nutzer ernst nahmen. Unter anderem Erika Steinbach schenkte der Satire offenkundig Glauben und twitterte: Hoppla, ich dachte Muslime dürfen keinen Alkohol trinken. Also kann Jägermeister diese Drohung gelassen hinnehmen. Aber es ist schon dreist, was hier in Deutschland abgeht. https://twitter.com/SteinbachErika/status/966978336126918656 Für diesen Tweet sammelte Steinbach wiederum rund 2000 Herzen bei Twitter ein. Später behauptete die ehemalige CDU-Abgeordnete dann, sie habe sich nur einen Spaß erlaubt und sei amüsiert über die Empörung. Steinbach hatte bereits zuvor falsche Inhalte geteilt. | /faktenfinder/fake-merkel-essener-tafel-101.html |
2018-02-01 | EU-Kommission plant digitale Umsatzsteuer | Facebook, Google & Co. | Die großen Internetkonzerne verschieben ihre Gewinne gekonnt - und zahlen dadurch kaum Steuern in der EU. Das will die Kommission ändern und schlägt eine "digitale Umsatzsteuer" vor. Von Ralph Sina. | Die großen Internetkonzerne verschieben ihre Gewinne gekonnt - und zahlen dadurch kaum Steuern in der EU. Das will die Kommission ändern und schlägt eine "digitale Umsatzsteuer" vor. David gegen Goliath, das Juncker-Team gegen Facebook, Google, Twitter und Instagram: Die Kommission will, dass die EU kein Steuerparadies für Internetriesen bleibt. Alle Internetfirmen mit einem Gesamtjahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro und einem EU-Umsatz von mindestens zehn Millionen Euro sollen nach den Plänen der EU-Kommission in Zukunft eine sogenannte digitale Umsatzsteuer zahlen. Besteuert werden sollen Umsätze, die zum Beispiel durch den Verkauf von Nutzerdaten erzielt werden oder durch Online-Werbung in Suchmaschinen und sozialen Netzwerken. Auch digitale Marktplätze wie Uber und Airbnb sollen eine digitale Umsatzsteuer bezahlen. Bisher zahlen die Digitalriesen in der EU laut Angaben der Kommission nur halb so viel Steuern wie konventionelle Firmen. Kein Firmensitz - keine Steuern Dabei nimmt die Diskrepanz zwischen digitaler Wertschöpfung und der Besteuerung digitaler Unternehmen in der EU laut Analyse des Juncker-Teams zu. Denn die Internetriesen haben in vielen Ländern keinen Firmensitz. Laut veralteter internationaler Steuerregeln darf ein EU-Staat aber nur Unternehmen besteuern, die durch eine permanente Betriebsstätte physisch präsent sind. Dieses Steuerrecht aus dem Analogzeitalter entspricht aus Sicht des zuständigen Kommissionsvizepräsidenten Valdis Dombrovskis nicht mehr der digitalen Unternehmenswelt, in der "Umsätze dort besteuert werden müssen, wo sie anfallen". Vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron und sein Finanzminister Bruno Le Maire machen in Brüssel Druck, dass die Juncker-Kommission einen Steuervorschlag auf den Tisch legt, der dem Digitalzeitalter entspricht - und der dafür sorgt, dass Internetriesen einen fairen Steuerbeitrag zur Finanzierung der öffentlichen Haushalte leisten. "Frankreich unterstreicht die Wichtigkeit der Besteuerung der Digitalkonzerne" betonte Finanzminister Le Maire beim Ecofin-Treffen mit seinen Finanzministerkollegen vergangene Woche in Brüssel. Um dieses Besteuerungsprojekt voranzutreiben, sei er im ständigen Gespräch mit der EU-Kommission. Und wenn die EU-Kommission und seine Finanzministerkollegen "ihre sämtliche Energie und ihren gesamten politischen Willen aufbringen", dann ist auch Le Maire guter Hoffnung, dass Google und Co. in Zukunft in der EU mehr Steuern bezahlen. Internetriesen verschieben Profit Die Juncker-Kommission legt mit ihrem Arbeitspapier zur digitalen Umsatzsteuer jetzt eine erste Grundlage vor. Der genaue Steuersatz ist noch offen. Er soll nach den Vorstellungen der Kommission zwischen einem und fünf Prozent des Umsatzes liegen. Wohlgemerkt: des Umsatzes und nicht des Gewinns, wie es im traditionellen Steuerrecht üblich ist. Denn der Profit der Internetriesen wurde bisher solange zwischen verschiedenen Ländern verschoben, bis zum Schluss nur noch eine Minimalzahlung in EU-Unternehmenssteueroasen wie Luxemburg oder Irland fällig war. Diese beiden Länder haben bereits beim EU-Finanzministertreffen im September vergangenen Jahres in Tallinn entschiedenen Widerstand gegen eine Internet-Umsatzsteuer angekündigt. Und an diesem Widerstand hat sich nichts geändert. Da Steuergesetze in der EU einstimmig beschlossen werden müssen, ist es also völlig offen, ob und wann aus dem Richtlinienentwurf der EU-Kommission ein neues EU-Steuergesetz wird. | /ausland/eu-facebook-google-twitter-steuern-101.html |
2018-02-01 | Geld für Solidarität | EU-Finanzen | Die EU diskutiert darüber, wie sie in den nächsten Jahren ihr Geld ausgeben will. Kanzlerin Merkel möchte Strukturhilfen an die Einhaltung von Grundwerten koppeln - zum Unmut vieler Oststaaten. Von Holger Romann. | Die EU diskutiert darüber, wie sie in den nächsten Jahren ihr Geld ausgeben will. Kanzlerin Merkel möchte Strukturhilfen an die Einhaltung von Grundwerten koppeln - zum Unmut vieler Oststaaten. Der große Poker um die EU-Finanzen nach dem Brexit hat begonnen. Auf ihrem Sondergipfel in Brüssel haben Kanzlerin Angela Merkel und die Staats- und Regierungschefs von 26 Mitgliedsstaaten zum ersten Mal ausführlicher über den nächsten siebenjährigen Haushaltsrahmen und mögliche Schwerpunkte diskutiert. Dabei wurde deutlich, dass die Meinungen, wie man die drohende Lücke im Budget von jährlich rund zehn Milliarden Euro stopfen könnte, gehörig auseinandergehen. Während kleinere Länder, wie Österreich, die Niederlande oder Dänemark für kluges Kürzen oder Umschichten plädierten, zeigten sich die großen Nettozahler Deutschland und Frankreich durchaus für moderate Mehrausgaben offen. Bedingung sei, so die Kanzlerin, dass es ein "politischer Haushalt" werden müsse, mit Investitionen zur Lösung der drängendsten Probleme. Schutz der Außengrenzen Als Beispiel nannte Merkel die Themen Bildung und Forschung, Digitalisierung und Außenpolitik. So habe es ein "großes Maß an Übereinstimmung" gegeben, den Schutz der Außengrenzen zu verstärken. Als mögliches Feld für Einsparungen verwies die Kanzlerin auf die milliardenschweren Agrarbeihilfen, deren Verteilung viel zu bürokratisch sei. "Politisches Manöver" Auf wenig positives Echo stieß Merkels Vorschlag, Auszahlungen aus den Strukturfonds für wirtschaftlich schwächere EU-Länder mit der Flüchtlingsfrage oder dem Respekt vor gemeinsamen Grundwerten zu verknüpfen. Der polnische Europaminister sprach von einem "politischen Manöver", das er für einen Fehler halte. Auch für andere osteuropäische Regierungen ist eine solche Kursänderung ein rotes Tuch. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zeigte sich dagegen entschlossen, aus unsolidarischem Verhalten künftig finanzielle Konsequenzen zu ziehen. Konzept soll im Mai vorgelegt werden Anfang Mai will EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sein vollständiges Konzept für die mittelfristige Finanzplanung vorlegen, das die Regierungschefs, nach Merkels Worten, zügig prüfen wollen. Ob eine Einigung schon vor den nächsten Europa-Wahlen im Frühjahr 2019 möglich ist, ließ die Kanzlerin offen. Der gute Wille sei jedenfalls vorhanden. Einig waren sich die 27 in ihrer Ablehnung des sogenannten Spitzenkandidaten-Modells. Anders als es das EU-Parlament 2014 im Fall Jean-Claude Juncker durchgesetzt hatte, wollen die Mitgliedsstaaten bei der Nominierung des nächsten Kommissionspräsidenten 2019 wieder das letzte Wort haben. Beobachter zweifeln jedoch, dass sich das Rad in dieser wichtigen Machtfrage zwischen den Brüsseler Institutionen zurückdrehen lässt. | /ausland/sondergipfel-111.html |
2018-02-01 | Mindestlohn - noch Luft nach oben? | Deutschland im EU-Vergleich | Deutschland hat einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. Gemessen am mittleren Einkommen fällt der deutsche Mindestlohn jedoch eher niedrig aus. Im Januar 2019 steht eine Erhöhung an. Von David Zajonz. | Deutschland hat einen der höchsten Mindestlöhne in der EU. Gemessen am mittleren Einkommen fällt der deutsche Mindestlohn jedoch eher niedrig aus. Im Januar 2019 steht eine Erhöhung an. Von David Zajonz, WDR Der Mindestlohn teilt die EU in mehrere Gruppen: Die westlichen Mitgliedsstaaten haben relativ hohe Mindestlöhne, die südeuropäischen Staaten liegen in der Mitte und in Osteuropa ist das Niveau am niedrigsten. In sechs EU-Ländern gibt es überhaupt keinen allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn. Der neue Mindestlohnbericht des gewerkschaftsnahen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) zeigt: Deutschland gehört zur Top-Gruppe. Im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern fällt der deutsche Mindestlohn aber eher niedrig aus. Spitzenreiter Luxemburg Den EU-weit höchsten Mindestlohn bekommen Arbeitnehmer in Luxemburg: 11,55 Euro pro Stunde. Deutsche Arbeitnehmer müssen sich hingegen mit 8,84 Euro begnügen, was immer noch deutlich mehr ist als in den meisten EU-Ländern. Setzt man den Mindestlohn ins Verhältnis zum mittleren Einkommen im jeweiligen Land, zeigt sich ein anderes Bild. Hier liegt Deutschland eher im unteren Bereich. Ein Arbeitnehmer bekommt knapp 47 Prozent des Medianlohnes, also des Lohnes, der genau in der Mitte der Lohnverteilung liegt. Zum Vergleich: Bei Spitzenreiter Frankreich beträgt der Mindestlohn mehr als 60 Prozent des mittleren Einkommens. Osteuropa holt auf Insgesamt steigen die Mindestlöhne in der EU wieder stärker an, die langjährige Wirtschaftskrise scheint überwunden. Besonders deutlich ist der Anstieg in Osteuropa: In Rumänien liegt der Mindestlohn mehr als 50 Prozent höher als im Vorjahr - allerdings nur auf einem vergleichsweise niedrigen Niveau von 2,50 Euro pro Stunde. Auch in den südeuropäischen Ländern steigen die Mindestlöhne wieder, anders als während der Euro-Krise. In Deutschland erst 2015 eingeführt Spielräume für eine deutliche Erhöhung sehen die Autoren des WSI-Mindestlohnberichts auch hierzulande. Der flächendeckende Mindestlohn ist in Deutschland noch recht neu, er wurde erst 2015 eingeführt. Dies sei auch der Grund dafür, dass der deutsche Mindestlohn relativ niedrig angesetzt wurde, erklärt WSI-Forscher Malte Lübker: "Im Vorfeld der Einführung gab es große Bedenken, dass der Mindestlohn der Beschäftigung stark schaden würde. Deswegen war der Ansatz in Deutschland sehr vorsichtig - vielleicht ein bisschen übervorsichtig." Wesentliche negative Beschäftigungseffekte, also höhere Arbeitslosigkeit, seien ausgeblieben. Mindestlohn hat Arbeitsmarkt nicht geschadet Mit Blick auf die bisherigen Arbeitsmarkt-Effekte stimmt Hagen Lesch vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW) zu. Das IW ist arbeitgebernah und steht dem Mindestlohn eher kritisch gegenüber. Trotzdem gesteht Lesch ein, dass der Mindestlohn dem deutschen Arbeitsmarkt nicht offensichtlich geschadet hat. Allerdings sei die wirtschaftliche Lage in den Jahren seit der Einführung des Mindestlohns bislang günstig gewesen. Deshalb warnt Tarifexperte Lesch vor einer zu starken Erhöhung: "Ich würde jetzt nicht unbedingt die Grenzen so testen wollen, dass wir irgendwann das Problem haben, dass der Mindestlohn dann doch Arbeitsplätze kostet." Dieses Jahr keine Erhöhung in Deutschland In fast allen EU-Ländern ist der Mindestlohn in den vergangenen zwölf Monaten erhöht worden - in Deutschland nicht. Aufgrund der Preissteigerungen im gleichen Zeitraum bedeutet das für Mindestlohnbezieher einen Reallohnverlust. Der deutsche Mindestlohn wird nur alle zwei Jahre angepasst, die nächste Runde steht Anfang des kommenden Jahres an. Zuständig dafür ist die von der Bundesregierung eingesetzte Mindestlohnkommission, in der Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern sitzen. Die Kommission orientiert sich an der Entwicklung der Tariflöhne, hat aber auch einigen Spielraum für stärkere Erhöhungen. Für den Fall, dass die Mindestlohnkommission ihren Spielraum dieses Mal nicht nutzt und der Tarifentwicklung folgt, hat das Statistische Bundesamt schon die mögliche Erhöhung berechnet: Der Mindestlohn würde dann ab Januar nächsten Jahres auf 9,19 Euro ansteigen. | /wirtschaft/mindestlohn-eu-101.html |
2018-02-01 | Was bedeutet das Diesel-Urteil? | Fahrverbote möglich | Fahrverbote für eine bessere Luft sind nach dem Leipziger Urteil künftig erlaubt - wenn auch mit Einschränkungen. Was dahinter steckt und was das für Diesel-Fahrer bedeutet, analysiert Frank Bräutigam.
mehr | Fahrverbote für eine bessere Luft sind nach dem Leipziger Urteil künftig erlaubt - wenn auch mit Einschränkungen. Was steckt dahinter und was bedeutet das für Diesel-Fahrer? Kurz vor zwölf Uhr im Leipziger Gerichtssaal im Gewusel der Kameras und Fotografen: Ein Schokoriegel liegt mitten auf dem Tisch der Vertreter der Bundesländer, die Fahrverbote rechtlich verhindern wollten. Um kurz nach zwölf ist klar: Nervennahrung werden sie nun gut gebrauchen können. Denn der Siebte Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat geurteilt: Ja, Fahrverbote sind rechtlich zulässig, wenn sie das einzige effektive Mittel sind. Die Frage der rechtlichen Grundlage war vorher sehr umstritten. Die strengen Vorgaben des EU-Rechts in Sachen reiner Luft führten dazu, dass die aktuelle Rechtslage Fahrverbote möglich mache, so das Gericht. Aber: Es müsse Einschränkungen geben, damit es für Diesel-Fahrer nicht zu hart wird, also die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Es ist ein "Ja, aber-Urteil". Das grundsätzliche "Ja" zu Fahrverboten gibt dabei die Richtung vor. Wer setzt die Fahrverbote um? Wichtig für Autofahrer: Das Bundesverwaltungsgericht ordnet heute nicht selbst Fahrverbote an. In einem zweiten Schritt werden die Behörden vor Ort in Stuttgart und Düsseldorf nun das Urteil umsetzen, indem sie den sogenannten Luftreinhalteplan ergänzen, und dabei die Vorgaben des Gerichts berücksichtigen. Das wird nicht von heute auf morgen passieren. Es könnte durchaus ein halbes Jahr vergehen. Denn so ein Plan muss nicht nur geschrieben, sondern auch öffentlich ausgelegt und diskutiert werden. Gibt es Ausnahmen? Die zentrale Frage in der kommenden Zeit lautet also: Welche Ausnahmen werden die Behörden von möglichen Fahrverboten machen? Hier macht das Bundesverwaltungsgericht konkrete Vorgaben, um mögliche Fahrverbote abzufedern. Fahrverbote für Autos mit der Euro-Norm 5 darf es frühestens ab September 2019 geben. Also einen zeitliche Staffelung nach Prinzip: Begonnen wird mit den ältesten Autos (Euro-Norm 3 und 4). Das Gericht fordert auch weitere "hinreichende Ausnahmen", etwa für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen. Da wird es spannend, welche Ausnahmen genau geregelt werden. Beim Stichwort "Ausnahmen" dürfte auch das Thema Nachrüstung der Diesel-Autos weiter auf der Tagesordnung bleiben. Denn die Behörden könnten durchaus anordnen: Wer sein Auto effektiv nachrüstet und damit sauberer macht, wird vom Fahrverbot ausgenommen. Dann stiege auch der Druck auf Politik und Autoindustrie, den Kunden geeignete Lösungen anzubieten. Was wird es außer Fahrverboten geben? Fahrverbote müssen nicht zwingend auf alle Ewigkeit das einzige geeignete Mittel sein, um die strengen Grenzwerte für saubere Luft einzuhalten. Entscheidend ist, dass eine Maßnahme schnellstmöglich und effektiv dazu führt, die Grenzwerte einzuhalten. Was die Behörden bislang an Alternativen vorgetragen haben, hat den Gerichten nicht gereicht. Und sie werden mögliche Alternativen auch in den nächsten Jahren streng überprüfen. Gibt es Entschädigungen? Das Gericht hat keine Hoffnung gemacht, dass betroffene Diesel-Fahrer Anspruch auf finanzielle Entschädigung gegen den Staat nach einem möglichen Fahrverbot haben. Zeitlich gestaffelte Fahrverbote würden nicht zum Zusammenbruch des Gebrauchtwagenmarktes führen, so die Richter. Gewisse Wertverluste seien hinzunehmen. Kommt trotzdem die "Blaue Plakette"? Und was ist mit dem aktuellen Vorschlag aus Berlin vom Wochenende, eine Rechtsgrundlage für Fahrverbote zu schaffen? Es scheint darum zu gehen, den Ländern per Gesetz Fahrverbote in Eigenregie zu ermöglichen. Dieser Vorschlag bleibt trotz des Urteils zumindest relevant. Denn das Bundesverwaltungsgericht sagt zum Thema Rechtsgrundlage für Fahrverbote ja: Nur weil der Druck des EU-Rechts so groß ist, sind Fahrverbote nach den aktueller Rechtslage möglich. Da bleibt Raum für Klarstellungen im Gesetz. Um einen Flickenteppich unterschiedlicher Regelungen zu vermeiden, könnten sich die Bundesländer ja untereinander abstimmen, merkte der Vorsitzende Richter an. Unabhängig davon dürfte aber auch die Diskussion um die "Blaue Plakette" weitergehen, eine bundeseinheitliche Regelung für Diesel-Fahrverbote, die die Regeln der Umweltzonen mit "Grüner Plakette" quasi für Diesel fortentwickeln würde. Sowohl die Kläger als auch die Länder Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg hätten nichts dagegen, weil das eine bundeseinheitliche Lösung wäre. Bislang fehlt es aber am politischen Willen in Berlin. Eines ist klar: Bei der Umsetzung möglicher Fahrverbote werden noch so manche Köpfe in den Amtszimmern rauchen. Nervennahrung könnte da dringend nötig sein. | /inland/analyse-fahrverbote-101.html |
2018-02-01 | Deutsche Stahlkonzerne könnten vor EuGH scheitern | Ökostrom-Umlage | Mehrere deutsche Stahlunternehmen müssen sich wohl auf Nachzahlungen bei der Ökostrom-Umlage einstellen. Der zuständige Generalanwalt des EuGH hält ihre Klage gegen die Nachforderungen für unzulässig.
mehr | Mehrere deutsche Stahlunternehmen müssen sich wohl auf Nachzahlungen bei der Ökostrom-Umlage einstellen. Der zuständige Generalanwalt des EuGH hält ihre Klage gegen die Nachforderungen für unzulässig - wegen eines Rechtswegefehlers. Die Klagen von vier deutschen Stahlunternehmen gegen Nachzahlungen der Ökostrom-Umlage bleiben vermutlich ohne Erfolg. In seinen Schlussanträgen verwies der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) darauf, dass die vier Unternehmen der Georgsmarienhütte-Gruppe den umstrittenen Beschluss der EU-Kommission zur EEG-Umlage direkt vor dem Gericht der Europäischen Union und nicht vor einem deutschen Verwaltungsgericht hätten angreifen müssen. Bundesregierung hatte Ermäßigungen gewährt Es geht um Milliardenkosten für die Förderung erneuerbarer Energien, die auf alle Stromkunden umgelegt werden. Die Bundesregierung hatte 2012 Ausnahmen für Betriebe mit besonders hohem Stromverbrauch gewährt. Die EU-Kommission wertete einen Teil dieser Ermäßigungen 2014 jedoch als unzulässige Beihilfe für die Unternehmen. Die Bundesregierung musste deshalb Geld zurückfordern, unter anderem von vier Stahlwerken der Georgsmarienhütte-Gruppe. Diese hatten gegen die Rückzahlungsforderungen vor dem vor dem Verwaltungsgericht Frankfurt am Main geklagt. EU-Kommission hielt Beihilfen für unzulässig Sie hätten aber, so Generalanwalt Manuel Campos Sanchez-Bordona, aus seiner Sicht das EU-Gericht anrufen müssen. Zum anderen hält der Gutachter die Entscheidung der Kommission für rechtens: Die Voraussetzungen, damit eine Beihilfe als unvereinbar mit EU-Recht eingestuft werden könne, seien erfüllt. Ein Urteill dürfte in einigen Wochen fallen. Die Richter müssen dem Gutachten nicht folgen, tun dies aber oft. | /wirtschaft/eugh-eeg-umlage-101.html |
2018-02-01 | Wie Airbnb - nur für Autos | Privates Carsharing | Private Carsharing-Portale bieten die Möglichkeit, Autos "von privat an privat" zu mieten. Wie gut das funktioniert, untersucht derzeit die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Von Ingrid Bertram. | Private Carsharing-Portale bieten die Möglichkeit, private Autos zu mieten. Wie gut das funktioniert, untersucht derzeit die Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Über das Wochenende mal eben raus aus der Stadt - mit dem eigenen Auto kein Problem. Aber extra ein Auto dafür mieten? Private Carsharing-Portale wie Drivy, SnappCar oder Getaway versuchen genau diese Frage möglichst nutzerfreundlich zu lösen: Ähnlich wie es Airbnb mit privaten Wohnungen und Häuser macht, werden auf den jeweiligen Plattformen private Pkw zur Vermietung angeboten. Ein Beispiel: Wer heute am Kölner Hauptbahnhof ein Auto für einen Tag sucht, der kann von Amin O. für 35 Euro dessen Renault Mégane inklusive 100 km bei Drivy bekommen. Oder wer es etwas luxuriöser will, kann zum Beispiel in Krefeld auf dem Portal SnappCar einen Porsche Panamera für einen Tag ab 300€ inklusive 200 Freikilometer mieten. Hürden bei der Vermietung Der größte Anbieter SnappCar bietet laut eigenen Angaben bundesweit 15.000 Fahrzeuge, der zweitgrößte Anbieter Drivy immerhin 6000 Pkw. Das Prozedere ist einfach - die Miete schließt nicht nur die Provision an das Portal sondern auch eine eigene Vollkaskoversicherung für den Mieter ein. Im Fall eines Unfalls wäre nicht die Versicherung des eigentlichen Besitzers betroffen, sondern nur die des vorübergehenden Nutzers. So weit, so gut. Aber haben diese Portale tatsächlich ein Potenzial wie Airbnb, der große Bruder aus dem Wohnungsmarkt? "Es gibt noch einige Hürden", sagt Professor Gunnar Stevens von der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg. Seit Dezember nehmen die Wissenschaftler die Portale und deren Nutzer und Vermieter genauer unter die Lupe. Zum einen ist die Logistik nicht immer so einfach wie beim Carsharing mit Neuwagen. Denn beim privaten Carsharing gehört am Anfang und am Ende eine Schlüsselübergabe dazu. Das Auto muss immer am ursprünglichen Standort abgeliefert werden. Dafür kann man aber womöglich einige Euro sparen. Tatsächlich wäre es technisch machbar, so der Wissenschaftler, eine App wie bei Car2go, Flinkster oder DriveNow auch bei Privat-Pkw zu nutzen. Mit der könnte man geeignete Autos mit dem Handy in der Nähe finden, mieten und sogar öffnen. Auch der Abstellort müsste nicht dem Startpunkt entsprechen. Doch dazu müssten die Autoinhaber bereit sein, einen kleinen Bordcomputer einzubauen. Beim Berliner Startup Getaway ist das bei der Vermietung bereits möglich. Auf dem Land noch ausbaufähig Beim eigenen Auto schwingen immer Emotionen mit, so Stevens: Wer fährt das eigene Auto, kommt da auch kein Kratzer rein? Noch gibt es viele Vorbehalte bei Autoeigentümern, vor allem, wenn man selbst noch nie ein Auto vermietet hat. Die Vermieter könnten aber auf der anderen Seite die Unterhaltskosten für das eigene Auto mindern und nebenbei das Umweltbewusstsein beruhigen, da das eigene Auto besser ausgelastet wird. Genau damit werben auch die Anbieter der Vermietungsplattformen: weniger Neuwagen und dafür mehr Mobilität. Das gilt allerdings wie bei anderen Carsharing-Angeboten oft nur für die Hotspots in den großen Ballungsräumen. Die Plattform Getaway versucht derzeit in der Region Fürth ein privates Carsharing-Angebot aufzubauen. In den ländlichen Regionen gibt es noch Ausbaupotenzial, bestätigt auch Mats Joosten von Drivy. Das Problem sei allerdings, dass fast jeder, der dort ein Auto braucht, auch eines besitze. Daher könnte das private Carsharing künftig auch ein Modell für die Städte bleiben. Das Carsharing kann künftig eine Ergänzung im Mietwagenmarkt sein, glaubt auch Wissenschaftler Stevens. | /wirtschaft/carsharing-115.html |
2018-02-01 | Putin ordnet "tägliche Feuerpausen" an | Ost-Ghouta in Syrien | Fünf Stunden pro Tag soll im syrischen Ost-Ghouta ab Dienstag eine Feuerpause gelten. Das habe Russlands Präsident Putin angeordnet, heißt es aus dem Kreml. Die UN hatten mehr vorgesehen als eine Waffenruhe auf Stundenbasis.
mehr | Fünf Stunden pro Tag soll im syrischen Ost-Ghouta ab Dienstag eine Feuerpause gelten. Das habe Russlands Präsident Putin angeordnet, heißt es aus dem Kreml. Die UN hatten mehr vorgesehen als eine Waffenruhe auf Stundenbasis. Im Streit um die umkämpfte syrische Rebellenhochburg Ost-Ghouta hat Russland angekündigt, dass ab Dienstag für ein paar Stunden pro Tag eine Feuerpause eingehalten werden soll. Zwischen 9 und 14 Uhr sollen die Gefechte ausgesetzt werden, kündigte der russische Verteidigungsminister Sergej Schoigu gegenüber der Nachrichtenagentur RIA an. Präsident Wladimir Putin habe den "täglichen humanitären Waffenstillstand" angeordnet, um "Verluste unter den Zivilisten" zu vermeiden. Jeden Tag ein paar Stunden, statt 30 Tage In den Stunden der Waffenruhe solle ein Korridor eingerichtet werden, um die noch immer in Ost-Ghouta eingeschlossenen Bewohner in Sicherheit zu bringen, sagte Schoigu weiter. Hilfsorganisationen gehen davon aus, dass nach wie vor Hunderttausende Zivilisten in der umkämpften Region von humanitärer Hilfe abgeschnitten sind. Laut der Nachrichtenagentur Reuters schloss Russlands Außenminister Sergej Lawrow Mitglieder von radikalen Islamistengruppen jedoch von den Feuerpausen aus. Russland unterstützt im Konflikt in Syrien die Regierungstruppen unter Machthaber Bashar al-Assad. Die Ankündigung aus Moskau erfüllt aber nicht die Forderungen der Vereinten Nationen. Am Samstag hatte der Sicherheitsrat der UN nach zähem Ringen eine Resolution verabschiedet, die eine Waffenruhe über 30 Tage vorsieht. Das Gremium hatte wiederholt über die Resolution abstimmen müssen, da Russland den ursprünglichen Entwurf durch sein Veto blockiert und Änderungen eingefordert hatte. Berichte über Giftgasangriff In den vergangenen Tagen gab es immer wieder Angriffe und Bombardements auf die Region Ost-Ghouta. Am Montag wurden nach Angaben der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die ihren Sitz in Großbritannien hat, erneut mindestens 17 Zivilisten getötet. Am Wochenende sei bei einem Angriff Chlorgas freigesetzt worden: Dabei soll ein Kind getötet worden sein, 13 weitere Menschen hätten über Atemprobleme geklagt. EU-Rat verhängt weitere Sanktionen Auch aus Brüssel kamen mahnende und dringliche Worte, der Konflikt in Syrien und vor allem die Situation in Ost-Ghouta müsse endlich enden. "Es ist eine Schande, wie mit den Menschen in Ost-Ghouta umgegangen wird, auch in Idlib. Wir sind wieder im Mittelalter, im tiefen Mittelalter", hieß es etwa von Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn. Und er warnte, die EU habe kaum die Macht, mit Sanktionen etwas auszurichten - die Macht, etwas in dem Krieg auszurichten, liege bei Russland, den USA, beim Iran und der Türkei. Trotzdem wurden vom EU-Rat neue Strafmaßnahmen verhängt. Diese treffen die seit Januar amtierenden syrischen Minister für Industrie und Information. Ihnen wurden die Einreise in die EU untersagt, zudem wurden ihre Vermögen gesperrt. Damit wurden seit Kriegsbeginn in Syrien mehr als 250 Vertreter der Regierung unter Assad und deren Unterstützer mit Sanktionen belegt, ebenso gelten für 67 Organisationen und Unternehmen des Landes Strafmaßnahmen. | /ausland/syrien-krieg-waffenruhe-101.html |
2018-02-01 | Klares Nein zu sechs Prozent mehr Lohn | Öffentlicher Dienst | Für die 2,3 Millionen Angestellten der Kommunen und des Bundes haben die Tarifverhandlungen begonnen. Hohe Forderungen der Gewerkschaften und ein hartes Nein der Arbeitgeber lassen auf ein zähes Ringen schließen.
mehr | Für die 2,3 Millionen Angestellten der Kommunen und des Bundes haben die Tarifverhandlungen begonnen. Hohe Forderungen der Gewerkschaften und ein hartes Nein der Arbeitgeber lassen auf ein zähes Ringen schließen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière und der kommunale Arbeitgeberpräsident Thomas Böhle sind in Potsdam mit den Verhandlungsführern der Gewerkschaften des öffentlichen Diensts zusammengekommen. Zu Beginn der Tarifverhandlungen für die Angestellten von Bund und Kommunen zeigten sich beide Seiten unnachgiebig. Bsirske: "Wann, wenn nicht jetzt?" Die Gewerkschaften demonstrierten am Verhandlungsort mit Tröten und Plakaten. Sie verteidigten ihre Forderung von sechs Prozent mehr Lohn. "Wann, wenn nicht jetzt kann etwas getan werden, um für die Attraktivität des öffentlichen Dienstes bei Erzieherinnen, Krankenschwestern und bei den Beschäftigten zu sorgen" sagte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Bsirkse, im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF. Boomende Wirtschaft In der deutschen Wirtschaft herrsche Festtagsstimmung. Der Boom werde auch die nächsten Jahre andauern und sich in sprudelnden Steuereinnahmen und staatlichen Überschüssen niederschlagen, meinte Bsirske. Der öffentliche Dienst liege aber bei der Tariflohnentwicklung in der Gesamtwirtschaft zurück. "Wir müssen also etwas tun, um attraktiv zu sein und zu bleiben." Der Vorsitzende des Deutschen Beamtenbunds, Ulrich Silberbach, nannte die Gewerkschaftsforderungen "angemessen und maßvoll". Allein die Kommunen hätten im vergangenen Jahr bei den Steuereinnahmen einen Überschuss von 9,8 Milliarden Euro erwirtschaftet. "Das Geld ist also da", zeigte sich Silberbach überzeugt. Er betonte, sollten Bund und Kommunen kein Angebot vorlegen, werde der Druck durch Arbeitskampfmaßnahmen steigen. Arbeitgeber warnen vor Jobverlusten Bund und Kommunen weisen die Forderung ungeachtet sprudelnder Steuereinnahmen als überzogen zurück. Die kommunalen Arbeitgeber warnten sogar vor Jobverlusten im öffentlichen Dienst. "Ein Beschäftigter, dessen Tätigkeit ausgegliedert oder privatisiert wird, hat nichts von einem Elf-Prozent-Lohnplus", sagte der Präsident der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände, Thomas Böhle, der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Er wolle aber "alle Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst halten". Das von den Gewerkschaften verlangte Plus von mindestens 200 Euro im Monat bedeute in einer niedrigen Entgeltgruppe ein wesentlich höheres Plus als die ansonsten geforderten sechs Prozent, erklärte Böhle. "In der Spitze läge das Lohnplus bei über elf Prozent." Erste Verhandlungsrunde in Potsdam De Maizière nannte die Forderungen "viel zu hoch und nicht umsetzbar". Er hoffe, "dass die Gewerkschaften auf Warnstreiks verzichten und mit uns am Verhandlungstisch zügig an einer Einigung arbeiten". Die Verhandlungen führt für das Innenministerium Staatssekretär Hans-Georg Engelke. De Maizière wird bei einer Neuauflage der Großen Koalition nicht mehr dem Kabinett angehören. Verdi und ihre Partnergewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Lohn, mindestens aber 200 Euro im Monat für die über 2,3 Millionen Beschäftigten. Dabei wollen sie eine Tarifvertragslaufzeit von lediglich zwölf Monaten aushandeln. Die Gesamtforderung summiert sich nach Verdi-Angaben auf sechs Milliarden Euro. Die zweite Tarifrunde findet Mitte März, die dritte Runde Mitte April statt. | /wirtschaft/tarifverhandlungen-109.html |
2018-02-01 | "Wir sind wieder im Mittelalter" | EU berät über Syrien | Trotz der UN-Forderung nach einer Waffenruhe wird in Syrien weiter gekämpft. Die EU-Außenminister zeigen sich fassungslos - es ist von "Schande" und "Barbarei" die Rede. Von Kai Küstner. | Trotz der UN-Forderung nach einer Waffenruhe wird in Syrien weiter gekämpft. Die EU-Außenminister zeigen sich fassungslos - es ist von "Schande" und "Barbarei" die Rede. Das Wort, das wohl am zutreffendsten die Gefühlslage der EU-Außenminister angesichts der dramatischen Ereignisse in Syrien beschreibt, lautet: Fassungslosigkeit. Trotz der Forderung des UN-Sicherheitsrats nach einer sofortigen Waffenruhe gehen die Kämpfe in Ost-Ghouta weiter. Oppositionelle behaupten sogar, die Regierungstruppen hätten Giftgas eingesetzt. Die deutlichsten Sätze angesichts der erbarmungswürdigen Lage spricht Luxemburgs Chefdiplomat Jean Asselborn: "Es ist eine Schande, wie mit den Menschen in Ost-Ghouta umgegangen wird, auch in Idlib. Wir sind wieder im Mittelalter, im tiefen Mittelalter." "Schlimmste Zeit seit Kriegsbeginn" Noch im Herbst vergangenen Jahres sah es so aus, als sei nicht nur der sogenannte "Islamische Staat" so gut wie besiegt. Auch schienen die Kampfhandlungen zwischen Assads Regierungstruppen und Rebellen abzuebben. Doch nun erlebe die Zivilbevölkerung gerade die "schlimmste Zeit seit Kriegsbeginn", meint die neue österreichische Außenministerin Karin Kneissl. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sieht in der Resolution der Vereinten Nationen, die auf Druck auch der Europäer im Sicherheitsrat zustande gekommen sei, einen ermutigenden, aber eben auch nur einen ersten Schritt: "Diese Resolution muss jetzt sofort umgesetzt werden. Wir brauchen Überwachungsmechanismen." Man werde weiter mit den Vereinten Nationen und all den internationalen und regionalen Partnern daran arbeiten, dass sich die Situation vor Ort sofort verbessert. Doch wenig kann darüber hinwegtäuschen, dass die EU in diesem komplizierten Konflikt einmal mehr weitgehend zum Zuschauen verdammt ist. Luxemburgs Außenminister Asselborn gibt zu Bedenken, dass kaum die Möglichkeit bestünde, Sanktionen zu verhängen, wenn der UN-Beschluss nicht eingehalten werde. Er sieht jetzt die mächtigen Akteure dieses Konflikts in der Pflicht: "Es ist de facto so, dass einerseits Russland und Iran, andererseits die USA und die Türkei einwirken können, damit diese Barbarei aufhört." Lage bleibt verworren Die Türkei hatte im vergangenen Jahr - einigermaßen erfolglos - versucht, in einer Art Zweckallianz mit Russland und dem Iran Friedensgespräche für Syrien auf den Weg zu bringen. Sie hatte allerdings ihrerseits am 20. Januar eine Offensive gegen kurdische Kämpfer in Nordsyrien gestartet und dadurch einen Konflikt mit dem NATO-Partner USA heraufbeschworen. Der EU bleiben angesichts der verworrenen Lage in dem Bürgerkriegsland letztlich nur zwei Möglichkeiten: politisch Druck zu machen und sich für die Zivilbevölkerung einzusetzen. "Das Wesentliche ist, eine 30-tägige Waffenruhe zu erhalten. Um eben Zugang zu den etwa 5,6 Millionen Menschen in fast 1500 Dörfern zu bekommen, die auf dringendste Hilfe warten", fordert Österreichs Außenministerin Kneissl. In einem Telefonat mit Russlands Präsident Wladimir Putin hatten Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron darauf gedrungen, dass die Waffenruhe eingehalten werde. Die Hoffnung dahinter: dass die Schutzmacht Russland genug Druck auf das Regime von Präsident Assad ausübt, um diesen zum Einlenken zu bewegen. Das Problem: Assad fühlt sich seit geraumer Zeit auf der Siegerstraße und scheint diesen Konflikt auf dem Schlachtfeld, nicht am Verhandlungstisch entscheiden zu wollen. | /ausland/eu-syrien-103.html |
2018-02-01 | Schippen und Streuen ist Pflicht | Schnee vor der Haustür | Glatte Straßen und vollgeschneite Wege bestimmen das Bild in weiten Teilen Deutschlands. Welche Pflichten haben Hauseigentümer und Mieter? Wer muss Schnee schippen und wer kommt für Schäden auf? Ein Überblick.
mehr | Glatte Straßen und vollgeschneite Wege bestimmen das Bild in weiten Teilen Deutschlands. Welche Pflichten haben Hauseigentümer und Mieter? Wer muss Schnee schippen und wer kommt für Schäden auf? Ein Überblick. Wer ist für die Beseitigung von Schnee und Eis verantwortlich? In der Regel sind die Eigentümer oder Vermieter für den Winterdienst verantwortlich. Die Aufgabe kann auch auf den Mieter übertragen werden - aber nur, wenn dies im Mietvertrag ausdrücklich vereinbart ist. Eine Regelung in der Hausordnung reicht nach Angaben des Deutschen Mieterbunds nicht aus. Demnach gibt es auch kein Gewohnheitsrecht, wonach Bewohner im Erdgeschoss zur Schneebeseitigung verpflichtet sind. Wann muss geräumt und gestreut werden? In den Satzungen der Kommunen ist meist eine Räum- und Streupflicht vom frühen Morgen bis zum späten Abend vorgesehen. Geräumt werden muss laut Mieterbund in der Regel von 07.00 bis 20.00 Uhr, an Sonn- und Feiertagen ab 08.00 Uhr oder 09.00 Uhr. In Ausnahmefällen kann aber auch eine Räumung außerhalb dieser Zeiten notwendig sein. In welchem Umfang müssen Wege und Straßen geräumt werden? Die Gehwege vor dem Haus müssen mit einer Mindestbreite von einem Meter vom Schnee befreit sein, auf Hauptverkehrs- und Geschäftsstraßen sind es mindestens anderthalb Meter. Zum Streuen sollte etwa Sand benutzt werden, um die Flächen abzustumpfen. Streusalz ist in vielen Orten verboten oder nur bei extremer Glätte erlaubt. Wie oft muss geräumt oder gestreut werden? Das ist rechtlich umstritten. Bei Dauerschneefall zum Beispiel muss nicht fortlaufend gefegt werden, wenn dies völlig nutzlos wäre. Sobald es aber nur noch wenig oder gar nicht mehr schneit, muss zum Besen gegriffen werden. Grundsätzlich gilt: Im Zweifel lieber einmal zu viel als zu wenig räumen. Bei Glatteisbildung besteht sofortige Streupflicht. Zudem müssen Eigentümer oder verantwortliche Mieter andere - etwa Nachbarn - um Hilfe bitten, wenn sie selbst verhindert sind. Wer kommt für Schäden auf? Stürzt ein Fußgänger und verletzt sich, drohen hohe Ansprüche des Betroffenen. Für Mieter oder Bewohner eines Einfamilienhauses besteht dann laut Gesamtverband der deutschen Versicherungswirtschaft Schutz durch die private Haftpflichtversicherung. Vermieter, Besitzer eines Mehrfamilienhauses oder Eigentümergemeinschaften brauchen demnach eine Haus- und Grundbesitzerhaftpflichtversicherung. Diese Versicherungen können laut Verbraucherschützern auch einspringen, wenn ein Passant durch herabrutschenden Schnee vom Dach oder Eiszapfen verletzt wird - und zwar wenn Mieter oder Eigentümer eine Schuld trifft. Quelle: AFP | /inland/winter-service-101.html |
2018-02-01 | Kein Ende des Leidens in Syrien | EU-Außenminister beraten | Trotz der UN-Forderung nach einer Waffenruhe ist ein Ende der Kämpfe in Syrien nicht in Sicht. In Brüssel tagen die EU-Außenminister zur Lage im Land. Unterdessen gibt es Berichte über einen erneuten Giftgasangriff.
mehr | Trotz der UN-Forderung nach einer Waffenruhe ist ein Ende der Kämpfe in Syrien nicht in Sicht. In Brüssel tagen die EU-Außenminister zur Lage im Land. Unterdessen gibt es Berichte über einen erneuten Giftgasangriff. Im Schatten der anhaltenden Syrienkrise kommen in Brüssel die EU-Außenminister zusammen, um über die Lage im Land zu beraten. Für die Europäische Union geht es vor allem darum, zu prüfen, wie der leidenden Bevölkerung geholfen werden kann. Dabei sieht der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im EU-Parlament, Manfred Weber, durchaus Einflussmöglichkeiten der Europäer in Syrien. "Das Land ist kriegsmüde und braucht dringenden einen Wiederaufbau. Das könnte der Hebel sein", sagte der CSU-Politiker der "Rheinischen Post". Das Geld für den Wiederaufbau werde zum Teil auch aus Europa kommen. Weber sagte weiter: "Wir werden helfen, aber wir können auch Bedingungen stellen." Die UN-Resolution vom Wochenende sei "ein erstes wichtiges Signal". Angriffe gehen weiter Der UN-Sicherheitsrat hatte am Samstag eine Resolution mit der Forderung nach einer 30-tägigen Waffenruhe verabschiedet. Davon ungeachtet gingen die Gefechte im Land nach Berichten von Aktivisten aber weiter. Aus dem umkämpften Gebiet in und um Ost-Ghouta seien Luftangriffe und Artilleriefeuer gemeldet worden, auch Fassbomben seien aus Helikoptern abgeworfen worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in London mit. Ihre Angaben sind allerdings nicht unabhängig nachprüfbar. UN-Generalsekretär Antonio Guterres und der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, riefen die syrische Regierung auf, die Feuerpause umgehend umzusetzen. "Es ist höchste Zeit, die Hölle auf Erden dort zu beenden", sagte Guterres. Konfliktparteien hätten grundsätzlich die Verpflichtung, die Menschenrechte der Zivilbevölkerung zu achten: "Auch der Kampf gegen den Terrorismus macht diese Verpflichtung nicht überflüssig." Berichte über Giftgasangriff Die Beobachtungsstelle berichtete auch über einen schweren Angriff in Ost-Ghouta. Dabei soll ein Kind getötet worden sein, 13 weitere Menschen hätten über Atemprobleme geklagt, eine Frau schwebe in Lebensgefahr. Die Opposition sowie die lokale Gesundheitsbehörde sprachen von einem Chlorgaseinsatz. Die Nachrichtenagentur AFP zitierte einen Arzt, der von Opfern mit verdächtigen Symptomen berichtete. Ein drei Jahre altes Kind sei erstickt. Haut und Kleider der meisten Patienten rochen nach seinen Angaben nach Chlor, die Opfer hätten Atemnot sowie Haut- und Augenreizungen. Russland beschuldigt Oppositionelle Die syrische Regierung hat stets bestritten, Giftgas einzusetzen. Sie hatte im September 2013 unter internationalem Druck jedoch zugesagt, sämtliche Chemiewaffen außer Landes zu bringen und zu vernichten. Doch auch nach der Beseitigung aller bekannten Giftgasvorräte gibt es immer wieder Berichte über den Einsatz von Chemiewaffen. Das russische Verteidigungsministerium beschuldigte zuletzt Oppositionelle in Ost-Ghouta, Chemiewaffen zu produzieren, um die Regierung für deren Einsatz verantwortlich zu machen. Tote in Deir al-Sor Aus der Region um die Stadt Deir al-Sor meldete die Beobachtungsstelle mindestens 25 Tote bei einem Luftangriff der internationalen Anti-IS-Koalition. Unter den Opfern seien sieben Kinder. Flugzeuge des US-geführten Bündnisses hätten östlich der Stadt eines der letzten verbliebenen Gebiete unter Kontrolle der Terrormiliz "Islamischer Staat" angegriffen. Auch türkische Offensive Thema in Brüssel Beim Treffen der EU-Außenminister steht zudem die Frage im Raum, ob die EU stärker auf die Türkei einwirken könnte, um eine Ausweitung des Konflikts in der nordsyrischen Region Afrin zu verhindern. Die Türkei hatte dort am 20. Januar eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG begonnen, die sie als Ableger der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK ansieht. Die Regierung in Ankara begrüßte zwar die UN-Resolution für eine Waffenruhe, betonte aber, dass sie ihre Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG davon ausgenommen sieht. | /ausland/eu-aussenminister-syrien-103.html |
2018-02-01 | Beschaffungsamt - Mangel, Kritik und Sorgen | Probleme bei der Bundeswehr | Der Fachkräftemangel macht sich bei der Bundeswehr auch beim wichtigen Thema Beschaffung bemerkbar: Projekte verzögern sich und werden teurer, weil man externe Kräfte bezahlt. Abhilfe ist vorerst nicht in Sicht.
mehr | Der Fachkräftemangel macht sich bei der Bundeswehr auch beim wichtigen Thema Beschaffung bemerkbar: Projekte verzögern sich und werden teurer, weil man externe Kräfte bezahlt. Abhilfe ist vorerst nicht in Sicht. Es geht um drei Minenjagdboote der Marine. Die Schiffe sollen neue Elektronik erhalten und eine Minenbekämpfungsdrohne vom Typ "Seefuchs". Um die Modernisierung kümmert sich eine Abteilung im Beschaffungsamt der Bundeswehr (BAAINBw) - allerdings nicht alleine: Das Verteidigungsministerium hat den Mitarbeitern des Bundesamtes in Koblenz Berater von Ernst & Young (EY) an die Seite gestellt. Zu den Aufgaben der Berater gehören unter anderem Termin-, Risiko- und Qualitätsmanagement. Das geht aus einer Aufstellung hervor, die dem ARD-Hauptstadtstudio exklusiv vorliegt. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages muss der Verlängerung der Verträge heute zustimmen. In einer Vorlage für die Abgeordneten heißt es, es bestehe dringender Bedarf an Unterstützungsleistungen für das Projektmanagement. Ein Fünftel der Stellen unbesetzt Das Verteidigungsministerium macht in dem Schreiben auch deutlich, warum dieser Bedarf besteht: Von den 11.006 Dienstposten beim Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw) waren Ende 2017 2110 nicht besetzt. Die Beschaffungsbehörde der Bundeswehr hat massive Personalprobleme. Es fehlen Fachleute. Der verteidigungspolitische Sprecher der Grünen, Tobias Lindner, der auch im Haushaltsausschuss sitzt, kritisiert, dass das Ministerium weiterhin private Beratungsfirmen engagieren will: "Statt hoher Beträge für externe Unterstützung auszugeben, muss das Verteidigungsministerium endlich die Gesamtmisere Beschaffungsamt in den Griff bekommen." Beim Bemühen, die Personallage im BAAINBw zu verbessern, regiere vor allem das Prinzip Hoffnung, sagte Lindner. Der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages hat vor einem Jahr einer Rahmenvereinbarung zugestimmt, die die Beteiligung von Unternehmensberatern an Rüstungsprojekten ermöglicht. Allerdings war damals schon festgeschrieben worden, dass das Volumen 40 Millionen Euro nicht überschreiten darf und über den 1. März 2018 hinaus einer erneuten Zustimmung bedarf. Seit Jahren in der Kritik Das Beschaffungsamt der Bundeswehr mit Sitz in Koblenz ist seit Jahren in der Kritik. Ausschreibungen dauerten zu lange, Beschaffungsprozesse seien zu bürokratisch, hieß es immer wieder. Vor dem Hintergrund der mangelhaften Einsatzbereitschaft der Bundeswehr gerät das BAAINBw in die Kritik. Der Verteidigungsausschuss beschäftigt sich heute mit einem entsprechenden Bericht, der die Lage beim Heer, der Luftwaffe, der Marine, der Streitkräftebasis und dem Sanitätsdienst zusammenfasst. Auch in den Koalitionsverhandlungen von Union und SPD spielte das Bundesamt eine Rolle. Im Koalitionsvertrag heißt es, die Regierung werde bis Ende 2019 untersuchen, in welcher Weise die Beschaffungsorganisation der Bundeswehr an ihren Standorten in ihrer Organisationsform angepasst werden sollte. Einem Medienbericht zufolge gab es Pläne, die Rechtsform des Bundesamtes zu ändern. Bei der Belegschaft in Koblenz sorgt das für Unruhe. Bereits während der Gespräche von CDU, CSU und SPD schrieben aufgeregte Personalräte an die Ministerin, die Nachrichten hätten Sorgen und Existenzängste bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ausgelöst. Der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Wolfgang Hellmich (SPD), teilte auf Anfrage mit, Ziel müsse es sein, durch den personellen Aufwuchs das BAAINBw wieder in die Lage zu versetzen, die hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen. Das könnte schwieriger werden: Die Liste mit Einzelaufträgen für insgesamt drei Beratungsunternehmen umfasst 36 Projekte. | /inland/beschaffung-bundeswehr-101.html |
2018-02-01 | "Vollkommener Mangel an Vertrauen" | Ostukraine-Konflikt | Thema auf der Sicherheitskonferenz ist auch der Ostukraine-Konflikt. Brächte eine UN-Mission dauerhaften Frieden? Zentrales Problem bleibt das fehlende Vertrauen zwischen der Ukraine und Russland. Von Silvia Stöber. | Thema auf der Sicherheitskonferenz ist auch der Ostukraine-Konflikt. Brächte eine UN-Mission dauerhaften Frieden? Zentrales Problem bleibt das fehlende Vertrauen zwischen der Ukraine und Russland. Aus fast allen Bundestagsparteien kommt der Ruf, die Sanktionen gegen Russland zumindest schrittweise abzubauen. Auch im Koalitionsvertrag der Großen Koalition steht dieses Ziel - wenn das Minsker Abkommen von 2015 umgesetzt wird, das den Krieg in der Ostukraine beenden soll. Zu Weihnachten hatte es einen Lichtblick gegeben: Mehr als 300 Gefangene wurden zwischen der ukrainischen Seite und den Separatisten ausgetauscht. Aber auch in diesem Jahr war es nötig, vor den Feiertagen einen neuen Waffenstillstand auszuhandeln, um den Menschen im Donbass etwas Ruhe zu gönnen. Doch die Kämpfe flauten nur kurzzeitig ab. Der vereinbarte Abzug schwerer Waffen von der Kontaktlinie erfolgte seit 2015 auf beiden Seiten nur zögerlich oder wurde wieder rückgängig gemacht. Mitte Dezember hatte Russland seine Militärberater aus dem "Gemeinsamen Zentrum für Kontrolle und Koordination" (JCCC) abgezogen. In diesem Gremium hatten russische und ukrainische Militärs gemeinsam die Lage im Konfliktgebiet überwacht und sich ausgetauscht. Die Bundesregierung hatte dies als "völlig falsches Signal" kritisiert. Die russische Seite behauptete, die Ukrainer würden die Arbeit durch Restriktionen erschweren. Verstöße werden nicht geahndet Der Rückzug der russischen Militärs aus dem JCCC erschwert auch die Absprachen mit den Mitarbeitern der OSZE-Beobachtermission. Diese berichten akribisch über Verletzungen der Waffenstillstandsvereinbarungen, die sie auf ihren Patrouillen und durch den Einsatz von Drohnen und Videokameras registrieren. Doch bleibt das Problem, dass diese Waffenstillstandsverletzungen nicht geahndet werden, wie der Vizechef der OSZE-Mission, Alexander Hug, in einem Interview mit tagesschau.de erklärte. Ein vollkommener Mangel an Vertrauen zwischen den Seiten führe dazu, dass sich die Lage immer wieder hochschaukele. Wird es eine UN-Mission geben? Um die Beobachter besser zu schützen und ihnen mehr Durchsetzungskraft zu geben, wurde zunächst eine Bewaffnung ins Spiel gebracht. Dann wurde eine UN-Mission vorgeschlagen, für die sich auch die russische Führung aussprach. Eine solche UN-Friedensmission solle 20.000 Soldaten und 4000 Polizisten umfassen, wird in einem Bericht vorgeschlagen, den Anders Fogh Rasmussen, Ex-NATO-Generalsekretär und derzeitiger Berater des ukrainischen Präsidenten, auf der Sicherheitskonferenz in München vorstellt. Die vorher bereits bekannt gewordenen Zahlen sorgten in Moskau für harsche Kritik. Eine so hohe Zahl sei inakzeptabel, weil dies einer Okkupation der Konfliktgebiete gleichkäme. Dabei ist noch nicht einmal klar, welche Staaten überhaupt bereit wären, Personal zu entsenden. Streitpunkt ist zudem, wo genau die UN-Mitarbeiter eingesetzt werden sollen. Russland will sie an der Konfliktlinie positionieren. Bundesaußenminister Sigmar Gabriel warnte jedoch bei einem Besuch in der Ukraine im Januar davor, dass damit faktisch eine Grenzlinie installiert werde. Die UN-Mission müsse im ganzen Konfliktgebiet präsent sein - und vor allem auch an der eigentlichen Grenze zwischen der Ukraine und Russland, um den Nachschub von Kämpfern und Militärgerät in das Kriegsgebiet hinein unterbinden zu können. Derzeit sind an der 400 Kilometer langen Grenze nur an zwei Grenzposten OSZE-Beobachter postiert, die nur wenig Bewegungsspielraum haben. Gesetz zu den "zeitweise okkupierten Gebieten" Mitte Januar dann beschloss das ukrainische Parlament ein Gesetz, in dem das Konfliktgebiet als vom "Aggressor Russland" "zeitweise okkupiertes Gebiet" bezeichnet wird. Eine Rückeroberung mit militärischer Gewalt wird nicht ausgeschlossen. In Moskau stieß der Wortgebrauch auf Empörung. Kreml-Sprecher Dimitri Peskow behauptete einmal mehr, Russland sei nicht Kriegspartei, sondern nur Vermittler. Durch das Gesetz sei das Minsker Abkommen faktisch beendet. Ebenso löste eine Mitteilung der US-Regierung Kritik in Moskau aus. Ende Dezember teilte das US-Außenministerium mit, dass man der Ukraine "erweiterte Verteidigungskapazitäten" zur Verfügung stellen wolle. In US-Medien hieß es, es gehe um Panzerabwehrraketen vom Typ "Javelin". Die Regierung in Washington beharrt darauf, dass es nur um Verteidigungswaffen gehe, die es der Ukraine erlaubten, ihre Souveränität und territoriale Integrität zu verteidigen. Bislang unterstützt die US-Regierung die Ukraine unter anderem mit Militärberatern. Die Lieferung von Waffen an die Ukraine sorgt jedoch auch in Westeuropa für Bedenken. Letztlich könnte Aufrüstung den Stillstand im Friedensprozess verlängern. | /ausland/ukraine-minsker-abkommen-103.html |
2018-02-01 | "Von Gleichberechtigung weit entfernt" | #MeToo-Debatte auf der Berlinale | Auf der Berlinale wird es auch um die #MeToo-Debatte gehen. "Das wurde höchste Zeit", sagt Schauspielerin Gesine Cukrowski. Mit tagesschau.de spricht sie über strukturellen Sexismus und was sich verändert hat.
mehr | Auf der Berlinale wird es auch um die #MeToo-Debatte gehen. "Das wurde höchste Zeit", sagt Schauspielerin Gesine Cukrowski. Mit tagesschau.de spricht sie über strukturellen Sexismus und was sich verändert hat. tagesschau.de: Bei der Berlinale wird es diesmal etwas ernster zugehen als sonst. Es soll Podiumsdiskussionen und Beratungsangebote zur #MeToo-Debatte geben. Wie denken Sie darüber? Gesine Cukrowski: Ich finde das großartig, ich freu' mich darauf und es ist längst an der Zeit, diese Debatten auch öffentlich zu führen. Ich unterstütze alles, was dazu beiträgt, die Augen für eine Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu öffnen. Denn davon sind wir leider noch sehr weit entfernt. tagesschau.de: Warum steht gerade die Filmbranche so im Fokus der Debatte? Cukrowski: Benachteiligung von Frauen und auch sexuelle Diskriminierung kommen überall in der Gesellschaft vor. Da sticht die Film- und Fernsehbranche nicht besonders heraus. Aber in der Branche hat sich beispielsweise erst sehr spät eine Gewerkschaft gegründet. Hier sind alle Einzelkämpfer. Dass man sich zusammenschließt und gemeinsam Rechte einfordert, das gibt es noch nicht so lange. In anderen Branchen, wo es einen Betriebsrat gibt, kann man sich ganz anders gegen Benachteiligung wehren. "Stempel der Zicke" tagesschau.de: Es soll jetzt eine überbetriebliche Anlaufstelle für sexuelle Belästigung, Gewalt und Diskriminierung in der Branche geben. Hilft das weiter? Cukrowski: Ja, ich finde es ganz wichtig, dass es überparteiliche Stellen gibt, an die man sich wenden kann. Manchmal hilft es ja auch schon, wenn einem jemand rät, wie man mit so etwas umgeht. tagesschau.de: Wenn man die #MeToo-Debatte verfolgt, ist es erschütternd, wie verbreitet sexuelle Belästigung in der Branche gewesen ist. Warum haben alle so lange geschwiegen? Cukrowski: Das hat wohl unter anderem damit zu tun, dass man bei jedem neuen Filmprojekt von Null anfängt. Man muss sich neu bewerben und konkurriert mit allen anderen Schauspielerinnen oder Filmschaffenden auf dem Markt. Wenn ich mich unbeliebt mache, habe ich zu befürchten, dass ich beim nächsten Mal eben nicht mehr für eine Rolle oder eine Produktion beschäftigt werde. Da ist es relativ egal, was ich vorher gemacht habe. Da gibt's immer wieder das Risiko, dass einer sagt: Ach, die ist mir zu anstrengend. Und wenn ich nicht mehr besetzt werde, kann ich meine Miete nicht mehr zahlen. Und hinzu kommt: Man bekommt als Frau gleich den Stempel der Zicke. Wenn ein Mann sich am Set aufregt, dann ist der mutig und toll und wenn eine Frau sich aufregt, ist sie kompliziert und anstrengend. Das begegnet mir, seit ich in diesem Beruf arbeite und das hat sich bis heute nicht geändert. "Gesine, pass' auf, wie du dich benimmst!" tagesschau.de: Haben Sie selbst sexuelle Belästigung erlebt? Cukrowski: Bei einer meiner ersten Fernsehproduktionen vor 25 Jahren hat der Produzent mehrfach versucht, mich ins Bett zu bekommen und ich hab ihn jedes Mal abgewiesen. Und irgendwann war er so beleidigt, dass er bei meiner Agentur anrief und sagte, er werde dafür sorgen, dass ich in der Branche keinen Fuß mehr auf den Boden kriege. Und anstatt mich zu unterstützen, hat meine Agentin mir dann gesagt: Gesine, du musst schon ein bisschen aufpassen, wie du dich benimmst. tagesschau.de: Das könnte so heute aber nicht mehr vorkommen, oder? Cukrowski: Nein, im derzeitigen Klima würde sich das kein Produzent mehr trauen. Das hat die #MeToo-Debatte bereits bewirkt. Aber es gibt andere Muster, die fortbestehen. Zum Beispiel muss man - um als Frau eine Rolle zu bekommen - einem bestimmten sexuellen Ideal entsprechen: Möglichst schlanke Figur, aber bloß nicht zu wenig Busen. Man muss 'fuckable' sein. Das ist tatsächlich eine Kategorie, die bei der Besetzung von Rollen abgefragt wird. Also sexy, aber auch wieder nicht zu sehr. Und so muss man sich dann auch präsentieren in der Öffentlichkeit und auf roten Teppichen. Darunter leiden viele Kolleginnen, gerade wenn sie älter werden: Denn wenn man die 40 überschreitet, wird man ohnehin kaum noch für Rollen besetzt. Also versuchen alle, jünger auszusehen, möglichst keine Falten zu haben und gegebenenfalls nachzuhelfen. Das ist schrecklich. tagesschau.de: Was hat sich durch die #MeToo-Debatte ansonsten schon getan? Cukrowski: Die Stimmung hat sich verändert. Als sich beispielsweise vor vielen Jahren die Initiative Pro Quote Regie gegründet hat, haben selbst Frauen in der Branche gesagt: Ich weiß ja nicht, braucht es das wirklich? Es gibt ja ein Vorurteil gegenüber Feministinnen und die Angst, als illoyal zu gelten. Wenn man Farbe bekennt, riskiert man, dass andere das nicht gut finden, was man denkt. Man geht das Risiko ein, etwas zu verlieren, benachteiligt zu werden. Und davor hatten alle so viel Panik, dass keiner den Mund aufgemacht hat. Ich finde es großartig, dass sich das endlich viel mehr Leute trauen. Gerade auch, wenn es um strukturelle Benachteiligung jenseits der sexuellen Belästigung geht. tagesschau.de: Was meinen Sie? Cukrowski: Ich arbeite seit 30 Jahren als Schauspielerin und habe erst dreimal mit Regisseurinnen gearbeitet. Und das liegt sicher nicht daran, dass Männer die besseren Regisseure sind, sondern daran, dass dieses System schon immer so war und es den Beteiligten offenbar sehr schwer fällt, das zu durchbrechen. Erst ganz langsam kommt da etwas ins Rollen, wodurch die vielen fantastisch ausgebildeten und talentierten Regisseurinnen mehr ins Spiel kommen. Und auch die Bezahlung ist sehr ungleich: Ein Mann in meinem Beruf - selbst wenn er die gleiche Erfahrung mitbringt, genauso lang im Geschäft ist und genauso bekannt - verdient bis zum Doppelten dessen, was eine Frau verdient. Bei genau der gleichen Arbeit. Und damit drückt man aus: Die Frau ist weniger wert. "Thema hat uns flächendeckend betroffen" tagesschau.de: Eine Studie hat vergangenes Jahr gezeigt, dass Frauen auch viel seltener Hauptrollen bekommen als Männer. Woran liegt das? Cukrowski: Auch das ist eine alte Gewohnheit, die vielleicht noch vom Theater herrührt: In einem klassischen Stück gibt es ein Dutzend Männerrollen und vielleicht zwei Frauen: Eine Mutter und eine Geliebte. Und auch die Rollenverteilung in den großen Kinofilmen der vergangenen Jahrzehnte war klar männerdominiert. Solche Muster und Gewohnheiten lassen sich nur schwer ändern. Aber auch hier merkt man: So langsam tut sich etwas, vielleicht nicht zuletzt durch diese Studie von Maria Furtwängler, die viele wohl erschreckt hat. tagesschau.de: Die #MeToo-Debatte wird allerdings auch kritisiert: Es gibt den Vorwurf der öffentlichen Denunziation, des Rufmords, wenn doch eigentlich die Unschuldsvermutung gelten muss. Was denken Sie darüber? Cukrowski: Man muss da differenzieren. Opfern von echter sexueller Gewalt muss man immer Gehör verschaffen. Und dann darf man auch Namen nennen. Das heißt aber nicht, dass ich jede beispielsweise verbale Belästigung auch öffentlich machen muss, das bringt überhaupt nichts. Wenn ich so ein Beispiel aus meiner Vergangenheit erzähle, geht es mir darum klarzumachen, wie flächendeckend dieses Thema uns Frauen betroffen hat. Dass es eben nicht nur Ausnahmen waren, sondern eher die Regel. Das Interview führte Sandra Stalinski, tagesschau.de | /kultur/metoo-interview-101.html |
2018-02-01 | Offenes Tor für den Westbalkan? | EU-Außenministertreffen | 28 Mitglieder hat die EU derzeit. Kommissionschef Juncker will bis 2025 sechs neue Staaten dazuholen. Beim Außenministertreffen in Sofia stießen die Pläne nicht nur auf Zustimmung. Von Holger Romann. | 28 Mitglieder hat die EU derzeit. Kommissionschef Juncker will bis 2025 sechs neue Staaten dazuholen. Beim Außenministertreffen in Sofia stießen die Pläne nicht nur auf Zustimmung. Vor fünf Jahren ist mit Kroatien das letzte neue Mitglied der Europäischen Union beigetreten. Seitdem ist der Begriff "Erweiterung" aus dem aktiven Wortschatz des Brüsseler Spitzenpersonals weitgehend verschwunden. Finanzkrise, Flüchtlingsstreit und nicht zuletzt der zunehmend EU-feindliche Kurs einiger östlicher Mitgliedsstaaten haben die Prioritäten verschoben und den Appetit auf "mehr Europa" beträchtlich gezügelt. Geht es nach der EU-Kommission, dann ist die Zeit der Enthaltsamkeit bald vorbei. Anfang des Monats hat die Behörde erstmals ihre neue Westbalkan-Strategie präsentiert. Sechs Ländern der Region, allen voran Serbien und Montenegro, will man das Tor zum Beitritt weit aufstoßen. Ist 2025 als Ziel realistisch? Schon um das Jahr 2025, lockt Kommissionschef Jean-Claude Juncker, könnten neben Kroatien und Slowenien weitere ex-jugoslawische Republiken EU-Mitglied sein. Kein Ersatz, aber zumindest ein Trostpflaster für das absehbare Ausscheiden Großbritanniens, meint auch EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn. "Entweder wir exportieren Stabilität - oder wir importieren Instabilität", ist er überzeugt. "Aber das muss man erklären." Unter den bald nur noch 27 EU-Mitgliedsstaaten hält sich die Begeisterung für die Brüsseler Pläne freilich in Grenzen. Beim informellen Treffen der Außenminister in Sofia wurde deutlich, dass längst nicht alle Regierungen bereit sind, bei der heiklen "Mission Westbalkan" bedingungslos mitzuziehen - besonders, was das Tempo betrifft. Ausgerechnet der Vertreter Sloweniens, Karl Erjavec, nannte die Aufnahme der südlichen Nachbarländer bis zum Jahr 2025 "nicht realistisch". Als Grund führte er zahlreiche ungelöste Rechtsstreitigkeiten und Grenzprobleme an, etwa zwischen Serbien und dem Kosovo oder zwischen Mazedonien und Griechenland. Sie könnten für die EU-Erweiterung ein großes Problem darstellen. Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen Bedenken äußerte auch der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian, der auf die anspruchsvollen Bedingungen verwies, die ein angehendes EU-Mitglied zu erfüllen habe. Bedingungen wie eine wirksame Korruptionsbekämpfung oder der Aufbau eines unabhängigen Justizwesens, die bei den fraglichen Kandidaten noch lange nicht umgesetzt seien. Dass man hier bei früheren Beitrittsrunden möglicherweise zu nachsichtig war, zeigen nach Ansicht vieler Beobachter die Beispiele Rumänien oder auch Bulgarien, das aktuell die EU-Ratspräsidentschaft innehat. EU-Erweiterungskommissar Hahn beschwichtigte und versprach, man werde all diese Einwände berücksichtigen. Es gelte der Grundsatz: Qualität vor Geschwindigkeit - und die neue Balkanstrategie sei keine Einladung, von den geltenden Konditionen Abstand zu nehmen. "Die Hausarbeiten sind zu machen - sowohl am Westbalkan als auch bei uns zu Hause", betont er. "Bekanntermaßen ist die Leidenschaft für eine Erweiterung ja nicht rasend groß." "Wer ist Erster in Belgrad - China oder die EU?" Hahns Landsfrau, die österreichische Außenministerin Karin Kneissl, sieht die Initiative der EU-Kommission positiv. Nach Jahren des Stillstands sorge sie endlich für neue Dynamik in einer wichtigen Region Europas. Zu lange habe Brüssel den Balkan vernachlässigt, kritisierte die parteilose Ministerin, die der FPÖ nahesteht. Andere Player wie China oder Russland drohten, in dieses Vakuum vorzustoßen: "Wer ist Erster in Belgrad - China oder die Europäische Union?", sei die Frage. "Und genau da muss man dagegen wirken, weil es einfach unsere unmittelbare Nachbarschaft ist und die EU investiert und engagiert ist." Dies müsse noch sichtbarer werden. Ungarn will mehr Tempo Zu den Befürwortern einer baldigen Erweiterung zählt auch Ungarn. Dessen Chefdiplomat Peter Szijjarto zeigte sich unzufrieden mit dem Zeitplan und forderte sogar einen früheren Beitrittstermin. Mit Blick auf Serbien und Montenegro sei 2025 viel zu spät. Die EU sollte stattdessen versuchen, die Verhandlungen bis 2022 abzuschließen, drängte der Ungar. "Wenn wir es als Europäische Union ernst damit meinen, dass wir Sieger sein wollen auf dem Feld der Strategien und wenn es um Herausforderungen auf dem westlichen Balkan geht, dann sollten wir viel schneller sein", sagte er. "Warum nicht die Serben und Montenegriner schon vor 2025 aufnehmen? Warum noch weitere sieben Jahre warten?" Szijjartos Argument: Die Beitrittskandidaten hätten sich lange genug geduldet und nun Anspruch auf eine raschere Integration. Dies würde ihnen auch helfen, ihre Nachbarschaftsprobleme beizulegen. Farbe bekennen im Mai Wie ernst letztlich derartige Äußerungen von einer eher EU-kritischen Regierung zu nehmen sind, sei dahingestellt. Der Ministerrat in Sofia hat jedenfalls gezeigt: Das Thema EU-Erweiterung bleibt umstritten. Nicht nur die Frage des Timings wird noch für einige Debatten sorgen. Ungewiss ist auch, wie sich die Staats- und Regierungschefs zur Strategie der Kommission positionieren werden. Farbe bekennen müssen sie spätestens im Mai, beim großen Westbalkan-Gipfel. Der findet ebenfalls in Sofia statt. | /ausland/eu-aussenminister-159.html |